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Über sich hinauswachsen

Verbinden Sie sich mit Ihrem innersten Kern und kehren Sie zu der Quelle zurück, der Sie entsprungen sind.

Sahasrara Chakra

Ein Chakra, bei dem es nicht mehr um Selbstfindung geht, sondern darum, im Zustand der Selbsterkenntnis anzukommen

Die Übersetzung von Sahasrara aus dem Sanskrit lautet: tausend. Diese Zahl steht für Unendlichkeit und im übertragenen Sinne für das endlose, das allumfassende, das transzendente Bewusstsein, das im Gegensatz zu unserem individuellen Bewusstsein steht.
Das Chakra verbindet die Individualität des Menschen – welche sich in den unteren Chakren gezeigt hat und die sich vermutlich mit dem Ende des irdischen Daseins auflöst – mit dem, was unvergänglich und fortwährend präsent ist, mit der göttlichen Natur des Menschen.

QUELLE DES REINEN BEWUSSTSEINS

Diesem Chakra wird der Zustand Samadhi (Erleuchtung) zugeschrieben. Samadhi ist der Zustand der Vereinigung und das höchste Ziel der Meditation. Shiva und Shakti, die im Anahata Chakra (>) zusammentrafen und sich in Ajna als Ida und Pingala verbinden (>), feiern hier so etwas wie eine mystische Hochzeit. Sie verschmelzen miteinander, so wie der Meditierende in diesem Zustand erlebt, dass er, der Erfahrende, die Erfahrung und das Erfahrene eins werden. Das Individuelle verflüssigt sich im Unendlichen und kehrt wie ein Tropfen, der sich irgendwann aus dem großen Meer gelöst hat, wieder zurück in die Weiten des Ozeans. Im Yoga wird diese Vereinigung als temporär angesehen, denn der Tropfen wird sich wieder aus dem Ozean lösen, um erneut in die Schöpfung einzugehen. Shiva und Shakti trennen sich also nach einer gewissen Zeit wieder und nehmen die Erfahrungen mit in eine erneute Chakrenreise.

Was sich anhört wie Sisyphosarbeit, ist aus einem yogischen Blickwinkel betrachtet das, was in der Einleitung des Buches schon mit dem Abstieg der Kundalini beschrieben wurde (>): die Evolution des Yoga. Und dieser Prozess findet sowohl diesseits wie auch jenseits statt und sieht Vereinigung wie Teilung voraus, weil die Teilung der Schöpfung eine Voraussetzung für das Leben ist. Das macht Yoga zu einer so zugewandten Philosophie, die einerseits beflügeln und in höchste Sphären führen kann und andererseits dafür sorgt, dass wir besser in der diesseitigen Welt verankert sind und leben können.

Ein leuchtendes Ziel

In der Symbolik des Sahasrara Chakras dominiert ein leuchtender Lotus mit tausend Blütenblättern, der entweder in vielen Farben strahlt oder aber leuchtend rot-pink dargestellt wird. So wird der Wohnsitz des höchsten, transzendenten Bewusstseins als etwas Strahlendes symbolisiert, das durch seine Schönheit eine hohe Anziehungskraft besitzt und den Menschen zur Selbsterkenntnis animiert. Die Symbolik befindet sich fast ausschließlich jenseits dessen, was wir einordnen können: Das Chakra liegt außerhalb der Sinne und Sinnesorgane, ebenso wie es jenseits der Elemente oder der Tierwelt liegt. Einzig finden wir hier den Jyotir Lingam, Symbol des Lichts und damit des reinen Bewusstseins. Nichts, was wir hier finden, ist leicht verständlich, denn wie kann, was außerhalb der wahrgenommenen Welt liegt, in dieser Welt verständlich sein? Im Yoga sagt man, dass das möglich ist, indem man in den Zustand der Transzendenz gelangt, weil man hier erkennt, dass Atman (das Göttliche in uns) und Brahman (das Göttliche außerhalb von uns) gleichen Ursprungs sind.

Die Krone des Körpers

Die körperliche Dimension des Sahasrara Chakras liegt genau genommen außerhalb des Körpers und ist weniger als primär körperliche Ebene erfahrbar, sondern mehr als Aura zu bezeichnen. Und dennoch kann man, wie bei den anderen Chakren auch, einen Aktivierungspunkt wahrnehmen. Er befindet sich etwa da, wo man, anatomisch betrachtet, von der Fontanelle spricht. Dieser Bereich des Schädels von Neugeborenen weist noch keine knöchernen oder knorpeligen Strukturen auf und ist daher nach oben hin sehr durchlässig. Er symbolisiert im übertragenen Sinne die spirituelle Öffnung zu einem höheren Bewusstsein. In manchen Kulturen ist es deshalb fast eine Unart, Neugeborenen auf den Kopf zu fassen.

Chakrensymbolik auf einen Blick

Name: Sahasrara Chakra

Andere Bezeichnungen: Scheitelchakra
oder Kronenchakra

Bedeutung: tausend

Qualitäten: Transzendenz

Schattenseiten: keine

Element: keines

Chakrentier: keines

Geometrische Form: keine

Farbe: viele Farben/leuchtendes Rot-Pink

Lotusblätter: tausend

Sitz: über dem Scheitel

Aktivierungspunkt: Scheitelpunkt

Sinn, Sinnesorgan: keines

SPIRITUALITÄT MIT KOPF, HERZ UND HAND

Transzendenz ist ein Zustand, der in vielen Religionen und Philosophien mit anderen Begriffen bezeichnet, aber ähnlich bis gleich beschrieben wird: als Zustand, in dem man sich von seiner Individualität trennt und jenseits der eigenen Erfahrungswelt existiert. Spannend ist, dass es sogar innerhalb einer Disziplin wie dem Yoga verschiedene Begrifflichkeiten dazu gibt. Bezeichnet zum Beispiel Patanjali, der Begründer des Raja Yoga (Yoga der Meditation), diesen Zustand als Samadhi, so wird der gleiche Zustand im Kundalini Yoga (Yoga der Energie) als Sahasrara Chakra benannt. Die vielfältigen Bezeichnungen zeigen, dass man sich zunächst davon frei machen muss, auf eine Antwort zu hoffen, die das unfassbare Phänomen von Transzendenz einheitlich beschreibt. Vielmehr wird man hier aufgefordert anzunehmen, dass der eine von Einheit, der nächste von Stille und wieder ein anderer von Gott spricht.

Transzendenz persönlich nehmen

Hat man selbst noch nicht erlebt, was mit Transzendenz gemeint ist, ist man darauf angewiesen, sich auf die Erfahrungswelten anderer zu verlassen. Aus diesem Grund gibt es unter anderem Yoga- und Meditationslehrer, deren Aufgabe darin besteht, denjenigen, der nach Transzendenz strebt, auf seinem Weg zu unterstützen und ihm eine Idee davon zu geben, was der Zustand ist und wie man ihn erreicht. In diesem Übertragungsvorgang, in dem der Lehrer den Schüler an die Hand nimmt, liegt eine unglaubliche Zärtlichkeit und Schönheit und gleichzeitig eine große Gefahr. Denn wie soll man wissen, dass der Lehrer tatsächlich Transzendenz kennt und diese nicht als Mittel zum Zweck benutzt, um den Schüler in seine eigenen egozentrischen Glaubenssätze zu integrieren? Da so etwas auch heute immer wieder vorkommt, sind viele Menschen vorsichtig mit ihrem Zugang zur Transzendenz. Vielleicht hilft es hier, diesen Zugang als etwas sehr Persönliches zu begreifen, das, auch wenn man von anderen, erfahreneren Menschen lernt, nicht abzukoppeln ist vom eigenen gesunden Menschenverstand.

Vorsicht, Fluchtgefahr!

Dieses Buch baut, wie der Yoga auch, Schritt für Schritt darauf auf, sich besser kennenzulernen, um dann, schlussendlich, diese Erfahrungswelt hinter sich zu lassen. Dies geschieht jedoch durch Selbstrealisation und nicht ohne sie. Damit ist gemeint, dass man sich nur »auflösen« kann, wenn man sich vorher kennengelernt und sein ganzes Menschsein angenommen hat. Warum das so wichtig ist? Transzendenz könnte auch eine Flucht sein, ein mit spirituellen Argumenten untermauerter Weg, sich seiner weltlichen Verantwortung zu entbinden – etwa wenn gesagt wird, dass wir alle eins sind, ohne zu respektieren, dass wir hier in der Welt alle verschieden sind. Der Psychologe Dr. David Schnarch sagt, dass der Mensch, genauso wie er in anderen Menschen Bestätigung oder Sinn sucht, statt in sich selbst Halt zu finden (>), auch in anderen Zuständen die Bestätigung seiner Identität suchen kann. Ist dies der Fall, wird die Unfähigkeit, sich hier in der Welt anzunehmen, zum Antrieb, sich im großen Ganzen zu verlieren. Geht man aber aus der Selbsterkenntnis und der Selbstannahme heraus in den größeren Zusammenhang, dann ist der Weg zur Transzendenz geöffnet.

Reif werden für die Stille

Transzendenz ist also keine Medizin für den gescheiterten Versuch im Hier und Jetzt mit sich und dem Leben klarzukommen, sondern vielmehr das Ergebnis des Prozesses, sich selbst anzunehmen und dann zu erkennen, dass man Teil von etwas Größerem ist. Deshalb ist der Weg zur Transzendenz keine Zauberei, sondern ein Weg der geduldigen Selbsterforschung und des stetigen inneren Wachstums. Je reicher man innerlich an Erfahrungen wird, desto weniger haftet man diesen an und desto zugänglicher wird der Weg in den Zustand der Einheit. Dabei sollte man sich immer wieder klarmachen, dass ihm ein Reifungsprozess vorausgeht, das heißt, dass wir die Stufen der Chakrenleiter zuvor erklommen haben. Wichtig ist auch, dass der Zustand weder dauerhaft ist noch kalkulierbar, sondern zu Ihnen kommen wird, wenn Sie den Raum dafür öffnen und einer Übungspraxis folgen. Ob diese yogischer Natur ist oder aus Spaziergängen im Wald besteht, ist dabei nicht wichtig. Denn schließlich findet uns die Stille überall, wenn wir bereit sind.

Transzendenz in den Alltag integrieren

Öffnen Sie sich zwischendurch immer mal wieder für die Möglichkeit, dass die Stille Sie ganz von alleine findet, indem Sie für Ruhe und eine entspannte Situation sorgen.

Beschäftigen Sie sich täglich mit Ihrer vielfältigen Persönlichkeit. Dabei finden Sie vielleicht den inneren Beobachter, der bereits außerhalb Ihrer Individualität wartet.

Wenn Sie den spirituellen Weg bereits gehen, machen Sie sich mit dem Abstieg der Kundalini vertraut und integrieren Sie Ihre Erfahrungen immer mehr in Ihr alltägliches Leben, statt sich vom Alltag zurückzuziehen.

Sahasrara Yogasequenz

Sprengen Sie mit diesen Übungen Ihre Grenzen und wachsen Sie über sich selbst hinaus: 1 und 2 Bhairava Mudra (Geste des Gebens), 3und 4 Prana Mudra (Anrufung der Energie), 5 und 6 Bhairavi Mudra (Geste des Empfangens).

Kommen Sie in eine angenehme und aufrechte Sitzposition, egal ob im Fersensitz, mit gekreuzten Beinen oder auf einem Stuhl. Richten Sie Ihre Wirbelsäule vom Becken aus nach oben hin auf, indem Sie der natürlichen S-Form der Wirbelsäule folgen.

Sie können die Sequenz auch gerne mit offenen Augen üben. Achten Sie dabei lediglich darauf, dass Sie einen Fixpunkt vor sich wählen, damit auch bei offenen Augen Ruhe einkehren kann.

BHAIRAVA MUDRA

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Einatmung: Legen Sie die Hände auf den Beinen ab, die Handflächen weisen nach oben, die rechte Hand ruht in der linken. Spüren Sie, wie sich Ihr Atem von den Händen weg entlang der Körpermitte nach oben bewegt. 1

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Ausatmung: Entspannen Sie den ganzen Körper und schließen Sie die Augen, während der Atem wieder zurückfließt und in der rechten Handfläche zu ruhen kommt. 2

PRANA MUDRA

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Einatmung: Drehen Sie die Hände so, dass die Handflächen zum Körper zeigen, wobei sich die Mittelfinger als Anhaltspunkt berühren. Führen Sie die Hände mit der Einatmung dicht am Körper entlang der Körpermitte nach oben bis zum Augenbrauenzentrum, ohne dass die Handflächen den Körper berühren. Öffnen Sie die Arme auf Schulterhöhe zu den Seiten. 3

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Ausatmung: Führen Sie die Hände mit einer gleichmäßigen, bewussten Ausatmung wieder zurück zum Augenbrauenzentrum und dann weiter entlang der Körpermitte wieder zurück in den Schoß, wobei die Handinnenflächen wieder zum Körper zeigen (zum Anschluss >). 4

Hinweise zu Ablauf und Achtsamkeit

Eine bequeme Sitzhaltung ist wichtig, damit Sie sich auf die inneren Prozesse im Körper konzen­trieren können. Ihr Oberkörper sollte maximal aufgerichtet sein, sodass der Atem fließen kann.

Ihre Handinnenflächen sind in dieser Sequenz Ihre Antennen: Liegt die rechte Hand oben, spüren Sie Ihre Kraft zu geben. Liegt die linke Hand oben, spüren Sie Ihre Kraft des Empfangens. Zeigen Ihre Handflächen zum Körper, erspüren Sie alle in den vorherigen Sequenzen angesprochenen Chakrenpunkte. Und wenn Sie die Arme zu den Seiten ausbreiten, können Sie in den Hand­innenflächen eine Kraft wahrnehmen, die von außen in Sie hineinfließt.

BHAIRAVI MUDRA

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