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Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2017

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2017

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Regina Denk, Claudia Bruckmann

Lektorat: Alexandra Bauer (textwerk, München)

Covergestaltung: Martina Baldauf, herzblut02 GmbH

eBook-Herstellung: Bettina Maschner

impressum ISBN 978-3-8338-6269-4

1. Auflage 2017

Bildnachweis

Fotos: Seite 207, Gräfe und Unzer Verlag / Gaby Gerster

Syndication: www.seasons.agency

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Die GU-Homepage finden Sie im Internet unter www.gu.de

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VORNEWEG

Ich möchte ein Igel sein

Manchmal genügt eine Kleinigkeit, und plötzlich weiß man: Es muss sich etwas ändern! Und zwar pronto! So wie vor ein paar Monaten, als ich den Schrank öffnete und mal wieder von einer zwar sehr süßen, aber auch sehr engen Jeans beleidigt wurde. Sie sagte, was sie immer sagt, seit ich sie offenbar in einem Anfall geistiger Umnachtung gekauft habe: »Hast du etwa immer noch nicht die sieben Kilo abgenommen, die es braucht, damit ich dir wieder passe? Warum bist du bloß so eine Memme? Andere schaffen es doch auch, verdammt noch mal! Was soll so schwer daran sein, einfach mal ›Nein!‹ zum Käsekuchen zu sagen?« Und ich dachte: Jetzt reicht’s! Wohin soll das führen, wenn wir jetzt auch noch Erwartungen von Kleidungsstücken erfüllen sollen? Und weshalb lass ich mich von dem unverschämten kleinen Ding mit dem IQ von gerade mal ›100 Prozent Baumwolle‹ eigentlich so anherrschen? Schließlich sortiere ich doch sonst auch brav regelmäßig Überflüssiges aus. Wieso dann nicht auch diese bekloppte Idee, sich von Kleidungsstücken unter Druck setzen zu lassen? Warum entrümpeln wir nicht überhaupt auch mal unseren Gefühlshaushalt? Entsorgen belastende, nutzlose und stressige Vorstellungen, Ansprüche, Haltungen? Ganz so, wie es in Aufräumbüchern immer geraten wird – alles mal in die Hand nehmen und gut überlegen: Brauche ich das noch? Macht es mir Freude? Tut es etwas für mich? Hat es jemals etwas für mich getan?

Würde man diese Methode etwa auch bei Beziehungen anwenden, wäre ja in vielen Frauenleben auf einen Schlag schon mal sehr viel Entspannung, Zeit und Platz gewonnen. Im Zweifel zieht ja nicht nur Konrad aus, sondern all die Hausarbeit, die er verursachte, aber nicht erledigen mochte. Außerdem: Seine Plattensammlung, sein Hometrainer, die Hanteln und gefühlt 100 Paar Sneakers. Sicher würde auch die Arbeitswelt für uns Frauen ganz anders aussehen, wenn wir uns von ein paar Altlasten verabschieden. Zum Beispiel von diesem Drang, dass wir uns immer noch weiter ins Zeug legen und ranklotzen, dünner, kulinarisch versierter, blonder, jünger sein müssen – bevor wir überhaupt nur daran denken dürfen, geliebt zu werden, Anerkennung zu bekommen, Ansprüche zu stellen. Das Gehalt zu VERDIENEN, das der Kollege in der gleichen Position längst bekommt, oder wenigstens mal ein Lob vom Chef oder ein »Du bist die Beste« vom Mann. Auch dieser XXL-Pappkamerad ›Traumprinz‹, der seine beste Zeit längst hinter sich hat und auf dem Krönchen schon ein kleines Staubmützchen trägt, könnte gut mal weg. Schließlich ist er zu nichts weiter nütze, als uns die Freude an so ziemlich jedem Mann zu verderben, der keine Strumpfhosen trägt und auf einem Pferd sitzt. Und dann das Gerücht, man müsse sich noch nachts um zehn sein Supermutti-Kostüm überwerfen und die Nacht damit verbringen, Kekse für so ziemlich jede Lebensunverträglichkeit auf dem Planeten zu backen (damit die anderen Mütter beim Kindergartenfest endlich mal richtig blass aussehen). Es gehört ebenso entsorgt wie diese Überzeugung, man dürfe den Nachwuchs keinesfalls zu harsch dazu drängen, sein Zimmer aufzuräumen, weil er sonst später vielleicht Busse entführt. Ja, warum eigentlich nicht mit all den Ballaststoffen, mit den Schuldgefühlen, den Selbstzweifeln, den Ängsten in unserem Leben genauso verfahren wie mit Mario-Barth-CDs und durchgesessenen Sesseln?

»›Kann weg!‹ klingt so negativ«, moniert eine Freundin, der ich von meinem ganz neu entfachten Aufräumdrang erzähle. Ja, das mag sein. Andererseits sind wir mit der Methode ›Mehr bringt mehr‹ bislang leider nicht so gut gefahren. All der immense Aufwand, den Frauen betreiben, um das Leben zu führen, das sie sich wünschen, hat nur noch zu mehr Aufwand geführt. Um in Bestform zu sein, jung zu bleiben, um weiterhin hart an dem bislang unbestätigten Gerücht zu arbeiten, dass Liebe und Anerkennung proportional mit der Anzahl von warmen Mahlzeiten, gebügelten Bettbezügen und gefahrenen Kilometern zum Handballtraining der Kinder wachsen. Wenn aber mehr nicht mehr bringt, warum es dann nicht einfach mal mit weniger versuchen? Deshalb dieses Buch. Es zeigt die typischen Frauen-Denkfallen und lockert den Klammergriff um liebgewonnene Überzeugungen und Gewohnheiten, von denen wir uns dringend verabschieden sollten.

Das Beste gleich mal vorneweg: Man braucht, um so ein Frauenleben aufzuräumen, all den inneren Ballast loszuwerden, nicht mal das Sofa zu verlassen. Es lässt sich ja praktisch alles im Kopf erledigen. Ohne auch nur einen Finger zu rühren, erlebt man dabei etwas ganz Erstaunliches: dass nicht der gewinnt, der das meiste tut. Wäre es anders, hätten wir ja längst die Weltherrschaft, und Männer müssten sich schon etwas anderes einfallen lassen, als bloß zu atmen, um uns zu beeindrucken. Wir hätten Respekt, Aufmerksamkeit und endlich keine Zweifel mehr, dass wir anbetungswürdig, großartig, kompetent und liebenswert sind, und Zeit, das alles zu genießen, anstatt schon wieder nachmittags über den Hausaufgaben des Zwölfjährigen zu brüten, weil »wir morgen Mathe schreiben«. Deshalb ›kann weg‹, aber auch ›weniger bringt viel mehr‹. Denken wir an die Fabel vom Hasen und vom Igel. Hören wir auf, dem Hasen nachzueifern, getrieben, gehetzt, immer unzufrieden, nie am Ziel. Nehmen wir uns lieber an den Igeln und ihrem fantastischen Sinn für Aufwand und Wirkung ein Beispiel. Ich jedenfalls möchte in Zukunft mehr Igel als Hase sein. Falls es Ihnen ähnlich geht und Sie dringend mehr Stauraum fürs Glück brauchen, begleiten Sie mich beim Entrümpeln. Sie werden staunen, wie leicht sich mehr Speicherplatz für Freude, Entspannung, Zufriedenheit, Erfolg und Leichtigkeit gewinnen lässt.

* Geteilte Arbeit ist doppeltes Vergnügen. Besonders bei einem Thema wie diesem und mit der besten Freundin. Wenn Sie dennoch von einem ›Ich‹ durch dieses Buch geführt werden, dann auch, weil wir bei all den angesprochenen Themen auf einer Wellenlänge liegen. Deshalb würde es nur die Lektüre stören, jeweils kenntlich zu machen, wo Susanne Fröhlich anfängt und Constanze Kleis aufhört und umgekehrt. Geht ja außerdem auch um Wichtigeres: Erkenntnisgewinn UND Unterhaltung. Viel Spaß bei allem Folgenden!

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WENN ICH EINMAL SCHLANK WÄRE …

Bye-bye Diät-Illusion!

Seit etwa 1,5 Jahren bin ich mal wieder schlank. Jedenfalls für meine bescheidenen Verhältnisse und Ansprüche. Und was soll ich sagen: Alles ist fantastisch. Es ist ein ganz neues Leben. Die Welt zeigt sich begeistert, es hagelt Glückwünsche von allen Seiten, im Job läuft es hervorragend, die Männer können sich kaum mehr halten vor Begierde und Begeisterung, es regnet mental ständig rote Rosen – all meine Träume sind endlich wahr geworden. Das Leben ist geradezu vollkommen. Eine einzige große Offerte mit irrsinnigen Möglichkeiten. Ich schwebe auf rosaroten Wolken. Es ist perfekt. Schlicht und ergreifend: wunderbar.

Papperlapapp. Papperlapapp. Papperlapapp.

Aber genau so denken wir: Wir glauben, wenn wir erst mal schlank sind, wird das Glück tsunamiartig über uns hereinbrechen. Natürlich ist genau diese Verknüpfung ›Schlank ist gleich glücklich‹ ein großer Trugschluss, der hartleibig wie eine Urzeit-Kakerlake jede Welle der Erkenntnis und Vernunft übersteht. Es ist wie in Stein gemeißelt: Wer schlank ist, ist glücklich oder hat zumindest eine unabdingbare Voraussetzung fürs große Glück.

Es gibt Dinge, wie Klamotten shoppen, die einfacher sind, wenn man schlank ist. Keine Frage. Aber dummerweise (und auch glücklicherweise) ist Schlanksein ganz sicher nicht allein seligmachend. Als Glücksgarant ist das Schlanksein sogar ziemlich untauglich und maßlos überbewertet. »Aber, aber«, wenden jetzt mit Sicherheit viele Frauen ein, »wenn ich schlank wäre, dann würde ich ausgehen, endlich einen Salsa-Kurs machen, dann würden mich die Männer wieder wahrnehmen, und ich könnte sogar mein T-Shirt in die Hose stecken. Ich könnte wieder an den Strand oder ins Schwimmbad, und alle würden mich bewundern. Für meine Willensstärke und meine Disziplin. Für meine schlanke Figur. Endlich hätte ich Selbstbewusstsein. Und wäre natürlich auch verdammt glücklich.«

Ich könnte, ich dürfte, ich wäre, das Schlanksein ist ein Hort der hoffnungsvollen Konjunktive. Der Mythos ›schlank‹ eine Art Sammelcontainer für alle Lichtblicke am Horizont und herrlichsten Vorstellungen.

Das klingt zunächst mal alles sehr schön und erstrebenswert. Und sogar im Ansatz plausibel. Ist aber leider totaler Quatsch. Noch gibt es fürs Ausgehen keine Gewichtsbeschränkungen. Man wird vor dem Betreten eines Theaters oder einer Bar nicht gewogen und dann, ab einem gewissen Gewicht oder BMI nach Hause geschickt: »Sie wiegen 81,5 Kilo, da servieren wir keine Cocktails, und Sie dürfen hier aus ästhetischen Gründen auch nicht sitzen! Das möchten wir den schlanken Menschen nicht zumuten.« Ausgehen kann man immer, man muss sich nur aufraffen. Natürlich ist es sehr viel bequemer, einfach gemütlich zu Hause zu bleiben. Nicht die Beine rasieren, nicht extra schick machen, einfach auf der Couch liegen und Spaghetti alla carbonara essen und das Gewicht zum Alleinschuldigen küren. »Ich würde ja gehen, aber ich bin einfach zu fett! So kann ich nicht raus. Ich hab auch gar nichts anzuziehen, und außerdem guckt mich ja eh keiner an.« Ähnlich verhält es sich mit dem Salsa-Kurs. Natürlich kann man Salsa auch mit Kleidergröße 44 tanzen. Auch mit 46 oder 48. Gespür für Musik und Bewegung hat nichts, aber rein gar nichts mit Gewicht zu tun. Ich zum Beispiel kann – egal mit welcher Kleidergröße – nicht tanzen. Nicht mit 36 und nicht mit 46.

»Aber die Männer, die wollen nun mal eine schlanke Frau!« Stimmt. Manche Männer wollen eine schlanke Frau. Aber ›schlank‹ hat als Wunschkriterium bei den meisten Männern nicht die oberste Priorität. Laut einschlägiger Umfragen wollen Männer eine selbstbewusste Frau, gepflegt und natürlich. Sie wollen Anerkennung und Respekt, sie wollen gemeinsam lachen und genießen können. In keinem Suchprofil steht: »Auf keinen Fall interessiert mich eine Frau, deren Oberschenkel sich beim Gehen berühren!« Klar gibt es Männer, die auf sehr schlanke Frauen stehen, es gibt auch welche, die mögen lange Haare, große oder kleine Brüste. Aber mal ehrlich, und wenn schon. Wir haben ja auch Vorlieben. Uns gefällt ja selbst nicht jeder. Gleiches Recht demnach für alle. Würde es stimmen, dass schlanke Frauen weggehen wie warme Semmeln, dann gäbe es keine schlanken Singlefrauen. Gibt es aber zuhauf. Unglaublich schlanke und zudem noch gutaussehende Frauen. Ganz Hollywood ist voll davon. Es ist die Mischung, die Männern gefallen muss. Kein Mann hat je gesagt: »Alles war perfekt, aber ihre Rückenspeckfalte hat mich so abgetörnt, dass ich leider Nein sagen musste. Schade.« Wenn es einen Mann stört, dass Sie Kleidergröße 46 tragen, ist er wahrscheinlich nicht der Richtige für Sie.

Ich bin in vielen Kleidergrößen zu Hause gewesen. Interessenten gab es immer. Unabhängig von der Klamottengröße. Meine Erfahrung: Was auf der Prioritätenliste von Männern ganz oben steht, ist ›Sie soll entspannt sein!‹. Das ewige Hadern mit irgendwelchen – oft vermeintlichen – Fettröllchen ist mit Sicherheit nicht entspannt. Das Herumstochern in einem Salat ohne Dressing wirkt auch nicht besonders lässig. Männer mögen es laut Umfragen, wenn sich Frauen in ihrem Körper wohlfühlen. Ausstrahlung lautet ein Zauberwort. »Sie muss Ausstrahlung haben!« Ausstrahlung ist ein großes Wort, kann viel bedeuten, hat aber definitiv mit Körpergewicht so gar nichts zu tun. Zusammengefasst: Ja, es gibt Männer, die Moppelfrauen nicht mögen. Denen es nicht gefällt, wenn an einer Frau mehr dran ist. Diese Männer fallen also weg. Na und? Es gibt auch Männer, die keine Rothaarigen mögen. Oder keine über 40. Oder keine mit kleinen Brüsten. Oder mit falschen Brüsten … oder … oder … oder … Mir hat mal ein Mann gesagt, er hasse es, wenn die Mittelgelenke der Finger zu kräftig sind. Er könnte niemals mit einer solchen Frau zusammen sein. Natürlich ist das ziemlich gestört, aber wie schon erwähnt, beim Aussortiermodus schenken sich die Geschlechter nichts. Es gibt auch Frauen, die Männer wegschubsen, die das ›falsche‹ Sternzeichen haben. Oder in FC-Bayern-Bettwäsche schlafen (ein einigermaßen verständliches Kriterium – jedenfalls für mich!).

Moppelfrau im Spaghetti-Top

»Aber wie kompliziert das auch mit den Klamotten ist. Nicht immer darüber nachdenken zu müssen, was am besten kaschiert; nicht auch noch im Sommer einen pobedeckenden Blazer tragen. Einfach in einen Laden gehen und was Nettes aussuchen. Nicht das nehmen müssen, was in der Größe da ist – das ist eine Form von Freiheit!«, beklagen Frauen mit ein bisschen mehr auf den Rippen gerne. Es stimmt, man kann einfacher einkaufen, wenn man in eine handelsübliche schlanke Größe passt. Für mich der größte Vorteil am Schlanksein. Aber niemand hat ein Gesetz erlassen, in dem steht, dass man sein T-Shirt nicht in die Hose stecken darf, wenn man einen BMI über 25 hat. Niemand hat je per Dekret beschlossen, dass man seinen drallen Hintern verhängen muss. Es sind wir selbst, die das bestimmen. Weil wir unsicher sind in unserem Körper. Ihn nicht mögen. Ihn nicht zeigen wollen. »Wie kann die nur so rumlaufen!«, sagen wir über andere Frauen, wenn eine Moppelfrau im Spaghetti-Top durch die Stadt läuft. Wir sind das Problem! Nicht der Speck. Wir könnten das Selbstbewusstsein solcher Frauen bewundern, aber nein, wir sind gehässig und giftig.

Deshalb müssen nicht die Pfunde weg, die wir glauben, alle mehr oder weniger zu viel auf den Hüften zu haben. Es gibt ein viel besseres Dopingmittel für unser Selbstbewusstsein, eines, das uns alle auf einen Schlag schöner, entspannter, anziehender macht: wenn wir aufhören, an anderen und ihren Körpern herumzukritisieren. Uns einfach nicht ständig gegenseitig bewerten und runtermachen. So gnadenlos wie Dieter Bohlen in der DSDS-Jury. Egal ob bei Facebook & Co oder im Alltag. Wie schön kann eine füllige Frau aussehen, die sich in ihrem Körper zu Hause fühlt. Wenn sie sich nicht selbst daran hindert.

Ich habe leider kein Foto für dich!

Ich kenne das Gefühl, im Sommer im Blazer dazusitzen, still vor mich hinzuschwitzen und zu beteuern, dass mir keinesfalls zu warm ist. Auch ich habe mich schwergetan, ärmellos vor die Haustür zu gehen. Mit meinen Armen? Die sind ja dicker als die Oberschenkel von dünnen Frauen, habe ich gedacht und jede Form von Tanktop aus dem Schrank verbannt. Habe mich unwohl gefühlt, befürchtet, dass jeder – und vor allem jede – hässliche Dinge denkt oder sogar sagt. Auch hier gilt: und wenn schon. Geguckt und getratscht wird immer.

Neulich habe ich folgenden Spruch gesehen: »Auch mollige Menschen dürfen kurze Sachen tragen, schließlich dürfen dumme Menschen auch reden.« Vor allem eines muss man sich merken: Man ist sowieso nie für alle einfach nur richtig. Man ist nie so, dass alle zufrieden sind. Ich muss mir schlank mindestens so viel Kritik anhören wie moppelig. Man ist immer zu dünn oder zu dick. Zu muskulös oder zu schwabbelig. Oder zu schmal im Gesicht, zu verhärmt und faltig. Irgendwas ist immer. Weil es Facebook & Co möglich machen, dass jeder jeden wie einen Staubsauger oder ein Smartphone bewerten kann: »Ist mir jetzt doch zu dick!« – »Könnte ruhig noch vier Kilo abnehmen!« – »Die Frisur gefällt mir nicht.« – »In dem Blazer sieht sie aus wie ihre Großmutter.« Fehlt nur noch, dass wir unsere Nächsten bald einfach mit bis zu fünf Sternen klassifizieren können. Nach Benutzerfreundlichkeit: »Hat sich letzte Woche geweigert, mir den Wasserkasten in den fünften Stock zu tragen. Unter dem Vorwand an ›Rücken‹ zu leiden. Kann von diesem Nachbarn nur dringend abraten!« Nach Verpackung: »Marion kam mit leichten Gebrauchsspuren zum Date. Offenbar handelte es sich nicht um Neuware, wie in der Anzeige versprochen. Ich habe sie wieder zurückgeschickt. Und mir das Nachfolgemodell aus dem Geburtsjahr 1988 bestellt.«

Nein, man ist nicht aus dem Schneider, sollte man es je erreichen, sein Traumgewicht. Im Gegenteil. Ich habe mir, als ich schlanker wurde, sehr viel mehr Bösartiges anhören müssen als zuvor. Auch das sollte Ihnen klar sein: Es gibt immer Leute, denen nicht gefällt, was sie sehen. Wir werden nie jedem gefallen, und deshalb ist es auch müßig, dieses Ziel zu verfolgen. Oder wie es der portugiesische Autor José Micard Teixeira formuliert: »Ich habe für bestimmte Dinge nicht mehr die Geduld. Nicht weil ich arrogant geworden bin, sondern einfach weil ich einen Punkt in meinem Leben erreicht habe, wo ich keine Zeit mehr vergeuden möchte mit Dingen, die mir missfallen oder weh tun. Ich habe keine Geduld mehr für Zynismus, übertriebene Kritik und Forderungen jeglicher Art. Ich unternehme keine Anstrengungen mehr, denjenigen zu gefallen, die mich nicht mögen, die zu lieben, die mich ablehnen, und jenen zuzulächeln, die mir niemals ein Lachen schenken.«

Glück hat keine Konfektionsgröße

Dürften nur Menschen mit sogenannten Idealmaßen an den Strand oder ins Schwimmbad, wäre es selbst im Hochsommer auf Mallorca verdammt leer und einsamer als am Nordpol. Gerade ein kleiner Strandausflug oder auch ein Saunabesuch kann, was Figurbedenken angeht, sehr heilsam sein. Immer dort, wo sich Menschen leicht bekleidet zeigen, sieht man, wie groß Gottes Garten ist und dass es sehr viel mehr Menschen mit Kleidergröße 44 als mit Kleidergröße 34 gibt. Und dass die mit der 44 nicht etwa so aussehen, als würden sie den ganzen Tag heulen – und die mit der 34 nicht mit einem Dauergrinsen durchs Leben laufen. Das entlastet und entspannt. Die perfekte Figur ist selten, und sie wird auch nicht serienmäßig mit Erfüllung und Glück ausgeliefert.

Gerade bei dem Thema gilt: Oft ist alles anders, als es scheint. Es gibt, das habe ich im Laufe der Jahre gelernt, verdammt fitte Moppel und sehr unsportliche Dünne. Trotzdem gelten die Fülligen in unserer Wahrnehmung oft als undiszipliniert und Dünne als willensstark. Aber nur weil jemand gerne auch mal viel isst, ist er nicht automatisch faul. Manchmal hat Essen einen hochemotionalen Stellenwert. Bietet Sicherheit, Trost, ist so etwas wie der letzte Anker in einem beängstigenden Leben. Manche Menschen haben einfach andere Prioritäten. Sie wollen sich bewusst nicht für eine kleinere Kleidergröße kasteien. Es ist ihnen die Sache nicht wert, ohne Abendbrot ins Bett zu gehen oder Nudeln nur noch an hohen Feiertagen zu sich zu nehmen. Ihre Währung ist nicht das Schlanksein. Moppelig und glücklich zu sein ist kein Gegensatz. Glück hat keine Konfektionsgröße. »Es stört mich auch gar nicht so, aber es ist halt gesünder, schlank zu sein!«, jammern manche. Das kann stimmen. Wenn man ohne Schnappatmung nicht mehr den zweiten Stock eines Altbaus erklimmen kann, wenn Blutwerte schwächeln und man nah am Diabetes ist, sollte man abnehmen. Einfach um länger und besser zu leben. Auch die Gelenke freuen sich. Und erst der Blutdruck. Die Knie jubilieren über jedes verlorene Kilo. Aber schlank heißt nicht gleich gesund: Was die Lebenserwartung angeht, liegen nicht die Superdünnen, sondern Menschen mit einem leicht erhöhten BMI ganz vorn. Warum das so ist, darüber streitet die Wissenschaft, aber es hat als Botschaft etwas Tröstliches. Wie vieles im Leben ist eine Mischkalkulation das Optimum. Wenn das Gewicht die Gesundheit beeinträchtigt, sollte man handeln. Unbedingt. Alles andere ist schlicht Geschmacks- und Privatsache. »Ich wäre ja so gern schlank, ich habe schon alles probiert, bei mir funktioniert nichts!«, stöhnen jetzt vermutlich manche Frauen. Auch diese Aussage kann weg. Jeder kann abnehmen. Jeder kann Gewicht verlieren. Aber es ist entgegen anderslautenden Gerüchten nicht leicht, und es passiert nicht über Nacht. (Ich weiß: schade, sehr schade!)

Diäten und andere Zumutungen

Sie werden mich hassen. Aber ich sag’s trotzdem: Abspecken ist mühsam, kein Spaß, und es hat mit Entbehrung zu tun. Wunder gibt es an der Diätfront leider keine. Niemand verliert in einer Woche zehn Kilo Fett. Nicht mal fünf. Und nein, nur weil man ›60 Tage lang dieses Obst isst‹, haben wir keinen flacheren Bauch, und es stimmt auch nicht, dass man einfach so ›nebenbei‹ mal eben ›mehrere Kilo‹ abnehmen kann. Natürlich wollen wir diese Heilsversprechen der Frauenzeitschriften und Ratgeber gerne glauben, es wäre ja auch so viel schöner, aber eigentlich wissen wir alle längst Bescheid. Es geht nicht schnell. Es ist nicht lustig. Es dauert. Verzicht ist der treue Begleiter einer jeden Diät. Egal welch hübsche Namen man sich dafür ausdenkt und wie cool die klingen.

Was glauben Sie, warum es quasi über Nacht so viele Veganer gibt? Sind das alles empathische Tierschützer? Menschen mit enorm ausgeprägtem Gewissen? Menschen, die eines Tages beim Anblick eines Wiener Schnitzels in Tränen ausgebrochen sind und beschlossen haben, nie mehr etwas Tierisches zu essen? Sind das vor allem Menschen, denen Gesundheit irre wichtig ist? Die mit ihrem Essverhalten etwas zu einer besseren Welt beitragen wollen? Es gibt diese Menschen. Und das ist gut und schön. Ich wage aber die Behauptung, dass viele Veganer vegan leben, um dünn zu werden oder zu bleiben. Attila Hildmann, der große Vegan-Guru, hat mit seiner Ernährungsumstellung auf vegane Kost etwa 30 Kilo verloren. Das ist beeindruckend und sicher für viele auch ein Ansporn gewesen, zum Veganismus zu wechseln (neben der Rettung der Tiere, dem Protest gegen die Massentierhaltung und überhaupt aus ethischen Gründen selbstverständlich).

Der Vorteil, wenn man versucht, so abzunehmen: Man muss sich nicht oder wenn, dann anders rechtfertigen. Macht man eine Diät, wird einem ›nur ein klitzekleines Frikadellchen‹ oder eine winzige Portion Bolognese aufgedrängt. Bei einer veganen Ernährung ist das nicht so. Man folgt einer Mission. Man is(s)t auf der guten Seite. Man macht keine Diät. Man hat eine Haltung. Es geht nicht um den stromlinienförmigen Körper. Nicht um schnöde Dinge wie die oft zitierte Bikinifigur.

Okay, auch jemand, der sich vegan ernährt, bekommt sehr viel zu hören, muss sich dauernd rechtfertigen. Keine Frage. Aber da geht es um Gesinnung und nicht um die pure Eitelkeit, und das lässt sich sehr viel besser verkaufen. Übrigens: Eine vegane Ernährung allein macht noch lange nicht schlank. Es gibt jede Menge veganer Gerichte, die hochkalorisch und nicht besonders gesund sind. Meine Freundin war auf einer veganen Kreuzfahrt und umgeben von einer Menge ziemlich moppeliger Veganer. Auch hier muss man sich also disziplinieren und kann nicht Tonnen von veganem Pudding und tütenweise sehr gesunde Nüsse in sich reinstopfen – und glauben, damit würde man ratzfatz sehr schlank. Außerdem ist man gezwungen, auf ausreichend Nährstoffe und genügend Vitamine zu achten. Etwa auf die Zufuhr von Vitamin B12. Vitamin B12 kommt fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vor: in Fisch, Fleisch und Milchprodukten. Fehlt dem Körper B12, drohen vielfältige und schwerwiegende neurologische und psychiatrische Symptome – vom Kribbeln in den Fingerspitzen bis hin zur Demenz.

Es gibt noch ein weiteres Synonym für ›Diät‹ und das ist die ›Intoleranz‹. Immer mehr Menschen sind mittlerweile sogenannte Ohne-Esser. Das heißt, sie ernähren sich gluten- und laktosefrei. Ohne auch nur den Hauch eines medizinischen Befundes zu haben. Und wie leicht kann man den Brotkorb ablehnen und den Teller Spaghetti ausschlagen, wenn man eine Unverträglichkeit vorschiebt. Eine perfekte Ausrede. Damit wir uns nicht missverstehen: Ich weiß, dass es einige Menschen gibt, die tatsächlich sehr auf ihre Nahrungsmittel achten müssen. Studien lassen allerdings keine Zweifel daran, dass 82 Prozent der Käufer laktosefreier Produkte Milchzucker sehr gut vertragen. Und höchstens ein Prozent der Deutschen leidet tatsächlich unter Glutenunverträglichkeit, obwohl neun Prozent sagen, dass sie das Getreideprotein Gluten teilweise oder ganz meiden. Ganz ähnlich sieht es bei der Histamin-Intoleranz aus. Das ist für alle echten Intoleranten verstörend und auch ein bisschen bekloppt, sich eine Unverträglichkeit zuzulegen, um die strenge Kontrolle der Ernährung zu rechtfertigen. Am Ende hat schließlich auch das eben mit Verzicht zu tun. Manchmal mit Verzicht auf Vernunft und immer mit Verzicht auf ziemlich viele leckere Sachen. Kurz: Wir sollten uns dringend von der Vorstellung verabschieden, dass man Gewicht verlieren kann, ohne zu verzichten. Nicht nur wegen all der Enttäuschungen, die damit einhergehen. Auch weil es wahnsinnig teuer ist, sich diesbezüglich immer wieder neue Illusionen machen zu lassen. Oder irrsinnig aufwendig. So wie der neueste Trend: Zuckerverzicht. Naive Menschen denken, na gut, da lasse ich Süßigkeiten weg – und fertig. Von wegen. Wer zuckerfrei leben will, wird sich ganz schön umschauen. Überall ist Zucker drin. In Brot, in Ketchup, in so gut wie allen industriell gefertigten Produkten. Zucker verbirgt sich hinter vielen Namen und tarnt sich gerne. In Müsli, in Getränken, selbst in kleinen Gewürzgürkchen. Zuckerfrei zu leben bedeutet auf Fertigprodukte verzichten. Wer ganz streng ist, muss auch Obst aus dem Speiseplan streichen. Auch hier also: Verzicht.

Sonntagsspaziergänge

Das ist doch keine Diät, sondern eine Ernährungsumstellung. Das propagieren Vertreter diverser asketischer Ernährungsweisen. Kein Zucker, keine tierischen Produkte, kaum Kohlenhydrate, kaum Fett. Aber alle diese Ernährungsumstellungen haben, da muss ich mich jetzt leider wiederholen, Verzicht im Programm. Man muss sich einschränken. Vielleicht heißt es anders, aber es fühlt sich – jedenfalls bei mir – genauso entbehrungsreich an. Natürlich ist Verzicht auch Geschmackssache. Manchen fällt es leicht, Kohlenhydrate aus dem Leben weitgehend zu verbannen. Manche können sehr gut ohne Fleisch leben. Trotzdem: Der Verzicht bleibt. Sicher gibt es Diäten, bei denen man einigermaßen satt wird. Natürlich kann auch ein großer Salat mit Lachs das zufriedenstellend erledigen. Aber zu wissen, es gibt ab sechs Uhr abends keine Kohlenhydrate mehr, ist eine Herausforderung. Nie begehrt man ein Stückchen Brot, einen winzigen Teller Pasta oder ein Kartöffelchen mehr als dann, wenn man es nicht essen darf. Verbote befeuern Begierden.

Nein, es gibt keine rasante Gewichtsabnahme ohne großen Aufwand. Außer man ist sehr krank. Und aller Voraussicht nach wird es auch in Zukunft keine Abkürzung zwischen mir und meiner Idealfigur geben. Das ist die schlechte UND die gute Nachricht. Denn es spart uns eine Menge Geld und Enttäuschungen, wenn wir uns klarmachen, dass Abnehmen kein Sonntagsspaziergang ist. Und die Formel immer dieselbe bleibt: Man muss weniger zu sich nehmen als man verbraucht. Sagen wir mal, Ihr Stoffwechsel braucht am Tag etwa 1800 Kalorien, um zu funktionieren. Wenn Sie jetzt nur 1000 Kalorien zu sich nehmen, sind Sie mit 800 in den Miesen. Machen Sie das zwei Wochen lang, dann kommen Sie auf 11.200 Minus-Kalorien. Um ein Kilo Fett zu verlieren, muss der Körper etwa 7000 Kalorien einsparen. Sie hätten also 1,6 Kilo verloren. Das klingt nicht nach wahnsinnig viel, und – obwohl Sie sich zwei Wochen diszipliniert haben – niemand wird auf der Straße stehen bleiben und Sie auf Ihren irrsinnigen Gewichtsverlust ansprechen. Das ist, das gebe ich gerne zu, ein wenig desillusionierend. Aber es entspricht leider den Tatsachen.

Und noch eine traurige Nachricht: Der Körper baut gerne mal Muskulatur ab, um an Energie zu kommen. Er braucht zum Funktionieren Energie, und er holt sie sich. Egal woher. Da ist der Körper nicht besonders wählerisch. Verständlicherweise. Schließlich ist Energie für den Körper lebensnotwendig. Dass Sie Ihre Muskeln benötigen, muss der Körper merken. Wenn man Muskulatur benutzt, sagt sich der Körper: »Upps, die kann ich ja gar nicht zur Energiegewinnung nehmen, die scheint sie zu brauchen«, und wird deshalb an andere Reserven gehen. Aus diesem Grund ist Sport nützlich, wenn man abnehmen will. Davon abgesehen, verbraucht man mit Bewegung mehr Kalorien und kann also auch mehr essen – oder nimmt schneller ab.

Stoffwechsel im Chill-Modus