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Pädagogische Praktiken

 

Herausgegeben von

 

Birte Egloff

Werner Helsper

Jochen Kade

Christian Lüders

Frank-Olaf Radtke

Werner Thole

Timm C. Feld

Wolfgang Seitter

Organisieren

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-022470-4

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-033281-2

epub:   ISBN 978-3-17-033282-9

mobi:   ISBN 978-3-17-033283-6

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Vorwort der Herausgeber

 

Das Spektrum pädagogischer Felder hat sich in den letzten Jahren erheblich ausdifferenziert. Es reicht von der Familie über den Kindergarten und die Schule bis zur Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung, betrieblichen Weiterbildung und Altenbildung und umfasst inzwischen auch den eher informellen Bereich von Lehr- und Lernprozessen in den Massenmedien und im Internet. So vielfältig wie die Arbeitsfelder sind die pädagogischen Praktiken. Trotzdem lassen sich diese auf eine begrenzte Zahl von Grundformen pädagogischen Handelns zurückführen (die so etwas wie die operative pädagogische Matrix bilden).

Die Reihe »Pädagogische Praktiken« hat dieses Spektrum pädagogischer Handlungsformen zum Gegenstand. Die einzelnen Bände informieren vor dem Hintergrund des relevanten erziehungswissenschaftlichen Wissens jeweils kompetent über eine dieser grundlegenden pädagogischen Praktiken und liefern dazu das institutionell und professionell differenzierte Erfahrungs- und Hintergrundwissen, das in der pädagogischen Praxis zum Einsatz kommt. Die kompakten Einführungsbände sind so geschrieben, dass sie Studierenden eine Erweiterung und theoretische Fundierung ihres Erfahrungshorizontes ermöglichen. Die Reihe wendet sich gleichzeitig auch an Praktiker, die hier zur Reflexion, Differenzierung und Erweiterung ihres Handlungsrepertoires angeleitet werden.

 

Die Herausgeber

Dr. Birte Egloff (Universität Frankfurt)

Prof. Dr. Werner Helsper (Universität Halle-Wittenberg)

Prof. Dr. Jochen Kade (Universität Frankfurt)

Dr. Christian Lüders (Deutsches Jugendinstitut, München)

Prof. Dr. Frank-Olaf Radtke (Universität Frankfurt)

Prof. Dr. Werner Thole (Universität Kassel)

Inhalt

  1. Einleitung
  2. 1 Fallbeispiel
  3. 1.1 Darstellung des Fallbeispiels: Eine Woche im Arbeitsleben einer Fachbereichsleitung
  4. 1.2 Analyse des Fallbeispiels
  5. 1.2.1 Organisieren als Handlungssteuerung auf unterschiedlichen Ebenen
  6. 1.2.2 Relevanz von autonomer Selbstorganisation
  7. 1.2.3 Intention(en) und Wirkung(en) des Organisierens
  8. 1.2.4 Beeinflussende Rahmenbedingungen
  9. 1.2.5 Organisation von Raum, Zeit, Person und Inhalt als invisible Tätigkeit
  10. 1.3 Resümee
  11. 2 Organisieren als pädagogische Praktik
  12. 2.1 Interdisziplinäre Annäherung
  13. 2.2 Pädagogische Begriffsbestimmung
  14. 2.2.1 Abspaltung, Invisibilisierung, Delegation, Generalisierung
  15. 2.2.2 Organisieren als ubiquitäre Dimension pädagogischen Handelns
  16. 2.2.3 Pädagogische Modi des Organisierens – pädagogische Spezifizierung des Begriffs
  17. 2.3 Ebenen, Dimensionen, Formen und Technologien des Organisierens
  18. 2.4 Zum Verhältnis von »Organisation« und »Pädagogik«
  19. 3 Organisieren in unterschiedlichen pädagogischen Handlungsfeldern
  20. 3.1 Sozialpädagogik: Gemeinwesenarbeit (System)
  21. 3.1.1 Thematisierungsvarianten von Gemeinwesenarbeit
  22. 3.1.2 Gemeinwesenarbeit unter der Perspektive des Organisierens
  23. 3.1.3 Fazit: Was ist das Pädagogische am Organisieren der Gemeinwesenarbeit?
  24. 3.2 Erwachsenenbildung: Programmplanung (Organisation)
  25. 3.2.1 Thematisierungsvarianten von Programmplanung in der Erwachsenenbildung
  26. 3.2.2 Programmplanung unter der Perspektive des Organisierens
  27. 3.2.3 Fazit: Was ist das Pädagogische am Organisieren der Programmplanung?
  28. 3.3 Schule: Klassenmanagement (Interaktion)
  29. 3.3.1 Thematisierungsvarianten von Klassenmanagement
  30. 3.3.2 Klassenmanagement unter der Perspektive des Organisierens
  31. 3.3.3 Fazit: Was ist das Pädagogische am Organisieren des Klassenmanagements?
  32. 3.4 Hochschule: Selbststudium (Individuum)
  33. 3.4.1 Thematisierungsvarianten des Selbststudiums
  34. 3.4.2 Selbststudium unter der Perspektive des Organisierens
  35. 3.4.3 Fazit: Was ist das Pädagogische am Organisieren des Selbststudiums?
  36. 4 Zusammenfassung und Ausblick
  37. Literaturverzeichnis

 

Einleitung

 

Organisieren ist im menschlichen Handeln allgegenwärtig. Überall dort, wo Menschen in mehr oder weniger komplexen arbeitsteiligen Prozessen involviert sind, geht es – auch – um das Organisieren. Ohne organisierte Handlungsabläufe wäre eine Gesellschaft, wie wir sie gegenwärtig erleben, nicht vorstellbar. In pädagogischen Handlungsfeldern ist das Organisieren ebenfalls omnipräsent. Einerseits betrifft dies so augenfällige Phänomene wie das Organisieren einer Klassenfahrt in der Schule, das Organisieren der Abholung eines Schlüssels für den Seminarraum beim Hausmeister oder das Organisieren eines Festes zum Abschluss des Semesters. Andererseits sind jenseits dieses offensichtlich-alltagsorientierten Verständnisses von Organisieren viele weitere Facetten pädagogischen Handelns mit Elementen des Organisierens verwoben, auch wenn sich dies erst in einer zweiten Perspektive erschließt.

Pointiert formuliert ist Organisieren eine Dimension, die als grundlegende Operation der Zerlegung und Koordinierung von Arbeitsschritten in allen komplexeren Vollzügen menschlichen – und somit auch pädagogischen – Tuns aufscheint. Im Vorgriff auf eine weitere und ausführlichere Begriffsklärung kann Organisieren insofern als ein Metahandeln bestimmt werden, das in der arbeitsteiligen Aufgliederung und Zusammenführung von Einzelhandlungen erst die Voraussetzung für die Erstellung komplexer Arbeitsvollzüge ermöglicht. Oder anders formuliert: Erst das Organisieren ermöglicht es, Dinge, Menschen oder Handlungen zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, für den richtigen Zweck zur Verfügung zu haben. Hier besteht Organisieren als Gegenteil von Improvisieren, also der Herausforderung, trotz der Nichtverfügung über bestimmte Ressourcen (Zeit, Raum, Material, Personen usw.) etwas Sinnvolles oder Zielgerichtetes zu tun.

In der Pädagogik ist der Diskurs über das Organisieren bisher wenig ausgeprägt. Organisieren galt lange Zeit als das dem eigentlich Pädagogischen Fremde, es wurde – und wird immer noch – mit Verwaltung, Bürokratie, Hierarchie identifiziert und dem Pädagogischen antagonistisch gegenübergestellt. Dort, wo Organisieren in der pädagogischen Literatur Erwähnung findet, wird es häufig mit einheimischeren Begriffen wie Planen, Leiten, Dokumentieren etc. amalgamiert. Eine explizite Reflexion darüber, ob und in welcher Weise das Organisieren als ein pädagogischer Begriff gefasst werden und trotz seiner Allgegenwärtigkeit auch eine pädagogische Fokussierung erhalten kann, gibt es in der erziehungswissenschaftlichen Literatur bislang nicht.

In der vorliegenden Publikation soll ein erster Versuch unternommen werden, diese Lücke zu füllen und das Organisieren als eine basale Operation des Pädagogischen zu rekonstruieren. In diesem Zuge wird auch zu klären sein, ob und in welcher Weise das Organisieren in einer pädagogischen Modalität spezifiziert werden kann. Im Einzelnen gehen wir so vor, dass wir zunächst ein Fallbeispiel präsentieren, mit dem wir einen ersten praxisorientierten Zugriff auf die vielfältigen Interpretations- und Umsetzungsformen des Organisierens ermöglichen wollen (image Kap. 1). Danach folgt eine systematische Aufarbeitung und begriffliche Klärung des Organisierens, indem zentrale Befunde im Diskurs unterschiedlicher Fachdisziplinen präsentiert, pädagogische Spezifizierungen des Begriffs erarbeitet sowie Ebenen, Dimensionen, Formen und Technologien des Organisierens unterschieden werden (image Kap. 2). Im zentralen Kapitel 3 wird die Praxis des Organisierens an vier pädagogischen Handlungsfeldern (Gemeinwesenarbeit, Programmplanung, Klassenmanagement, Selbststudium) konkretisiert, die ihrerseits schwerpunktmäßig auf je einer bestimmten didaktischen Handlungsebene (System, Organisation, Interaktion, Individuum) verortet sind (image Kap. 3). Ein abschließendes Kapitel fasst die Ergebnisse resümierend zusammen (image Kap. 4).

Die Arbeit an diesem Buch hat uns etliche Jahre begleitet. Viele Vorarbeiten waren notwendig, bis wir zur Konkretion einer Gliederung und zur Schreibarbeit im engeren Sinne kommen konnten. Ohne kompetente Hilfe wäre es nicht möglich gewesen, die umfangreichen Recherchen durchzuführen, die Grundlage dieses Buches wurden. Unser Dank gilt daher Ramin Siegmund und vor allem Melanie Südekum, die uns mit ihren Recherchen, fokussierten Verdichtungen und als Gesprächspartnerin über die Jahre hinweg kontinuierlich zur Seite gestanden hat.

 

 

 

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Fallbeispiel

Nachfolgend stellen wir ein fiktives, dennoch realitätsnahes Fallbeispiel zum Thema Organisieren vor. In der Beschreibung wird die Arbeitswoche einer Fachbereichsleitung einer großstädtischen Weiterbildungseinrichtung exemplarisch nachgezeichnet. In einer dem Fallbeispiel folgenden Analyse lässt sich nicht nur verdeutlichen, dass das Organisieren als eine Handlungssteuerung auf verschiedenen (didaktischen) Handlungsebenen relevant wird, sondern es kann auch aufgezeigt werden, dass unterschiedliche organisationale, regionale, bildungspolitische, persönliche etc. Rahmenbedingungen bzw. Einflussfaktoren die konkrete Umsetzung beeinflussen. Fallbeispiel und Analyse bieten einen ersten klärenden Einstieg zum Verständnis von Organisieren als eine zentrale, komplexe und daher äußerst voraussetzungsvolle pädagogische Praktik. Die an das Fallbeispiel anschlussfähige begriffliche Bestimmung sowie theoretische Kontextualisierung des Organisierens erfolgt dann in Kapitel 2.

1.1       Darstellung des Fallbeispiels: Eine Woche im Arbeitsleben einer Fachbereichsleitung

Der Protagonist unserer fiktiven Geschichte ist Robert Kahrmann. Herr Kahrmann ist 46 Jahre alt und bereits seit gut sieben Jahren als Fachbereichsleiter in einer großstädtischen Volkshochschule tätig. Der Diplom-Pädagoge arbeitete nach seinem Abschluss zunächst mehrere Jahre als freiberuflicher Dozent an verschiedenen Sprachenschulen für Erwachsene. Die Grundlage für diese Qualifikation eignete er sich bereits vor dem Studium an, als er eine Ausbildung zum staatlich geprüften Übersetzer und Dolmetscher absolvierte. Im Studium vertiefte er durch zwei Auslandssemester seine eigene Sprachkompetenz und spezialisierte sich zudem auf erwachsenenpädagogische Vermittlungsformen im Sprachenunterricht. Nach ein paar Jahren als freiberuflicher Dozent ergab sich die Möglichkeit, eine unbefristete Leitungsstelle in einer privaten Sprachenschule zu übernehmen. Herr Kahrmann entschied sich – obwohl er sehr gerne in der Lehre tätig war – nach kurzer Überlegung dafür, die Freiberuflichkeit hinter sich zu lassen und in eine eher planend-disponierende Festanstellung überzuwechseln. Ein Grund für diese Entscheidung war schließlich auch die verbesserte zeitliche Option der eigenen Fort- und Weiterbildung. So absolvierte er in seinen Jahren an der privaten Sprachenschule mehrere Weiterbildungen, u. a. in der Bildungsberatung und in der Qualitätsentwicklung. Aus privaten Gründen musste Herr Kahrmann nach ein paar Jahren seinen Wohnort wechseln und damit auch seine Arbeitsstelle aufgeben. Nach kurzer Suche fand er die Ausschreibung für die Fachbereichsleitung Sprachen der Volkshochschule in seinem neuen Wohnort. Gerade wegen seiner einschlägigen erwachsenenpädagogischen Qualifikationen sowie den berufspraktischen Erfahrungen war die Bewerbung erfolgreich. Die Einrichtung liegt in einer deutschen Großstadt und ist gemessen an der Zahl der Mitarbeitenden (45 hauptberufliche Mitarbeitende sowie ca. 750 Kursleitende) eine vergleichsweise große Volkshochschule. Das Programmangebot der Einrichtung ist breit gefächert, die Fachbereichsstruktur mit den fünf Fachbereichen Gesellschaft, Kunst und Kultur, Beruf und IT, Gesundheit und Umwelt sowie Sprachen klassisch gegliedert. Die von der Stadt getragene Volkshochschule arbeitet auf Basis des bundeslandspezifischen Weiterbildungsgesetzes und hat nicht zuletzt deswegen den Bereich der Projektarbeit in den letzten Jahren stark ausgebaut. Aufgrund der Projektarbeit und auch der langen Tradition der Einrichtung – es gibt sie nun bereits seit über 100 Jahren – existiert eine enge Vernetzung mit dem kommunalen und regionalen Umfeld. Herr Kahrmann ist als Vorgesetzter für die Betreuung von fünf hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ca. 80 frei- und nebenberuflichen Kursleitenden zuständig. Der fest angestellte Stamm an Mitarbeitenden in seinem Fachbereich setzt sich aus zwei pädagogischen Mitarbeitern, einer Fachbereichsassistenz sowie zwei Projektmitarbeiterinnen in einem durch Drittmittel geförderten Projekt zur Alphabetisierung und Grundbildung zusammen.

Eine exemplarisch verdichtete Arbeitswoche von Herrn Kahrmann sieht folgendermaßen aus:

Montag

Die Arbeitswoche beginnt für Herrn Kahrmann am Montagmorgen in seinem Büro mit der Bearbeitung der seit Freitag eingegangenen E-Mails. Nach einer ersten Sichtung werden die wichtigsten Anfragen – soweit möglich – direkt beantwortet, die weniger wichtigen für eine freie Stunde am Nachmittag zurückgestellt. Ein paar E-Mails werden an Kollegeninnen und Kollegen weitergeleitet, die inhaltlich adäquater antworten können. Nach der E-Mail-Bearbeitung wird die eingegangene Post gesichtet und ebenfalls entsprechend bearbeitet. Danach geht Herr Kahrmann die für die Woche anstehenden Termine mit seiner Fachbereichsassistentin Frau Müller durch. Hier wird ersichtlich, dass neben den zahlreichen bereits bestehenden Terminen noch Zeitfenster für zwei Gespräche mit Mitarbeitenden gefunden werden müssen, die bereits öfter aufgeschoben wurden, nun allerdings dringend durchgeführt werden sollten. Um diese beiden Gesprächstermine noch unterzubringen und auch noch genügend Zeit zur Vor- und Nachbereitung zu haben, müssen andere, weniger wichtige Termine zeitlich umgestellt bzw. auf die nächste Woche verschoben werden. Frau Müller ruft direkt die betroffenen Kollegen an und stimmt die jeweiligen Termine ab. Die Wochenplanung wird außerdem durch eine Weiterbildung, an der Herr Kahrmann selbst teilnimmt, erschwert. Bereits seit mehreren Monaten nimmt er an einer berufsbegleitenden Weiterbildung zum Netzwerk- und Kooperationsmanagement teil. Zu insgesamt sechs Präsenzphasen müssen immer vorher bestimmte Übungsaufgaben online bearbeitet und verschickt werden. Da ihm seine persönliche Weiterqualifizierung selbst stets wichtig war und er auch die vorgegebenen Termine unbedingt einhalten möchte, muss die eigene Wochenplanung so umgestaltet werden, dass eine Bearbeitung der Übungsaufgaben durchführbar ist. Zwar ist die nächste Präsenzphase erst am kommenden Wochenende, bis diesen Freitag müssen allerdings die Übungsaufgaben fertiggestellt und abgeschickt werden.

Um elf Uhr steht die monatliche Teamsitzung aller Fachbereichs- und Projektmitarbeitenden, denen Herr Kahrmann vorgesetzt ist, an. Neben einem allgemeinen Informationsaustausch geht es auch um den Beginn der Programmplanung für das kommende Semester sowie um den Transfer von Ergebnissen aus dem Alphabetisierungsprojekt in konkrete Bildungsangebote. Besprochen werden müssen dazu insbesondere auftretende Lücken sowie wünschenswerte bzw. notwendige Neuerungen im Programmangebot. Zur Programmplanung gibt es von Seiten der Gesamtleitung der Volkshochschule eine zeitliche Vorgabe, an die sich alle Fachbereiche strikt halten müssen. Herr Kahrmann achtet immer sehr auf die Einhaltung dieser Zeiten und vereinbart mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine entsprechende Übernahme von Verantwortlichkeiten und Arbeitspaketen. Neben einer zeitlichen Strukturierung erfolgt nach einer Diskussion auch die Festlegung auf inhaltliche Schwerpunkte bzw. (Neu-)Ausrichtungen des Programms. Während dieser Diskussion gibt es bei einem Punkt – der Frage, ob selten nachgefragte Sprachen ganz aus dem Programm zu streichen sind, um dafür lieber in den klassischen Sprachen weitere Einsteigerkurse anbieten zu können – unterschiedliche Auffassungen im Team. Da die Diskussion zu keiner gemeinsamen Lösung führt und die Fronten sich eher noch verhärten, ist Herr Kahrmann als Fachbereichsleiter gezwungen, eine Entscheidung zu treffen. Er entscheidet sich für mehr Einsteigerkurse und damit auch gegen eine leichte Mehrheit im Team.

Am Nachmittag steht eine Fachbereichsleitendenkonferenz an, bei der alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Führungsaufgaben (Einrichtungsleitung, Fachbereichsleitungen, Leitungen der Verwaltung und der Öffentlichkeitsarbeit sowie die Projektleitungen) zusammenkommen, um aktuelle, für die Gesamtorganisation relevante Themen zu besprechen. Zentraler Diskussionspunkt ist die aufgrund externer Einflussfaktoren notwendig gewordene strukturelle und strategische Neuausrichtung der Einrichtung. Bereits seit ein paar Jahren ist ein deutlicher Teilnehmerrückgang zu verzeichnen, der wohl vor allem – so zumindest die Einschätzungen während der Diskussion – mit der sehr unterschiedlichen Qualität der Bildungsangebote, dem nicht sehr innovativen Programm und der unflexiblen Aufbau- und Ablauforganisation zusammenhängt. Da auch immer neue Konkurrenzanbieter auf den Markt drängen, sieht es die Gesamtleitung als notwendig an, einen geplanten Organisationsentwicklungsprozess zu starten. Dazu werden aus den Mitgliedern der Fachbereichsleitendenkonferenz sowohl eine Steuerungsgruppe für den Veränderungsprozess als auch eine Arbeitsgruppe zur Qualitätsentwicklung zusammengestellt. Herr Kahrmann beteiligt sich mit seiner Expertise – er hat ja eine entsprechende Weiterbildung – an der Arbeitsgruppe zur Qualitätsentwicklung, die den zentralen Auftrag hat, ein Konzept zur Qualitätsverbesserung zu erarbeiten. Nach der Fachbereichsleitendenkonferenz vereinbaren die insgesamt vier Arbeitsgruppenteilnehmenden für den nächsten Morgen ein erstes Treffen.

Dienstag

Gleich um acht Uhr treffen sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe Qualitätsentwicklung im Büro von Herrn Kahrmann. Bei der ersten Diskussion, in der eigentlich nur die Ziele konkretisiert und erste Vorgehensweisen festgelegt werden sollten, stellt sich heraus, dass unterschiedliche Interpretationen über den Auftrag bzw. die Funktion der Arbeitsgruppe existieren. Während die eine Seite die gestrige Diskussion bei der Fachbereichsleitendenkonferenz eher so einschätzt, dass die Arbeitsgruppe nur erste unverbindliche Empfehlungen entwickelt, sieht sich die andere Seite der Arbeitsgruppe in der Verantwortung, ein vollständiges Konzept zur Qualitätsentwicklung vorzulegen. Die heutige Diskussion dauert den gesamten Morgen, wobei beide Seiten nicht nur ihre Argumente austauschen, sondern auch noch einmal gemeinsam rekapitulieren, was an der gestrigen Fachbereichsleitendenkonferenz besprochen wurde und welche möglichen Interessen bei den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorherrschen könnten. Am Ende führte der heutige Diskussions- und Aushandlungsprozess zu der relativ einstimmigen Einschätzung, dass durchaus ein komplettes Konzept zur Qualitätsentwicklung und zum Qualitätsmanagement vorgelegt werden müsste. Abschließend werden noch die weiteren Treffen der Arbeitsgruppe festgelegt sowie erste Arbeitspakete vereinbart.

Den kompletten Dienstagnachmittag nutzt Herr Kahrmann zur Vorbereitung seines eigenen Kurses. Bereits seit drei Semestern leitet er jeden Donnerstagabend einen Fortgeschrittenenkurs Französisch. Mit dieser Lehrtätigkeit schließt Herr Kahrmann an seine frühere Arbeit als freiberuflicher Dozent an. Eigentlich müsste er als Fachbereichsleiter keinen Kurs selbst anbieten, macht dies aber nun doch, und zwar zum einen aufgrund des persönlichen Interesses und zum anderen, um nicht den Kontakt zu den Teilnehmenden sowie deren Bedarfen und Vorstellungen zu verlieren. Geplant werden muss heute nicht nur die erste Unterrichtsstunde am Donnerstag, sondern auch noch der gesamte Kursablauf. Zwar kann Herr Kahrmann auf schon vorliegende ähnliche Kurspläne zurückgreifen und auch die Zeiten und Termine stehen bereits fest, da er allerdings immer wieder auch externe Referierende – beispielsweise für eine Lesung, Diskussion oder Führung in französischer Sprache – einbaut, gilt es nach passenden Leuten und gegebenenfalls auch Räumen und Örtlichkeiten zu suchen. Da glücklicherweise umfangreiche Informationen über die Kursteilnehmer vorliegen (Alter, Beruf, Vorkenntnisse etc.), können das inhaltliche Programm, die externen Referenten sowie der Methodeneinsatz passgenau ausgewählt werden.

Mittwoch

Für den gesamten Mittwoch steht ein Treffen der Lenkungsgruppe eines interorganisationalen Netzwerks der Lernenden Regionen an. Herr Kahrmann ist als Vertretung der Volkshochschule in dem Netzwerk sowie der Netzwerksteuerung aktiv. Das Netzwerk entstand aus dem bildungspolitischen Förderprogramm Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken, bei dem von 2001 bis 2008 ca. 80 regionale Netzwerke gefördert wurden. Ziel war und ist es, durch eine verstärkte Kooperation von wichtigen lokalen und regionalen Akteurinnen und Akteuren (Bildungsorganisationen, Kultureinrichtungen, Verbände, Unternehmen etc.) die Rahmenbedingungen für das Lebenslange Lernen zu verbessern. Das Netzwerk, in dem die Volkshochschule von Herrn Kahrmann als Gründungsmitglied immer noch aktiv ist, konnte nach der Förderphase verstetigt werden. Die Lenkungsgruppe besteht aus Vertretern der vierzehn beteiligten Organisationen, von denen zwei Personen in einem rotierenden Verfahren jeweils für ein Jahr für das Netzwerkmanagement zuständig sind. Dieses Netzwerkmanagement, dem in diesem Jahr auch Herr Kahrmann angehört, hat u. a. die Aufgabe, einen regelmäßigen Austausch zwischen den beteiligten Organisationen sicherzustellen, wichtige Richtungsentscheidungen vorzubereiten, auf die planmäßige Realisierung der einzelnen Projekte zu achten, die Öffentlichkeitsarbeit zu strukturieren sowie etwaige Problemfelder oder gar bestehende Konflikte zwischen den beteiligten Akteurinnen und Akteuren frühzeitig und nachhaltig zu entschärfen.

Vor dem Zusammenkommen der Lenkungsgruppe trifft sich Herr Kahrmann noch mit dem anderen Netzwerkmanager, um die Sitzung vorzubesprechen und die zeitliche Strukturierung der Tagesordnung festzulegen. Dabei stimmen sich die beiden bereits über die Punkte ab, die unbedingt und mit ausreichend Zeit besprochen werden müssen, und auch über die, die zeitlich eher schnell besprochen werden sollten bzw. die, die auch verschoben werden könnten. Zudem einigen sich beide auch über das Vorgehen bei unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen oder Konfliktfragen, um nicht unvorbereitet in die Sitzung zu gehen. Am Abend, nachdem das Lenkungsgruppentreffen relativ erfolgreich stattgefunden hat, treffen sich beide noch einmal zu einem kurzen Austausch über Ablauf und Inhalt der Sitzung. Sie gehen auch die unklaren Punkte im vorläufigen Protokoll durch und klären, wie, wann und von wem die Umsetzung der beschlossenen Entscheidungen kontrolliert werden soll.

Donnerstag

Am Donnerstagvormittag finden die beiden zu Beginn der Woche terminierten Mitarbeitergespräche statt. In diesen Gesprächen – die bei Bedarf, aber mindestens einmal im Jahr zwischen den Mitarbeitenden und deren direkten Vorgesetzten erfolgen – geht es insbesondere um die Verbesserung der Kommunikation, die frühzeitige Erkennung von Schwierigkeiten sowie die Festlegung zukünftiger Arbeitsschwerpunkte. Somit beziehen sich die Gespräche auf eine Rückschau, die gegenwärtige Situation, aber auch auf eine möglichst für beide Seiten vorteilhafte Zukunftsplanung. In den Gesprächen am Vormittag geht es zudem um die Planung passgenauer, arbeitsunterstützender Fortbildungen. Herr Kahrmann unterstützt in diesem Punkt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr, indem er ihnen nicht nur zu Fortbildungen rät, sondern auch sowohl zeitliche als auch finanzielle Ressourcen dafür bereitstellt. In diesem Zusammenhang wird auch besprochen, wie eventuelle Fehlzeiten aufgrund von Fortbildungen ausgeglichen bzw. die in der Zeit anfallenden Arbeiten verträglich unter den anderen Kollegen verteilt werden können. Dazu bedarf es einer Selektion und Priorisierung der einzelnen Arbeiten sowie einer Reflexion darüber, ob bestimmte Arbeiten überhaupt von den anderen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern durchgeführt werden können. Am Ende der Gespräche wird mit beiden Mitarbeitenden jeweils ein individuell angepasster Lern-Entwicklungsplan vereinbart, der inhaltliche Fortbildungsziele, die zeitlichen und organisationalen Absprachen sowie die Ressourcenzusagen von Seiten der Einrichtung benennt.

Am Nachmittag wollte sich Herr Kahrmann eigentlich noch einmal mit den geplanten Inhalten des eigenen Seminars, welches am Abend mit einem Vorbesprechungstermin beginnt, beschäftigen. Dazu kommt er allerdings nicht mehr, da er noch eine wichtige Anfrage der Einrichtungsleitung beantworten soll und auch, weil er für einen ausgefallenen Dozenten Ersatz finden muss. Der Dozent, der eigentlich fünf Sprachkurse anbieten wollte, hat sich langfristig krankgemeldet, sodass die einzelnen Kurse komplett von anderen Personen übernommen werden müssen. Da alle Kurse von der Zahl der Teilnehmenden her ausgebucht sind, sollen diese auch nicht ausfallen, was allerdings bedeutet, dass Herr Kahrmann lange herumtelefonieren muss, um einen adäquaten Ersatz zu finden.

Freitag

Am Freitagmorgen findet Herr Kahrmann Zeit, um alle Aufgaben abzuarbeiten, die sich im Laufe der Woche angesammelt haben und aufgeschoben wurden. Dazu zählen u. a. Tätigkeiten wie die Aktualisierung der Fachbereichshomepage, die Genehmigung von Dienstreiseanträgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder auch das Gegenlesen der Rohfassung eines Projektberichts.