Bo Katzman

DU BIST UNSTERBLICH

Warum wir leben und sterben,
leiden und lieben

Giger Verlag

1. Auflage 2015

© Giger Verlag GmbH, CH-8852 Altendorf

Tel. 0041 55 442 68 48

www.gigerverlag.ch

Lektorat: Monika Rohde, Leipzig

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie, Zürich,

Layout und Satz: Roland Poferl Print-Design, Köln

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

ISBN 978-3-905958-52-2

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Einleitung

Das Interview

Kommt da noch etwas?

Wohin verschwindet die Lebensenergie nach dem Tod?

Der Zweck des Lebenstheaters

Liebe, die strahlende Energie

Im Leben geht es um nichts anderes als darum, Liebe zu lernen

Jeder Lebensweg ist ein Weg zur Liebe hin, denn es gibt kein anderes Ziel

Gott: ein zorniger Rächer?

Der erste und größte Irrläufer ist, dieser unbekannten Größe »Gott« ein männliches Geschlecht anzuhängen

Gott ist Energie

Gottes Wille. Was will er denn?

Religionen: Brückenbauer oder Seelenfänger?

Das Angebot der monotheistischen Religionen

Liebe ist, was Liebe tut

Glaube und Wissenschaft: Ein unverträgliches Paar

Religion und Glaube

Die erstaunliche Geschichte des Weltveränderers aus Nazareth

Der Mann am Kreuz: Aufwiegler oder König?

Eine mögliche These zur Sündenerlösung

Paulus, der Promotion-Agent

Paulus’ Römerbrief

Die Bibel – eine von römischen Kaisern autorisierte Schriftensammlung – das unverfälschte Wort Gottes?

Ein paar Gedanken zu Abrahams grausamem Gott

Opfer: Das Geschäft mit der Gottheit

Jesu Sühneopfer

Der Vater der Sünde

Wie ist das zu verstehen?

Sünde: Wenn die Liebe fehlt

Die Strafe Gottes: Ein Widerspruch

Gott erfährt sich durch uns, sonst hätte er uns gar nicht zu erschaffen brauchen

Göttliche Strafe

Aktion = Reaktion

Ein Unterschied zwischen Strafe und Konsequenz

Das Böse dient dazu, das Gute zu schaffen

Das Missverständnis der Sünden-Erlösung

Auferstehung und ewiges Leben

Die Zehn An-Gebote

Zum Beispiel: Artikel 7

Verzeihen – nichts für Feiglinge

Glücklich machen macht glücklich

Die Mutter aller Fragen: Warum sind wir hier?

Adams Sündenfall

Botschaften aus dem Jenseits

Die Jenseitsbewohner

Adams Fiasko im Paradies

Wie es zur Erlösung kam

Christi Opfergang

Die geistige Welt als Allegorie des Lebens auf der Erde

Leben wir nur einmal?

Die beliebte Frage: Warum lässt Gott das zu?

Der Lebensplan

Warum wir krank werden

Unser Schicksal: Zufall oder Planung?

Unsterblichkeit: Utopie oder Realität?

Ich bedanke mich

Über den Autor

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Bibelstellen

Weitere Bücher

Einleitung

Liebe Leserin, lieber Leser,

bitte erlaube mir, dich mit dem vertraulichen »Du« anzusprechen. Allein dass du dieses Buch in deine Hände nimmst, macht dich zu einer vertrauten Person, die zu siezen mir schwerfallen würde.

Vielleicht ist es dir noch gar nicht bewusst, aber indem du beginnst, dieses Buch zu lesen, lässt du dich auf ein Abenteuer ein. Was du auf den folgenden Seiten vorfindest, ist möglicherweise ganz etwas anderes, als du erwartest.

Falls du zu den Menschen gehörst, die bisher weder die Zeit noch den Antrieb hatten, sich zu fragen, was wir Menschen eigentlich auf dieser Erde verloren haben und warum wir leben und sterben, leiden und lieben, dann könnten dir die folgenden Seiten ein paar überraschende Gedankenanstöße liefern.

Aber selbst wenn du der unerschütterlichen Überzeugung bist, genau zu wissen, worum es im Leben geht, weil du es anderswo schon erklärt bekommen hast, kann dir dieses Buch einige Inputs geben, die dich überraschen werden.

Hat unser Dasein einen Sinn, der über dieses Leben hinausgeht? Ist nach diesem Leben Schluss oder gibt es tatsächlich so etwas wie ein ewiges Leben in einer geistigen Dimension? Wird unser Bewusstsein vom Gehirn erzeugt oder existiert das Bewusstseinunabhängig von der Materie? Vielleicht bist du ja – genau wie ich – mit den von Geistlichkeit und Wissenschaft diktierten Erklärungen zu diesen Fragen auch nicht restlos glücklich und befriedigt.

Der kurze, aber intensive Aufenthalt in der geistigen Welt, in die ich als junger Mann unvermittelt geworfen wurde, hat mir eine Sicht der Dinge vermittelt, die sich zum Teil von den vorgefertigten irdischen Lehrmeinungen unterscheidet, die ich zuvor kennengelernt hatte.

Mein Wunsch mit diesem Buch ist es, dir aufgrund der Erkenntnisse, die ich aus der »anderen« Welt mitgebracht habe, und meiner weiteren Studien zu diesem Thema, zu den wesentlichen spirituellen Fragen der Menschheit neue Gedankenanstöße zu liefern, die zum Teil abseits des allgemein akzeptierten wissenschaftlichen und religiösen Mainstreams liegen. Im Zentrum dieser Reflektionen steht jene Religion, der die meisten von uns in irgendeiner Form nahestehen und die unser spirituelles Verständnis am meisten geprägt hat: Das Christentum und sein Urheber, der junge Jude Jesus aus Nazareth. Dabei wird sich herausstellen, dass wir einigen religiösen Irrtümern gutgläubig oder einfach unbedacht erlegen sind, deren Aufklärung mir ein ehrliches Anliegen ist.

Was du für die Lektüre dieses Buches also mitbringen solltest, ist die Lust am Hinterfragen von fest zementierten »Wahrheiten«, Unvoreingenommenheit und eine Portion Neugierde. Ich hoffe, mit diesem Buch Menschen zu erreichen, die die Kühnheit besitzen, auch einmal Gedanken und Antworten zu erwägen, die noch nicht kategorisch vorgedacht und nachgebetet wurden. Dabei sind diese Anregungen teilweise gar nicht so neu, sondern im Gegenteil so alt, dass sie in Vergessenheit oder durch den wandelnden Zeitgeist in Verruf geraten sind.

Es ist eine zeitraubende Beschäftigung, herausfinden zu wollen, aus welchem Grund wir existieren. Darüber haben sich schon zahllose Denker und Philosophen, Fromme und Zyniker, Gläubige und Atheisten die Köpfe zerbrochen und Bücher mit ihren Gedanken gefüllt, von denen ich zahlreiche gelesen habe. Daher habe ich mir vierzig Jahre Zeit genommen, ehe ich mich an die Aufgabe herangewagt habe, das Ergebnis meiner Nachforschungen und Einsichten zu formulieren und niederzuschreiben.

Damit du nachvollziehen kannst, warum ausgerechnet ein Musiker sich damit abmüht, dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen, und was ihn dazu antreibt, seine Lebenszeit in diese Sinnsuche zu investieren, möchte ich dich zuerst mit den Umständen bekannt machen, die mich auf diese intensive Suche geschickt haben.

Ich war gerade zwanzig Jahre alt geworden und ließ mich nach der Matura am Lehrerseminar zum Primarlehrer ausbilden, als es geschah: An einem strahlenden Frühlingsmorgen sattelte ich mein Stahlross, eine 250 ccm Yamaha Straßenmaschine, und fuhr – meinem ungestümen Naturell entsprechend – sorglos und unvorsichtig mit hoher Geschwindigkeit in eine unübersichtliche Kurve. Lustvoll legte ich das Motorrad in Seitenlage und gab Gas.

Sekunden später lag ich unter einem schweren amerikanischen Wagen, der in der Kurve in einer stehenden Kolonne stand. Ich war mit voller Wucht in sein Heck gerast und fand mich nun schwerverletzt unter diesem Wagen liegend. Mir war bewusst, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte. Bevor ich in eine erlösende Bewusstlosigkeit fiel, sah ich meinen Lebensfilmablaufen, der mir mein gesamtes bisheriges Leben noch einmal vorführte. Danach riss der Film und ich erwachte mitten in der Operation, während ein Chirurgenteam intensiv damit beschäftigt war, mich wieder zusammenzuflicken. Allerdings war dieses Erwachen ein besonderes: Mein Herz hatte aufgehört zu schlagen und ich stellte fest, dass ich mich nicht mehr in meinem Körper befand, sondern dass ich über dem aufgeschnittenen Körper, den ich zwanzig Jahre lang bewohnt hatte, an der Decke schwebte. Mir war schlagartig klar: Ich war tot.

Dieses buchstäblich phänomenale Ereignis und seine Folgen habe ich detaillierter in meinem Buch Zwei Minuten Ewigkeit geschildert. Für jene Leserschaft, die diese Vorgeschichte, auf der das vorliegende Buch aufbaut, nicht gelesen hat, möchte ich als Kurzfassung einen Zusammenschnitt von verschiedenen Interviews wiedergeben, die ich im Verlauf der Zeit diversen Personen gegeben habe.

Das Interview

Wie würden Sie Ihre Lebenssituation vor dem Nahtoderlebnis beschreiben?

Ich hatte soeben die Matura am Gymnasium abgeschlossen, ein Studium im Lehrerseminar begonnen und war bereit für Neues. Viele Gedanken um die Zukunft machte ich mir eigentlich nicht. Vielmehr nahm ich die Dinge, wie sie gerade kamen, und lebte frisch und fröhlich in den Tag hinein.

Mein Elternhaus war sehr religiös geprägt, doch davon hatte ich mich entfremdet. Ich konnte einfach nicht glauben, dass Dinge wie Himmel und Hölle wirklich existieren sollten. Wohl gerade deswegen war ich aber eine suchende Person und versuchte schon von Kindheit an, Antworten auf die Fragen nach dem Sinn des Lebens zu finden.

Wie alt waren Sie, als es zum Nahtoderlebnis kam?

Da war ich zwanzig Jahre alt.

Was verursachte das Nahtoderlebnis?

Ich hatte einen schweren Motorradunfall. Durch die Kollision mit einem Auto erlitt ich mehrere Knochenbrüche, innere Organe wie Leber und Milz wurden zerquetscht und eine Rippe durchstach meine Lunge. Als Folge dieser Verletzungen verlor ich innerlich extrem viel Blut und fiel noch am Unfallort in Bewusstlosigkeit. Glücklicherweise wurde ich blitzartig ins nächste Spital transportiert und sogleich operiert.

Was war der letzte Gedanke, den Sie hatten, bevor Sie bewusstlos wurden?

Als ich unter dem Auto lag und keinen Atem mehr bekam, wusste ich, dass meine letzte Stunde geschlagen hatte.

Zuerst überwältigte mich ein großes Aufbegehren und verschiedenste Gedanken wirbelten durch meinen Kopf: »Wieso ich? Wieso jetzt? Ich habe doch noch mein ganzes Leben vor mir.« Ich empfand eine große Wut gegen das Schicksal. Ich wollte nicht sterben.

Wie fühlte sich das Ganze an? Hatten Sie Angst?

Zuerst stieg ein panisches Entsetzen in mir hoch, doch dann kam eine beglückende Ruhe über mich und das Gefühl, dass alles gut sei.

Könnten Sie eine genaue Schilderung des Erlebten geben?

Nachdem ich die Ausweglosigkeit meiner Situation erkannt und mich in mein Schicksal ergeben hatte, blieb plötzlich die Zeit stehen und eine Rückblende begann einzusetzen. Ich durchlebte noch einmal mein ganzes bisheriges Leben, war aber gleichzeitig Beobachter. Dabei nahm ich eine Art Wesen neben mir wahr, das ich zwar nicht sehen konnte, dessen liebevolle Ausstrahlung ich aber ganz klar spürte. Nach dem Ablaufen des »Lebensfilms« fragte es mich telepathisch, wie ich mein vergangenes Leben beurteilen würde. Ich stellte fest, dass ich meine Möglichkeiten nicht wirklich ausgeschöpft hatte. Ich war bisher zu sehr an der Oberfläche geschwommen und hatte mich zu wenigum die tieferen Belange des Lebens gekümmert. Nach dieser Erkenntnis wurde wieder alles völlig schwarz um mich herum.

Was passierte dann während der Operation?

Im Spital war ich unter Vollnarkose gesetzt worden, jedoch erwachte ich unvermittelt und befand mich bei hellstem Bewusstsein, das intensiver war als alles, was ich bis dahin erlebt hatte. Ich realisierte, dass ich mich nicht mehr in meinem Körper befand, ich sah ihn von oben auf dem Behandlungstisch liegen. Offensichtlich befand »ich« mich an der Decke des Raumes und konnte so die Szene überblicken, als plötzlich eine große Hektik aufkam. Ich hörte, wie der Chirurg rief: »Jetzt hat es ihm die Pumpe abgestellt! Bringen Sie sofort den Elektroschock-Apparat!« Mein Herz hatte also aufgehört zu schlagen, und mir wurde klar, warum ich mich nicht mehr im Körper befand: Ich war tot.

In diesem Moment war es mir möglich, alle Gedanken der Personen im Raum wie ein lautes Gespräch wahrzunehmen.

Ich schwebte von meiner Position an der Decke nach unten und versuchte, den behandelnden Chirurgen am Arm zu packen, um ihm zu sagen, dass ich tot sei und es keinen Zweck habe, mich retten zu wollen. Ich konnte ihn jedoch nicht fassen. Mein Arm glitt einfach durch ihn hindurch, und ich erkannte, dass ich gar keinen Arm mehr hatte, ja, dass ich überhaupt keinen Körper mehr hatte, sondern ein Geistwesen geworden war.

Wie würden Sie ihr äußeres Erscheinungsbild in dem Moment beschreiben?

Ich hatte zwar nach wie vor das Gefühl eines Körpers, aber das war nur die Erinnerung an meinen Körper und die Gewohnheit, die mich wie ein körperliches Wesen agieren ließen.

In Wirklichkeit bestand ich nur noch aus Bewusstsein und Gedanken und war somit ein rein geistiges Wesen, konnte meine Umwelt jedoch ganz klar wahrnehmen.

Wie ging es dann weiter?

Dann wurde ich plötzlich mit sanfter Kraft weggezogen und in eine mir unbekannte Dimension versetzt. Dort war ich umgeben von einer Sphäre, die ich als einen »Nebel des Allwissens« beschreiben möchte. Ich vereinigte mich mit diesem Allwissen, wie sich ein Wassertropfen mit dem Meer vereinigt, und wurde ein Teil von ihm. Mein gewohnt kleiner Verstand erweiterte sich schlagartig um ein Gigafaches seines bisherigen Inhalts. Mir wurde blitzartig klar, warum, wie und wann das Universum entstanden war und ich wusste, wann es untergehen würde. Ich wusste alle Antworten auf alle Fragen, die je gestellt werden konnten. Sie waren einfach da!

Sind Sie auch dem viel beschriebenen Licht begegnet?

Ja, als ich mich einigermaßen an die neue Situation gewöhnt hatte, begann am Horizont ein zartes Licht zu schimmern. Es war zwar nur ganz schwach wahrzunehmen, aber ich realisierte sofort, dass dies kein Licht im üblichen Sinn war, sondern eine Energie, die so starke Liebe ausstrahlte, dass sie nur leuchten konnte. Ich fühlte mich in deren Ausstrahlung völlig akzeptiert und geborgen. Diese intelligente Energie sprach zu mir, aber ohne Worte zu gebrauchen, und ich vernahm ihre Botschaft auf dieselbe Weise, wie ich das Wesen am Unfallort verstanden hatte. In menschliche Sprache übersetzt waren ihre Gedanken ungefähr so:

»Du hast nichts zu befürchten. Es gibt nichts, das du falsch machen kannst. Du bist zutiefst und für immer geliebt.« Diese Mitteilung rief in mir eine gewaltige Welle der Erleichterung hervor.

Allerdings konnte ich die Intensität dieser Liebesenergie kaum verkraften, da meine Kapazität, sie aufzunehmen, viel zu gering war. In diesem Moment verstand ich, worum es im Leben geht: Die eigene Liebesenergie so zu steigern, dass man mit dieser liebevollen Lichtenergie verschmelzen kann. Jeder muss durch seine Erfahrungen im Erdenleben die eigene Liebesfähigkeit, also sein Liebesgefäß, erweitern. Das gelingt, indem man sich darauf konzentriert, während seiner Lebenszeit anderen Menschen liebevoll zu begegnen und im Umgang mit allem, was uns begegnet, dem Liebesprinzip zu folgen. Nur dann wird es möglich sein, irgendwann diese schrankenlose Liebesenergie in der geistigen Welt zu fassen.

Hatten Sie nicht den Wunsch, dort zu bleiben?

Eine innere Stimme gab mir zu verstehen: »Jetzt hast du es gesehen. Jetzt gehst du wieder zurück, du hast noch Aufgaben zu erledigen.« Dann, auf einen Schlag, war alles vorbei. Man hatte unterdessen mein Herz wieder zum Pumpen gebracht und »ich« fuhr wieder in meinen bewusstlosen Körper. Erst auf der Intensivstation kam ich wieder zu mir. Ich hing an vielen Schläuchen und Maschinen, die mich künstlich am Leben hielten. Aus eigener Kraft war ich nicht mehr lebensfähig.

Konnten Sie sich gleich nach dem Aufwachen an alles erinnern oder kamen die Erinnerungen stückchenweise zurück?

Meine Erinnerung an das Erlebte kam nur langsam und behutsam wieder. Während meiner ersten drei Wochen auf der Intensivstationhatte ich vor allem mit den körperlichen Schmerzen zu kämpfen und war gar nicht richtig fähig, mich mit dem Geschehenen zu befassen.

Die Ärzte glaubten nicht, dass ich überleben würde. Um mir das Leiden zu ersparen, wurde ich mit starken Drogen versorgt, die meine kognitiven Fähigkeiten einschränkten.

Glaubten Sie jemals, sich getäuscht zu haben, und alles wäre bloße Einbildung gewesen?

Nein, das Jenseitserlebnis war dermaßen real, dass ich im Vergleich dazu viel eher jetzt das Gefühl habe, in einer Traum- oder Scheinwelt zu leben.

Lässt sich ein Nahtoderlebnis mit einem Traum vergleichen?

Es lässt sich mit gar nichts vergleichen. In meinen wilden Jugendjahren hatte ich mit Drogen experimentiert, aber selbst da erlebte ich nicht ansatzweise ein solches überirdisches Bewusstsein, wie man es bei einem Nahtoderlebnis hat.

Gibt es noch irgendwelche Reste des absoluten Wissens, das Sie erhalten haben?

Nein, das Einzige, was ich klar und deutlich weiß, ist, dass ich daran teilhatte. Ich wusste, wann und wozu die Welt erschaffen worden war, und sah gleichzeitig die ganze Vergangenheit und Zukunft. Aber genauso, wie sich nach dem Erwachen die Erinnerung an einen Traum verflüchtigt, verblasste auch meine Erinnerung an das Gewusste. Zudem hätte diese unendliche Fülle von Informationen gar nicht in einem kleinen Hirn Platz. Ich habe sogar den Eindruck, dass das Gehirn eine Barriere bildet für unser höheres Wissen, unsere höheren Erfahrungen.

Wie hat das Nahtoderlebnis Sie persönlich verändert?

Die Veränderungen stellten sich nicht sofort ein. Im Laufe der Zeit jedoch hat mein Charakter tatsächlich begonnen, sich zu ändern. Ich wurde feinfühliger gegenüber geistigen Ebenen. Es fällt mir heute leichter, mich in einen meditativen Zustand der Andacht und des Gebets zu versetzen. Außerdem versuche ich seither nach Kräften, mich an den Vorsatz zu halten: »Wie man selbst gern behandelt werden möchte, so behandle andere.« Ich habe gemerkt: Glücklich machen macht glücklich.

Haben Sie auch schon mit anderen Betroffenen über das Erlebte gesprochen?

Ja. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die eine solche Nahtoderfahrung gemacht haben. Es sind mehr, als man denkt. In deren Schilderungen gab es große Ähnlichkeiten, jedoch auch Unterschiede. Es gibt NTE-Fälle, die sahen andere verstorbene Menschen, betraten neue Welten oder gelangten in ein Paradies. Wobei ich glaube, dass man als das kreative Wesen, das jeder Mensch ist, seine Welt dort drüben weitgehend selbst erschaffen oder gestalten kann. Man hat ja fast unbeschränkte schöpferische Fähigkeiten. In den höheren Welten muss man nur an etwas denken oder es kennen, und schon nimmt es Gestalt an.

Welchen Stellenwert hat das Nahtoderlebnis heute in Ihrem Leben?

Ich denke jeden Tag daran. Es ist das einzige Ereignis in meinem Leben, das ich mir jederzeit voll vergegenwärtigen kann.

Verarbeiten Sie das Erlebte auch mit Ihrer Musik?

In einem gewissen Sinn ja. Nachdem ich fühlte, dass die Inhalte der Rockmusik nicht mehr genügend für mich hergaben, suchte ich nach einem neuen musikalischen Feld, mit dem ich inhaltlich mehr in die Tiefe gehen konnte und das meiner Erfahrungswelt besser entspricht. Dadurch fand ich über die von Sklaven gesungenen Worksongs und sogenannten Negro Spirituals zur Gospelmusik. Untersucht man die Themen dieser Lieder etwas genauer, so erkennt man sehr ehrliche und persönliche Statements zum Leben, die nicht nur »kirchenreligiös« gefärbt sind.

Wie hat das Erlebte ihre religiöse Sichtweise verändert?

Ich denke, dass die Religionen die wichtige Aufgabe haben, die Brücke zwischen dem Irdischen und dem Spirituellen zu bauen. Jedoch transportieren sie ihre Botschaft aus meiner Sicht ein wenig missverständlich. Ich höre immer »Gott will« oder »Gott befiehlt«. Was ich von meinem Blick in die jenseitige Welt mitgenommen habe, ist die Gewissheit: Gott will und befiehlt nichts. Der Wille Gottes ist, dass Liebe praktiziert wird. Ich bete nicht mehr gedankenlos die Sprüche nach, die man mir als Kind beigebracht hat, sondern ich habe entdeckt, dass das Beten eine viel tiefere Bedeutung hat. Beten ist nichts anderes als die Bemühung, sich geistig mit den Schwingungen der Liebe in Einklang zu bringen.

Nachdem Sie verschiedenste Theorien gelesen haben, wie stehen Sie zu den wissenschaftlichen Erklärungsversuchen des Lebenssinns?

Die Wissenschaft befasst sich ausschließlich mit Materie und versucht, diese zu messen und ihre Vorgänge zu erklären. Das Problem liegt darin, dass der Zustand, den ich erlebt habe, nichts mit Materie zu tun hat, und darum auch wissenschaftlich nicht messbar und erklärbar ist. Es ist eine völlig andere Disziplin. Der Wissenschaft ist es in den letzten Jahrhunderten nicht gelungen, einen Beweis für oder gegen eine Weiterexistenz nach dem Tod zu finden. Aber ihre kommende Aufgabe wird es sein, dass sie auch Zusammenhänge und Wirkungsbereiche anerkennen lernen und erforschen muss, die über das Materielle hinausgehen. Erste Ansätze versucht ja bereits die Quantenphysik.

Glauben Sie, dass ein Kontakt zwischen dieser Welt und dem Jenseits existiert?

Wenn wir denken, erfinden oder sonst irgendwie kreativ tätig sind, machen wir eigentlich nichts anderes, als das unendliche geistige »Wissensmeer« anzuzapfen, in dem sämtliche Ideen bereits gedacht sind: Wir zupfen uns eine Variante heraus, die wir dann umsetzen. Da unser Geist nicht materiell ist, kann er mit der geistigen Welt jederzeit korrespondieren. C. G. Jung nannte einen Teil dieses Bereichs das »Kollektive Unbewusste«, und er vertrat die Überzeugung, dass die Wirklichkeit im immateriellen Bereich angesiedelt ist. »Wirklich ist, was wirkt«, meinte er. Was wir sehen und messen können, sind lediglich die materiellen Auswirkungen von unsichtbaren geistigen Kräften, die diese Vorgänge in Gang setzen. Also nicht die Materie erzeugt den Geist, sondern der Geist be-wirkt die Materie.

Denken Sie, das Jenseits, das Sie gesehen haben, ist unsere letzte »Station« oder auch nur eine Art Übergangswelt?

Ich habe die Erkenntnis gewonnen, dass wir viele, viele Stationendurchwandern müssen, bis wir am Ziel angekommen sind. Das Ziel ist die Erreichung eines hundertprozentig liebevollen Geistes- und Gemütszustandes. Wenn wir davon ausgehen, dass wir geistige Wesen sind, die eine kurze Weile in einem materiellen Körper verbringen, und akzeptieren können, dass »Geist« im Gegensatz zu Materie unvergänglich und unzerstörbar ist, dann ist auch unsere Existenz unvergänglich und ewig. In Wirklichkeit sind wir geistige Wesen, die für kurze Zeit »Fleisch geworden« sind. Genau wie mein jetziges Leben, entsprach auch jener Zustand nur einer von vielen möglichen Dimensionen, in denen wir existieren können.

Was glauben Sie, trifft eher zu: das Leben ist vorbestimmt oder wir lenken es aus eigener Kraft?

Ich denke, dass alles, was je passiert ist oder je passieren wird, bereits in einer geistigen Ebene vorausgedacht ist und als theoretisches Modell existiert. Es gibt unzählige vorgefertigte Varianten, wie unser Leben verlaufen könnte, und eine davon wählen wir aus. Mit jeder Tat und jedem Gedanken fällen wir eine Entscheidung, wie es weitergeht, und stellen jede Sekunde die Weichen für unseren weiteren Lebensweg. Alle diese Möglichkeiten sind aber bereits in der Ewigkeit gespeichert, auch jene, die wir nicht wählen. Das ist vergleichbar mit einem Gefäß voller Lose bei einer Tombola. Darin befinden sich vielleicht tausend Lose, aber wir greifen uns nur eines heraus. Die anderen sind zwar vorhanden, aber wir benutzen sie nicht.

Betrachten Sie das Erlebte als eine positive oder negative Erfahrung?

Ich sehe das Nahtoderlebnis als ein großes Geschenk an. Für nichts bin ich dankbarer als für diese Erfahrung, auch wenn sie mit großen Leiden verbunden war. Es hat mir geholfen, in diesem Leben die Orientierung zu finden.

Gibt es etwas, das man über das Thema der Ewigkeit wissen sollte?

Die meisten Menschen stellen sich unter »Ewigkeit« eine unendlich lange Zeit vor und setzen Ewigkeit mit Endlosigkeit oder Unendlichkeit gleich. Das sind aber alles Zeitbegriffe, die davon ausgehen, dass es eine Zeit gibt, die aber nie aufhört. Die Ewigkeit ist jedoch das Gegenteil von Zeit, sie ist die Abwesenheit von Zeit. Sie ist ein Zustand, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig vorhanden sind. Sie ist der Zustand der geistigen Welt.

Haben Sie Angst vor dem Sterben?

Vor dem Tod habe ich keine Angst, im Gegenteil. Seit ich weiß, dass der Tod das Beste ist, was einem im Leben passieren kann, habe ich nichts zu befürchten. Nach wie vor Respekt habe ich aber vor dem Übergang. Damit meine ich den körperlichen Zerfallsprozess, den man unter Umständen durchmachen muss.

Doch was einen danach erwartet, ist das Schönste und Befreiendste, das man sich vorstellen kann. Man kann also voller Vertrauen aus diesem Leben gehen. »Das Leben« ist nicht an diesen Körper gebunden, sondern ein Phänomen, das immateriell ist, sich aber durchaus auch materiell manifestieren kann. Nur die Materie kann vergehen. Geist kann niemals enden, und daher auch »das Leben« nicht, weil es geistig ist. Das irdische Leben, das wir jetzt gerade führen, ist bloß eine Art Zwischenstation in der Unendlichkeit des Prinzips »Leben«. Unsere Essenz aber – also unsere Seele und unser Geist – ist unsterblich.

Kommt da noch etwas?

An meiner Jenseitserfahrung hatte ich lange Zeit zu knacken. Es dauerte Jahrzehnte, bis ich sie einigermaßen verarbeitet hatte. Man muss sich vorstellen: Da wird ein kerngesunder junger Mensch von einer Sekunde zur anderen aus dem Leben gerissen und findet sich unvermittelt und unvorbereitet in einer Umwelt, die nicht das Geringste mit dem zu tun hat, was er bisher kannte. Er erfährt, dass er nicht mehr in seinem Körper ist, er weiß, dass er »tot« ist. Trotzdem ist er bei klarem Bewusstsein und kann seine Umgebung und die Gedanken der anwesenden Personen deutlich wahrnehmen. Das bedeutet doch zweifelsfrei, dass er »lebt«.

Die ersten paar Jahre nach meiner Genesung wagte ich außer meinem Arzt niemand von meinem mysteriösen Erlebnis zu erzählen. Ich fürchtete, man würde mich nicht ernst nehmen oder diese für mich so kostbare Erfahrung als Hirngespinst abtun.

Als ich einige Zeit nach dem Spitalaufenthalt bei einer medizinischen Kontrolle bei meinem Chirurgen die Rede auf meine Operation brachte und fragte, ob er sich an einen Zwischenfall erinnern könne, blickte der Arzt mich interessiert an und fragte: »Warum fragen Sie?«

Ich berichtete ihm von meiner Wahrnehmung und wie ich meinen Todeszustand bewusst erlebt hatte. Er hörte mir aufmerksam zu und meinte dann: »Ja, das ist richtig. Während der Operation hat plötzlich Ihr Herz aufgehört zu schlagen und wir mussten Sie mit einem Elektroschock-Apparat wieder zurückholen.«

Als ich ihm darauf seine Worte wiederholte, die er in jenem Moment gerufen hat, nickte er mit dem Kopf und sagte: »Nun, das stimmt zwar genau, aber das können Sie aus zweierlei Hinsicht gar nicht gehört haben: Erstens waren Sie in einer tiefen Vollnarkose und daher absolut unfähig, irgendetwas wahrzunehmen, und zweitens waren während der Zeit Ihres Herzstillstandes auch Ihre Sinnesorgane ausgeschaltet. Trotzdem, Sie sind nicht der Erste, der mir von so einer außerkörperlichen Wahrnehmung erzählt. Auch als Wissenschaftler müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass nach dem Tod etwas passiert, für das wir keine Erklärung haben.«

Es vergingen dann acht Jahre, bis ich konkret mit meiner Erinnerung konfrontiert wurde. Ein Spitalpfarrer fragte mich an, der von meiner Todeserfahrung gehört hatte. Er betreute junge und ältere Menschen, die wegen einer Krebserkrankung nicht mehr lange zu leben hatten und angesichts des nahen Todes von Ungewissheit oder sogar Furcht geplagt wurden. Der Pfarrer bat mich, in einer intimen Gesprächsrunde diesen Menschen von meiner Erfahrung zu erzählen. Vielleicht würde das dem einen oder anderen Patienten Hoffnung geben oder zumindest die Angst vor dem Ungewissen lindern. Mit gemischten Gefühlen und nach einigem Zögern sagte ich zu.

Der Geistliche empfing mich sehr herzlich und führte mich in den Raum, in dem bereits die todgeweihten Menschen Platz genommenhatten. Es war ein Anblick, der mir sehr zu Herzen ging. Die circa zwölf Personen saßen fast alle in Rollstühlen, waren kahlköpfig und abgemagert und sahen mich mit kummervollen Blicken an. Es waren erstaunlich viele junge Leute dabei, sogar Jugendliche, und das zu sehen und das Leid und die Verzweiflung zu spüren, war emotional sehr ergreifend.

Nach ein paar einleitenden Worten des Spitalseelsorgers begann ich zum ersten Mal in meinem Leben über meinen Unfall zu sprechen, über den »Lebensfilm«, die Ewigkeit und das »Licht« und alles, was ich in jenen Momenten erlebt, gefühlt und wahrgenommen hatte.

Ich schloss meinen Bericht mit den Worten:

Ihr müsst keine Angst haben vor dem Übergang in die andere Welt. Ihr alle werdet willkommen sein und unendliche Liebe erfahren. Ich kann euch aus Erfahrung sagen: Der Tod ist das Beste, was euch im Leben passieren kann.

Dann stand ich auf und drückte allen die Hand. Wir alle wussten, es war ein Abschied, und ich sah in den Augen der kranken Menschen Tränen der Dankbarkeit glitzern. Einer von ihnen sagte: »Bo, dich hat der Himmel geschickt. Jetzt bin ich endlich ruhig und kann ohne Angst gehen. Danke.« Dann weinten wir alle, aber es waren Tränen der Erlösung und der Freude.

Von diesem Moment an wurde mir bewusst, dass ich diese Geschichte nicht länger für mich behalten sollte und sie getrost mit Menschen teilen durfte, die an diesem Thema interessiert waren. Darum habe ich seither unzählige Gespräche mit Ärzten und Therapeuten, Seelsorgern und Geistlichen, Kranken und Sterbenden oder einfach interessierten Menschen geführt, habe Zeitungen Interviews gegeben, aber auch Studierenden oder Maturandinnen, die Arbeiten über dieses Nahtod-Phänomen schrieben. Ich wurde eingeladen, um in Spitälern, Altersheimen und religiösen oder wissenschaftlichen Kreisen Vorträge zu halten und habe das wachsende Interesse wahrgenommen, das sich in den heutigen technisierten Menschen zu dem Tabuthema Tod und zu spirituellen Themen im Allgemeinen regt.

In mir wuchs gleichzeitig das große Bedürfnis herauszufinden, wie diese außerkörperliche Wahrnehmung möglich war, und welcher Teil von mir das alles eigentlich wahrgenommen hat. Mein Körper konnte es nicht gewesen sein, denn der war ja in jenen Minuten »leblos« und außer Funktion gesetzt. Ich habe mir von medizinischer Seite sagen lassen, dass bereits zehn Sekunden nach dem Herztod die Wahrnehmungssinne, also das Sehen, das Hören, das Fühlen etc., nicht mehr funktionieren und auf null herunterfahren. Gibt es also so etwas wie eine Seele, die den Körper belebt und in die alle Informationen, die eine Person während eines Menschenlebens erfährt, eingespeist werden? Ist diese Seele das eigentliche Bewusstsein eines Individuums, in der alle Erinnerungen gespeichert sind und die weiter existiert, auch wenn der Körper »seinen Geist aufgibt«?

Oder stimmt die Ansicht der Materialisten, die annehmen, dass nach dem Absterben des Körpers auch jene Energie, die ihn mit Leben erfüllte, inklusive Bewusstsein, einfach verschwindet?

Wohin verschwindet die Lebensenergie nach dem Tod?