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Manfred Grohnfeldt (Hrsg.)

Kompendium der akademischen Sprachtherapie und Logopädie

Band 2 Interdisziplinäre Grundlagen

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-029292-5

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mobi:   ISBN 978-3-17-029295-6

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Vorwort

 

 

Seit gut einem Jahrzehnt hat sich mit der Etablierung der akademischen Sprachtherapie und der fortschreitenden Akademisierung der Logopädie als junge aufstrebende Fachdisziplinen eine vollkommen neue Situation des Sprachheilwesens in Deutschland ergeben. Verbunden damit ist eine weitgehend vergleichbare Form des Studiums und der Ausbildung, die mit den Krankenkassen als Kostenträgern abgestimmt ist und sich von dem traditionellen Studium der Sprachheilpädagogik in den meisten Studienstätten deutlich absetzt.

Das vierbändige »Kompendium der akademischen Sprachtherapie und Logopädie« vermittelt die Grundlagen der in den Prüfungs- und Studienordnungen dargelegten Inhalte. Gleichzeitig ist es ein Abbild der Aufgabenbereiche in der Praxis. Dem Umfang des damit verbundenen Stoffs entsprechend wird eine Aufteilung in folgende Bände vorgenommen:

•  Band 1: Sprachtherapeutische Handlungskompetenzen

•  Band 2: Interdisziplinäre Grundlagen

•  Band 3: Störungsbezogene Kompetenzen Sprachentwicklungsstörungen, Redeflussstörungen, Rhinophonien

•  Band 4: Störungsbezogene Kompetenzen Aphasien, Dysarthrien, Sprechapraxie, Dysphagien – Dysphonien

Der vorliegende Band 2 vermittelt fundamentale Basisinformationen zur Sprachtherapie aus den Bezugswissenschaften Medizin, Linguistik, Pädagogik (Sonderpädagogik), Psychologie und Soziologie. Dabei werden nicht nur die jeweiligen theoretischen Grundlagen dargestellt, sondern auch konkrete Ableitungen für die Praxis vorgenommen. Durch Querverbindungen wird die Komplexität des Aufgabengebietes strukturiert, um dadurch die Handlungsfähigkeit für das individuelle Eingehen auf den Einzelfall zu erweitern.

Übergreifend wird hiermit ein Werk angeboten, das in übersichtlicher Form den aktuellen Stand der sprachtherapeutischen Fachdisziplinen in Deutschland bei einem Blick nach vorne repräsentiert. Soweit möglich wird dabei auf zusätzlich online verfügbare Materialien verwiesen. Das Kompendium ist vom Ansatz her nicht nur für das Studium und die Rezeption theoretischer Grundlagen, sondern durch die informative und kompakte Darstellung auch für die Praxis ›vor Ort‹ gleichermaßen von Interesse.

Zu danken ist den Autorinnen und Autoren des Fachbeirats, die sich dieser anspruchsvollen Aufgabe gestellt haben, sowie dem Kohlhammer Verlag und hier insbesondere Herrn Dr. Klaus-Peter Burkarth für die lange und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Grundlage für die Herausgabe dieser Publikation ist. Es bleibt zu wünschen, dass damit ein prospektives Standardwerk für viele Jahre vorgelegt wird.

München, im Dezember 2016

Manfred Grohnfeldt

 

Inhalt

 

 

  1. Vorwort
  2. I Einführung
  3. Zur Interdisziplinarität des Fachgebietes
  4. Manfred Grohnfeldt
  5. II Medizin
  6. Anatomie und Physiologie für sprachtherapeutische Berufe
  7. Jochen Schindelmeiser
  8. Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Phoniatrie und Pädaudiologie im Rahmen der Sprachtherapie
  9. Hans Werner Eichel
  10. Neurologie für sprachtherapeutische Berufe
  11. Jochen Schindelmeiser
  12. Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
  13. Michele Noterdaeme & Karolin Ullrich
  14. III Sprachwissenschaften
  15. Psycho- und Patholinguistik I: Normaler und gestörter Spracherwerb im Kindesalter
  16. Christina Kauschke
  17. Psycho- und Patholinguistik II: Ungestörte und gestörte Sprachverarbeitung bei Erwachsenen
  18. Isabell Wartenburger
  19. Phonetik des Deutschen für sprachtherapeutische Berufe
  20. Günther Storch
  21. Linguistik für sprachtherapeutische Berufe
  22. Ruth Fischer
  23. IV Pädagogik, Sonderpädagogik und Soziologie
  24. Pädagogische Grundlagen der Sprachtherapie
  25. Manfred Grohnfeldt
  26. Inklusion als multiprofessionelle Aufgabenstellung der ›Unterrichtsintegrierten Sprachtherapie und Logopädie‹ – Herausforderungen und Ressourcen
  27. Ulrike M. Lüdtke
  28. Soziologie in der Sprachtherapie
  29. Günther Cloerkes
  30. V Psychologie
  31. Entwicklungspsychologische Grundlagen der Sprachtherapie
  32. Barbara Zollinger
  33. Lern- und kognitionspsychologische Grundlagen der Sprachtherapie
  34. Martina Hielscher-Fastabend
  35. Neuropsychologische Merkmale in der Sprachtherapie
  36. Klaus Willmes
  37. Herausgeber
  38. Autorenverzeichnis

 

 

 

I           Einführung

 

Zur Interdisziplinarität des Fachgebietes

Manfred Grohnfeldt

 

Problemstellung

Wer einen sprachgestörten Menschen umfassend diagnostizieren, therapieren und psychosozial begleiten möchte, der braucht interdisziplinäre Kenntnisse aus unterschiedlichen Fachdisziplinen, um der Komplexität der damit verbundenen Aufgabenstellungen gerecht zu werden. Notwendig sind Grundlagen der

•  Medizin, z. B. der Anatomie und Physiologie des Kehlkopfes und des Hörorgans, Merkmale der Neurologie sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie;

•  Linguistik und Phonetik, z. B. der theoretischen Grundlagen der Patho- und Psycholinguistik mit ihren Modellen zum normalen und gestörten Spracherwerb sowie Möglichkeiten der praktischen Umsetzung;

•  Pädagogik, z. B. im Hinblick auf Fragen der Bildung und Erziehung des sprachgestörten Menschen sowie des sprachheilpädagogischen Unterrichts;

•  Psychologie und Soziologie, z. B. bezüglich der entwicklungspsychologischen Voraussetzungen, lern- und kognitionspsychologischen Grundlagen und neuropsychologischen Verarbeitung.

Mit derartigen Themenstellungen beschäftigen sich die einzelnen Beiträge des vorliegenden Sammelbandes, wobei die quantitativen Schwerpunktsetzungen den Proportionen der Ausbildungsinhalte in der akademischen Sprachtherapie und Logopädie bei einer Priorität medizinischer Grundlagen vor linguistischen, pädagogischen und psychologischen Anteilen entsprechen (Grohnfeldt 2014, 79).

In der Praxis und vom Selbstverständnis her wird dabei deutlich, dass es sich letztlich um eine interdisziplinäre Aufgabenstellung handelt, die von einer Fachdisziplin alleine nicht zu leisten ist. Andererseits ist es erforderlich, dass diese Kenntnisse, die im Hinblick auf die Situation sprachgestörter Menschen fokussiert und ausgewählt werden müssen, von einer Person zu erbringen sind, um in diesem Beruf handlungsfähig zu sein.

Zu fragen ist, ob es dabei bestimmte ›Leitdisziplinen‹ gibt und wie die Stellung der beteiligten Wissenschaften zueinander ist. Ein kurzer historischer Rückblick zeigt, dass sich hier die beteiligten Berufsgruppen teilweise in ihrem Menschenbild erheblich unterscheiden. Dementsprechend lassen sich unterschiedliche Möglichkeiten des Selbstverständnisses im Hinblick auf Fragen der Abgrenzung oder kooperativen Ergänzung aufzeigen. Die Diskussion ist nicht nur von theoretischem Interesse, sondern auch von hoher praktischer Bedeutsamkeit (»Wer leitet die Einrichtung?«).

1          Grundsätzliche Überlegungen zur Standortbestimmung

Seit Jahrzehnten beschäftigt sich die Sprachheilpädagogik mit Fragen der Interdisziplinarität des Fachgebietes, um ihr Selbstverständnis im Kontext der beteiligten Wissenschaften zu reflektieren und sich dementsprechend zu positionieren (Homburg 1978, Knura 1980). Übergreifend wurde dabei herausgestellt, dass »durch die Komplexität des Phänomens Sprache eine isolierte Betrachtung aus einem einzelwissenschaftlichen Standpunkt nicht alle Gesichtspunkte erfassen kann« (Grohnfeldt 1981, 428). Zur Lösung des Problems wurden grundsätzlich zwei Ansätze genannt.

Einerseits wurde die Pädagogik quasi als Leitdisziplin im Sinne eines »pädagogischen Kernlands« (Baumgartner 2004, 130) herausgestellt, der die Medizin, Linguistik, Psychologie und Soziologie als Hilfsdisziplinen zugeordnet werden. Dies war im Sinne der »Eigenständigkeit der Sprachheilpädagogik« (Orthmann 1969) zur Etablierung als sonderpädagogische Fachdisziplin von Bedeutung. Andererseits wurde die Sprachheilpädagogik als gleichrangige Wissenschaft im Sinne einer Nachbardisziplin eingeordnet, wobei sich die existenzielle Frage ergab, was denn das Besondere an der Sprachheilpädagogik im Vergleich zu den anderen Fachdisziplinen ist.

In beiden Fällen wurde die Sprachheilpädagogik als Integrationswissenschaft bezeichnet. Daraus ergibt sich eine doppelte Aufgabenstellung:

Einerseits ist die Sprachheilpädagogik Teil eines interdisziplinären Zusammenspiels unterschiedlicher Fachdisziplinen, andererseits erweist sie sich als übergeordnetes Ganzes, wobei der Einzelne Fachwissen aus mehreren Wissenschaftsbereichen benötigt, um in der Praxis handlungsfähig zu sein.

In der Logopädie wurden derartige Fragestellungen zunächst noch nicht thematisiert. Sie wurde in ihren Anfängen zwar akademisch konzeptioniert (Fröschels 1913), aber in Deutschland in der Realisierung der ersten Logopädenschule 1962 in Berlin als Heil-Hilfsberuf in Abhängigkeit von der Phoniatrie begründet. Die Vorherrschaft der Medizin war vorgegeben.

Heute ergibt sich für die neue Fachdisziplin der akademischen Sprachtherapie und eine akademisierte Logopädie das Selbstverständnis einer Integrationswissenschaft, die sich auf die Gesamtheit der Sprach-, Sprech-, Rede-, Stimm- und Schluckstörungen bezieht (image Abb. 1).

Zu fragen ist, inwieweit damit auch für diese Berufsgruppen die historisch bekannten Überlegungen im Sinne einer ›Leitdisziplin‹ mit Hilfsdisziplinen oder als gleichrangige Nachbardisziplinen verbunden sind.

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Abb. 1: Aufgabenbereiche und Standort der Sprachtherapie (Grohnfeldt 2012, 41)

2           Auswirkungen auf das Selbstverständnis unterschiedlicher sprachtherapeutischer Berufsgruppen

Ein kurzer historischer Rückblick zeigt, dass die Sprachheilpädagogik vor dem Hintergrund ihres Kampfes um »Eigenständigkeit« (Orthmann 1969) sich in der Pädagogik als sonderpädagogische Disziplin verortet hat. Dementsprechend dominieren bei den Ausbildungsinhalten der Curricula im Studium Bereiche des Unterrichts. Die Psychologie steht bei den zuliefernden Wissenschaften im Vordergrund, die Linguistik und Medizin haben die geringsten Stundenanteile (Grohnfeldt 2014, 79). Vor dem Hintergrund der Bologna-Dekrete vom 19.06.1999 wurden in den meisten Studienstätten Änderungen und Kürzungen durchgeführt, die sich vor allem auf eine Reduzierung der therapeutischen Anteile im Studium beziehen. Seit 2007 ist nach einem Studium der Sprachheilpädagogik keine Krankenkassenzulassung mehr möglich.

Bei der akademischen Sprachtherapie und Logopädie gibt es keine offiziell ausgewiesene ›Leitdisziplin‹. Andererseits zeigt sich nicht nur eine traditionelle Bezugnahme auf die Medizin durch die Logopädie, sondern auch durch eine gewisse Abhängigkeit vom Finanzierungsträger Krankenkasse. Die im Jahr 2008 mit dem GKV-Spitzenverband geführten Verhandlungen führten zu strengen Auflagen im Hinblick auf Studienanteile der Medizin, Linguistik, Pädagogik (und Soziologie) und Psychologie, die sich auch in diesem Sammelband wiederfinden. Sie werden auf Antrag überprüft und führen zu Teil- bzw. Vollzulassungen für die Absolventinnen und Absolventen der jeweiligen Studiengänge.1 Dementsprechend zeigen die Ausbildungsanteile der akademischen Sprachtherapie eine Priorität der Medizin vor der Linguistik, pädagogische und psychologische Anteile sind dagegen marginal (ebd.).

Trotz dieser Dominanz der Medizin sind die Studiengänge der akademischen Sprachtherapie in Deutschland nicht an der medizinischen Fakultät etabliert. Sie finden sich schwerpunktmäßig in linguistischen und pädagogischen Fakultäten. Eine zunehmende Bedeutung nehmen Studiengänge auf Fachhochschulniveau ein, die vor dem Hintergrund der am 26. Mai 2009 im Deutschen Bundestag verabschiedeten »Modellklausel« eingerichtet wurden. Sie machen heute bereits den größten Anteil an Studienstätten im Rahmen einer akademischen Sprachtherapie und Logopädie aus (ebd., 78). Übergreifend und unabhängig von fachspezifischen Stundenanteilen ist wie bei der American Speech, Language and Hearing Association (ASHA, hier: Code of Ethics) eine Orientierung an ethischen Merkmalen der Sprachtherapie zu beobachten, die auch in der Konstituierung der dbs-Ethikkommission ihren Ausdruck findet (Grohnfeldt et al. 2016).

3          Resümee und Ausblick

Die Interdisziplinarität des Fachgebietes zeigt sich in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist sie im Hinblick auf die Arbeit mit dem sprachgestörten Menschen selbst erforderlich. Hier sind Grundlagen aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen notwendig, wobei je nach Erscheinungsform und Störungsbild vertiefte Kenntnisse von Bedeutung sind. So ist z. B. bei der Behandlung von Stimmstörungen (ebenso bei Aphasien, Dysarthrophonien, Dysphagien) medizinisches Wissen zwingend erforderlich, das bei der Therapie und Förderung von Aussprachestörungen nur ansatzweise notwendig ist. Dafür sind in anderen Fällen linguistische Grundlagen zum Verständnis von grammatischen Störungen grundlegend, die bei Stimmstörungen am Rande stehen. Dies führt zu einer möglichen Spezialisierung unterschiedlicher Berufsgruppen.

Zum anderen offenbart sich die Interdisziplinarität des Sprachheilwesens in Deutschland durch die Existenz verschiedener Fachdisziplinen und Berufsgruppen, die unterschiedliche Bezugspunkte des Selbstverständnisses gefunden haben, um mit dieser Situation umzugehen. Die Sprachheilpädagogik als historisch älteste Fachdisziplin durch ihre Verortung in der Pädagogik; die Logopädie, Atem-, Sprech- und Stimmlehrer, akademische Sprachtherapie bei einer Zuordnung der Klinischen Linguistik, Patholinguistik und Klinische Sprechwissenschaft in einer gewissen Abhängigkeit vom Finanzierungsträger der Krankenkassen. Dabei ist nicht zu erwarten, dass die Medizin trotz ihrer Dominanz in den Studieninhalten zu einer das Selbstwertgefühl bestimmenden ›Leitdisziplin‹ wird. Dazu sind die traditionellen Statusunterschiede zu groß und das erforderliche Niveau in den anderen Fachdisziplinen der Linguistik, Pädagogik, Psychologie und Soziologie zu umfangreich. So bleibt zu konstatieren, dass zumindest derzeit die Sprachtherapie als Wissenschaft ›schwebend‹ auf andere Fachdisziplinen zurückgreift, wobei eine spezielle Vertiefung je nach Störungsbild notwendig wird.

Es bleibt offen, wie die beteiligten Berufsgruppen des Sprachheilwesens im engeren Sinne in Zukunft zueinanderstehen werden. Sinnvoll wäre eine kooperative Ergänzung (Grohnfeldt 2014), um Kräfte zu bündeln und eine Stärkung der Position mit Verhandlungspartnern in Bildungs- und Gesundheitsministerien zu ermöglichen. Denkbar ist aber auch eine Auseinanderentwicklung, die im ungünstigen Fall zu einem Verdrängungswettbewerb führen könnte. Da nicht nur rationale Gründe mitspielen und es letztlich auf die beteiligten Menschen ankommt, ist vieles nicht absehbar. In jedem Fall wird jedoch eine weitere wissenschaftstheoretische Standortbestimmung notwendig sein, um die im letzten Jahrzehnt erzielten Erfolge der Positionierung zu vertiefen.

Literatur

American Speech-Language-Hearing-Association (ASHA) (2014): Code of Ethics. Verfügbar unter: www.asha.org/code-of-ethics/ (Aufruf am 24.1.2016).

Baumgartner, S. (2004): Sprachheilpädagogik ist Pädagogik und mehr. In: Baumgartner, S., Dannenbauer, F. M., Homburg, G. & Maihack, V. (Hrsg.): Standort Sprachheilpädagogik (99–197). Dortmund: verlag modernes lernen.

Fröschels, E. (1913): Lehrbuch der Sprachheilkunde (Logopädie) für Ärzte, Pädagogen und Studierende. 3., erw. Aufl. 1931. Leipzig/Wien: Franz Deuticke.

Grohnfeldt, M. (1981): Zum Selbstverständnis der Sprachbehindertenpädagogik als sonderpädagogische Disziplin. Zeitschrift für Heilpädagogik 32, 425–429.

Grohnfeldt, M. (2012): Grundlagen der Sprachtherapie und Logopädie. München: Ernst Reinhardt.

Grohnfeldt, M. (2014): Sprachheilpädagogik und Sprachtherapie als komplementäres System. Praxis Sprache 59, 77–82.

Grohnfeldt, M., Domahs, F., Cholin, J., Heim, S., Höll, J. & Neumann, S. (2016): Die dbs-Ethikkommission. Ein Beitrag zur Forschungsethik im Bereich der Sprach-, Sprech-, Stimm-, Schluck- und Kommunikationsstörungen. Logos. Die Fachzeitschrift für akademische Sprachtherapie und Logopädie 24, 71–72.

Homburg, G. (1978): Die Pädagogik der Sprachbehinderten – grundlegende Überlegungen. Rheinstetten: Schindele.

Knura, G. (1980): Grundfragen der Sprachbehindertenpädagogik. In: Knura, G. & Neumann, B. (Hrsg.): Pädagogik der Sprachbehinderten. Handbuch der Sonderpädagogik. Band 7 (3–64). Berlin: Marhold.

Orthmann, W. (1969): Die Eigenständigkeit der Sprachheilpädagogik. In: Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogik e. V. (dgs) (Hrsg.): Die Eigenständigkeit der Sprachheilpädagogik (13–26): Hamburg: Wartenberg & Söhne.

1     https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/ambulante_leistungen/heilmittel/heilmittel_zulassungsempfehlungen/Heilmittel_Zulassungsempfehlungen_Anlage_3_10-2015.pdf; Aufruf am 24.1.2016.

 

II   Medizin

 

Anatomie und Physiologie für sprachtherapeutische Berufe1

Jochen Schindelmeiser

1          Grundlegendes zum Aufbau des menschlichen Körpers, zu Fortpflanzung und Entwicklung

Im Mittel besteht ein ausgewachsener menschlicher Körper aus ca. 100 Billionen Zellen, die als seine elementare Baueinheit anzusehen sind. Zwischen den Zellen befinden sich ungeformte Zwischenzellsubstanzen und geformte Substanzen; letztere bezeichnet man als Fasern. Der Forschungsbereich, der sich mit Aufbau und Funktion der Zellen beschäftigt, heißt Zytologie.

Die eigentliche Zelle ist von einer Zellmembran (z. B. auch Plasmalemm genannt) umgeben, die die Zelle nach außen umschließt, aber auch für den Stoffaustausch zwischen dem Zellinneren (Intrazellularraum) und dem umgebenden Raum (Extrazellularraum, Interzellularraum) verantwortlich ist. Der Binnenraum der Zelle wird in Zellleib (Zytoplasma) und Zellkern (Nucleus) unterteilt. Im Zytoplasma liegen die von eigenen Membranen umschlossenen Zellorganellen, die spezifische Funktionen aufweisen. Außer den Zellorganellen enthält das Zytoplasma eine Grundsubstanz (Zytosol), bestehend überwiegend aus Wasser, Salzen, Proteinen, den für die Proteinherstellung wichtigen Ribosomen sowie ggf. einigen Speicherpartikeln. Ein Zellkern befindet sich praktisch in allen menschlichen Zellen. Er enthält die Erbsubstanz in Form von 46 DNS-Molekülen (engl. DNA), auf denen sich die Gene mit Informationen für die zelleigenen Proteine befinden. Zu bestimmten Zeiten (kurz vor und während der Zellteilung) sind die ansonsten sehr lang ausgestreckten DNS-Moleküle in einer kondensierten Form in der Zelle enthalten, die man als Chromosom bezeichnet (deshalb spricht man von 46 Chromosomen in der menschlichen Zelle, auch wenn diese als solche nur selten präsent sind).

Im Rahmen der Entwicklung des Menschen, beginnend mit der befruchteten Eizelle, ergibt sich nach zahlreichen Zellteilungen eine immer stärker zunehmende Differenzierung der entstehenden Tochterzellen zu letztlich vier großen Gruppen, die untereinander gewisse Ähnlichkeiten in Aussehen und Funktion aufweisen. Diese Zellgruppen werden Gewebe genannt, der sich damit beschäftigende Forschungszweig heißt Histologie. Die Zellen dieser Gewebe mit den von ihnen ggf. produzierten Extrazellularsubstanzen erfüllen spezifische Funktionen im menschlichen Körper. Innerhalb dieser vier Gewebetypen ergeben sich natürlich weitere Differenzierungen der entsprechenden Zellen, je nach Lokalisation und Unterfunktion. Die vier Grundgewebe sind:

1.  Epithel- und Drüsengewebe

2.  Binde- und Stützgewebe

3.  Muskelgewebe

4.  Nervengewebe

Epithelgewebe (vereinfacht auch als Epithelien bezeichnet) bedecken äußere und innere Oberflächen (Haut bzw. Schleimhäute) des menschlichen Körpers. Eine Sonderform bilden Epithelien, die Blutgefäße innen auskleiden – sie werden Endothelien genannt. Epithelien weisen hauptsächlich Schutz-, teilweise aber auch Transportfunktionen auf.

Einige Epithelzellen, die sog. Drüsenzellen, haben sich darauf spezialisiert, bestimmte Stoffe zu produzieren und diese an die Oberfläche der Zellen bzw. Epithelschichten zu transportieren, was man als Sekretion bezeichnet. Das Sekret wird dabei an die äußere Oberfläche des Körpers (z. B. Schweiß- und Talgdrüsen) oder an innere Oberflächen des Körpers (z. B. Speicheldrüsen) direkt oder über Drüsenausführgänge geleitet (exokrine Drüsen). Sog. endokrine Drüsen geben ihre Produkte, die Hormone, an die Blutbahn ab.

Im Binde- und Stützgewebe dominieren die von den entsprechenden Zellen gebildeten Interzellularsubstanzen und Fasern gegenüber den eigentlichen Zellen. Diese Gewebe bauen Knorpel, Knochen, Sehnen, Bänder, Organgrundgerüste und ähnliche Strukturen auf. Das Muskelgewebe besteht aus Muskelzellen (auch Muskelfasern genannt), die die Fähigkeit zur aktiven Verkürzung (Kontraktion) aufweisen – ein Vorgang, der eine erhebliche Menge an Energie erfordert, die in Form von ATP in den Mitochondrien der Zellen bereitgestellt wird. Man unterscheidet Skelettmuskelzellen, Herzmuskelzellen und sog. glatte Muskelzellen. Das Nervengewebe besteht aus Nervenzellen (Neurone), die für die Aufnahme, Verarbeitung, Weitergabe und Speicherung von Informationen zuständig sind. Hinzu kommen die sog. Gliazellen, die Hilfs- und Stützfunktionen für die Nervenzellen aufweisen.

Die menschlichen Organe, Apparate und Systeme bauen sich in unterschiedlicher Zusammensetzung aus den vier Grundgeweben zusammen. Diese Organisationsstrukturen werden hauptsächlich nach ihrer Funktion benannt, also z. B. Bewegungsapparat, Atmungssystem, Verdauungssystem, Herz- und Kreislaufsystem, Nervensystem, Sinnesorgane. Es gibt auch eine Zusammenarbeit einiger dieser Systeme für spezialisierte Funktionen, so dass man diese dann unter einer Sonderbezeichnung (wie z. B. Stimm- oder Sprechorgane) zusammenfasst.

Für die Entwicklung von der befruchteten Eizelle bis zum ausgewachsenen Organismus, aber auch für Regenerationsaufgaben im Körper, sind zahlreiche Zellteilungen erforderlich. Alle Zellen des menschlichen Körpers (mit Ausnahme der Geschlechtszellen bei der Reifeteilung, s. u.) teilen sich über den Mechanismus der normalen Zellteilung (Mitose), bei dem – nach einer vorherigen Verdoppelung des Chromosomensatzes – durch die Teilung identische Tochterzellen (mit jeweils wieder dem normalen doppelten Chromosomensatz) entstehen. In der menschlichen Zelle befinden sich regulär 23 Chromosomenpaare (ein Satz vom Vater, einer von der Mutter), also 46 Chromosomen. 22 Chromosomenpaare (Autosomen) entsprechen einander, ein Chromosomenpaar (Gonosom) besteht beim weiblichen Geschlecht aus zwei X-Chromosomen (eins vom Vater, eins von der Mutter), beim männlichen Geschlecht aus einem X-Chromosom (von der Mutter) und einem Y-Chromosom (vom Vater).

Ausschließlich die weiblichen und männlichen Geschlechtszellen teilen sich nach dem Mechanismus der Reifeteilung (Meiose, Reduktionsteilung), bei der es einmal zum Austausch von Erbmaterial der beiden Eltern (Rekombination) und zum anderen zur Erzeugung befruchtungsfähiger Eizellen und Spermien (mit jeweils halbiertem Chromosomensatz) kommt. Diese Reduktion des normalen doppelten Chromosomensatzes auf den einfachen Chromosomensatz bei der Reifeteilung ist erforderlich, damit bei der Befruchtung wieder eine normale Zelle mit doppeltem Chromosomensatz entsteht.

Die menschliche Entwicklung von der Befruchtung bis zur Geburt dauert durchschnittlich 38 Wochen mit einer gewissen Schwankungsbreite. Die Schwangerschaft wird aber oft beginnend mit dem Tag der letzten Menstruation gerechnet – dann ergibt sich ein Zeitraum von 40 Wochen. Die ersten acht Wochen ab der Befruchtung werden als Embryonalentwicklung (mit der Bildung der wichtigsten Organe und Körperstrukturen) zusammengefasst. Teilweise differenziert man die Wochen 1–2 als Präembryonalperiode, die Wochen 3–8 als eigentliche Embryonalperiode. Ab der 9. Woche bis zur Geburt spricht man von Fetalentwicklung (mit Größenwachstum des Fetus und seiner Organe und einer Feindifferenzierung). Nach der Geburt schließen sich das Säuglingsalter (1. Lebensjahr), das Kleinkindalter (2.–6. Lebensjahr), das Schulalter und die Pubertät (vom Auftreten der ersten sekundären Geschlechtsmerkmale bis zur Geschlechtsreife), dann das Erwachsenenalter und zum Schluss das Greisenalter (mit Einschränkung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten) an.

2          Blut, Blutgefäße, Herz und Kreislauf

Das Blut, auch als ›flüssiges Organ‹ bezeichnet, besteht aus Zellen und Blutplasma. Die sog. roten Blutzellen (Erythrozyten) enthalten den eisenhaltigen roten Blutfarbstoff Hämoglobin. Darüber wird Sauerstoff gebunden und kann so transportiert werden. Die sog. weißen Blutzellen (Leukozyten) haben verschiedene Abwehraufgaben; zu ihnen rechnen u. a. Lymphozyten, Granulozyten und Makrophagen. Ein dritter Zelltyp sind die Blutplättchen (Thrombozyten), die die Blutstillung und Blutgerinnung unterstützen. Die Aufgaben des Blutes sind vielfältig: Zufuhr aller lebensnotwendigen Stoffe für die Körperzellen, Abtransport von ›Abfallstoffen‹, Transport von Hormonen, Wärme und für die Abwehr zuständigen Zellen und Stoffen.

Das Herz als Pumpe transportiert das Blut durch die Blutgefäße zu allen Körperabschnitten und von diesen wieder zurück. Blutgefäße, die vom Herzen weg zu den Zellen führen, werden als Arterien (Schlagadern) bezeichnet. Auf dem Weg zu den Zellen zweigen sie sich später in Arteriolen und Kapillaren auf. Auf der Ebene der Kapillaren findet der Stoffaustausch (bei der Lunge auch der Gasaustausch) statt. Von diesen Regionen fließt das Blut über Venolen und Venen zum Herzen zurück.

Das Blut, das vom Herzen über die größte Arterie, die Aorta und deren Äste, letztlich zu den Körperkapillaren fließt, enthält Sauerstoff und wird arterielles Blut genannt, das zurückfließende Blut enthält praktisch keinen Sauerstoff mehr, dafür ist es reich an Kohlendioxid (venöses Blut). Dies gilt für den Blutfluss zu/von allen Körperabschnitten (Körperkreislauf) mit Ausnahme der Lunge. Bei Blut, das in Lungenarterien vom Herzen zur Lunge fließt, ist die Situation umgekehrt, verglichen mit dem Körperkreislauf, da das über Lungenarterien zur Lunge fließende Blut venös (sauerstoffarm) ist und in der Lunge wieder mit Sauerstoff beladen wird; somit fließt sauerstoffreiches (arterielles) Blut in den Lungenvenen zum Herzen zurück (Lungenkreislauf). Im Herzen wird das arterielle Blut dann wiederum zur Aorta geleitet und damit erneut in den Körperkreislauf gebracht.

Da das Herz die Umschaltstation zwischen Körper- und Lungenkreislauf ist, weist es einen speziellen Aufbau auf. Man unterscheidet zunächst einen rechten und linken Vorhof (Atrium). In den rechten Vorhof münden die Körpervenen (venöses Blut), in den linken Vorhof die Lungenvenen (arterielles Blut). Die Hauptbestandteile des Herzens mit der entscheidenden Pumpleistung sind jedoch die rechte und linke Kammer (Ventrikel). Aus der rechten Kammer entspringen die Lungenarterien, die das venöse Blut zu den Lungen transportieren, aus der linken Kammer die Aorta, die das arterielle Blut zum Körper bringt. Zwischen Vorhöfen und Kammern findet sich eine Trennwand (Herzscheidewand), die die beiden Herzhälften voneinander isoliert. Zwischen Vorhöfen und Kammern sowie zwischen Kammern und abgehenden Arterien sind Ventile (Herzklappen) angebracht, die ein Zurückfließen des Blutes verhindern. Die Ventile zwischen Vorhöfen und Kammern werden als Atrioventrikularklappen (AV-Klappen) bezeichnet, das Ventil zwischen rechter Kammer und Lungenarterien heißt Pulmonalklappe, zwischen linker Kammer und Aorta entsprechend Aortenklappe.

Das Herz besteht – abgesehen von inneren und äußeren Hüllschichten – im Wesentlichen aus der Herzmuskulatur; Teile davon haben sich jedoch zu einem Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem umgebildet. Der für die Pumpaktionen des Herzens notwendige elektrische Impuls entsteht autonom im rechten Vorhof (Sinusknoten) und wird von dort auf die gesamte Herzmuskulatur weitergeleitet. Dadurch kommt es abwechselnd zur Kontraktion (Systole) und Entspannung (Diastole) der Herzmuskulatur. Bei der Systole wird Blut in die Arterien gepumpt, bei der Diastole fließt Blut aus den Lungen- und Körpervenen in die Vorhöfe zurück.

3          Atmung

Vom Gehirn aus (Atemzentrum im unteren Hirnstamm; image Kap. 6) werden die sog. Atemmuskeln gesteuert, wodurch die Atemluft über die Atemwege zu den Lungen geleitet wird (und von dort natürlich auch wieder zurück). Diese Atemwege (auch Luftwege genannt) bestehen aus Nasenhöhle mit Nebenhöhlen, Rachen, Kehlkopf, Luftröhre und Bronchien. Bei der Mundatmung ist ggf. auch die Mundhöhle beteiligt. Zwischen Rachen und Luftröhre ist der Kehlkopf positioniert, der auch als Stimmorgan (image Kap. 4) dient. In den Lungen, genauer gesagt in den Lungenbläschen, erfolgt der Übergang von Sauerstoff aus der Einatemluft ins Blut. Hier tritt aber auch in entgegengesetzter Richtung Kohlendioxid aus dem Blut in die Lungenbläschen über und wird von dort bei der Ausatmung über die gleichen Atemwege wieder aus dem Körper abgeleitet. Damit sind die Lungenbläschen (Alveolen) der Ort des Gasaustauschs. Alle an der Atmung beteiligten Organe fasst man zu den Atmungsorganen (auch Atmungsapparat genannt) zusammen. Teile der Atemwege mit entsprechend eingesetzten Muskeln sind (zusammen mit der Mundhöhle und deren Umgebung) auch Grundlage des Sprechvorgangs (image Kap. 5).

Bei der Atmung unterscheidet man anatomisch zwischen Brustatmung (auch Thorakal-, Kostal- oder Rippenatmung genannt) und Bauchatmung (auch Zwerchfell- oder Abdominalatmung genannt). Beim gesunden Erwachsenen überwiegt die Bauchatmung (etwa 1/3 Brust- und 2/3 Bauchatmung). An der Brustatmung sind der Brustkorb (Thorax, bestehend aus Rippen, Brustbein und Brustwirbelsäule) mit seinen Gelenken und Bindegewebsstrukturen sowie den zugehörigen Muskeln, vor allem den Zwischenrippenmuskeln (Interkostalmuskeln) beteiligt. Hinzu kommen einige Muskeln am Hals (Mm. scaleni) sowie – bei verstärkter Atmung – einige Atemhilfsmuskeln. Die Bauchatmung wird ausschließlich durch das Zwerchfell (Diaphragma) bewerkstelligt. Diese große, kuppelartige Muskelplatte zwischen Brust- und Bauchhöhle ist damit der wichtigste Atemmuskel und wird vom Zwerchfellnerv (N. phrenicus) innerviert. Bei der Einatmung kontrahiert sich das Zwerchfell, was zu einer Senkung der Muskelplatte und damit zu einer Erhöhung des Lungenvolumens führt. Bei der Erschlaffung des Muskels steigt die Muskelplatte wieder nach oben, das Lungenvolumen verringert sich.

Eine gewisse Rolle bei der Atmung spielen auch die großflächigen Muskeln der Bauchwand (Bauchmuskeln), die durch flächige Sehnen (Aponeurosen) ergänzt sind. Man unterscheidet an jeder Körperhälfte einen vorderen geraden und drei übereinanderliegende seitliche Bauchmuskeln. Die Funktion der Bauchmuskeln ist vielfältig: Bewegungen der Wirbelsäule, Anpassung an Druck- und Volumenänderungen der Bauchhöhle (u. a. bei der Atmung) sowie die Bauchpresse, z. B. beim Husten.

Bei den Atemwegen oder luftleitenden Organen grenzt man die oberen und unteren Atemwege (Luftwege) voneinander ab. Die Nasenhöhlen mit ihren Nebenhöhlen werden ebenso wie der Rachen zu den oberen Luftwegen gerechnet. Kehlkopf, Luftröhre und Bronchialbaum bilden die unteren Luftwege. Die Nase ist paarig aufgebaut und besteht aus Vorhof, Nasenscheidewand und den eigentlichen Nasenhöhlen, von denen die Nasennebenhöhlen (z. B. Stirn- und Kieferhöhle) abgehen. Die Nasenhöhle ist von Nasenschleimhaut ausgekleidet, die der Reinigung, Anfeuchtung und Erwärmung der Atemluft dient. Im hinteren Bereich gehen die Nasenhöhlen in den Rachen (Pharynx, Schlund) über, den man als schleimhautausgekleideten Muskelschlauch beschreiben kann. Der Rachen wird von oben nach unten in drei Etagen gegliedert: Epipharynx (mit Verbindungen zur Nasenhöhle und zum Mittelohr), Mesopharynx (mit Verbindung zur Mundhöhle), Hypopharynx (mit Übergängen zum Kehlkopf und zur Speiseröhre). Die Muskulatur des Rachens untergliedert sich in Schlundschnürer und Schlundheber, die eine wichtige Rolle beim Schluckakt spielen. Im Rachen befinden sich auch bedeutsame Teile des organgebundenen Abwehrsystems, die Mandeln (Tonsillen). Besonders hervorzuheben sind die unpaare Rachenmandel (im oberen Bereich des Epipharynx) und die paarigen Gaumenmandeln (am Übergang zwischen Mesopharynx und Mundhöhle).

Der Kehlkopf (Larynx) hat Funktionen beim Schluckakt, indem er die unteren Atemwege reflektorisch beim Schlucken vom Speiseweg abtrennt. Gleichzeitig dient er der Stimmbildung und wird deshalb separat in Kapitel 4 besprochen.

Die Luftröhre (Trachea) besitzt in ihrer Wandung Knorpelspangen; damit ist dafür gesorgt, dass der ungehinderte Ein- und Ausstrom der Atemluft unter allen Umständen gewährleistet ist. Am unteren Ende der Luftröhre zweigt sich das luftleitende System über die beiden Hauptbronchien zum jeweiligen Bronchialbaum der rechten und linken Lunge auf. Die Bronchien verästeln sich immer weiter in den Lungen. Am Ende dieses Systems geht die Funktion von der reinen Luftleitung in den Gasaustausch über, weil sich in der Wand der kleinen Bronchien (sog. Bronchiolen) zunehmend Lungenbläschen (Alveolen) einlagern, bis das System am Ende nur noch aus großen Gängen und Trauben von Alveolen besteht. Der eigentliche Gasaustausch (Übergang von Sauerstoff vom Luftraum ins Blut, Übergang von Kohlendioxid vom Blut in den Luftraum) findet ausschließlich in den Alveolen statt. Bei der Einatmung (Inspiration) wird der Übergang des Sauerstoffs in das Blut gefördert, bei der Ausatmung (Exspiration) der Übergang des Kohlendioxids vom Blut in die Ausatemluft. Die Atmung insgesamt (Respiration) besteht also aus dem lebenslangen Wechsel zwischen Inspiration und Exspiration.

Die Lungen (Singular: Pulmo) sind paarig und enthalten außer den Verästelungen des Bronchialbaums bis zu den Alveolen noch Bindegewebe und Blutgefäße (Lungenarterien, Lungenvenen und ihre Verästelungen). Die Lungen sind von einem dünnen Häutchen (Lungenfell, Pleura) überzogen, das als Rippenfell auch die Höhle (Lungenhöhle, Teil der Brusthöhle) auskleidet, in der sich die Lungen bei der Atmung ausdehnen und wieder zusammenziehen. Zwischen den beiden Lungenhöhlen verläuft der Mittelfellraum (Mediastinum), der u. a. die Luftröhre, Speiseröhre und Aorta enthält.

Zwischen Lungen- und Rippenfell, den beiden sog. Pleurablättern, befindet sich ein Gleitmittel (Pleuraflüssigkeit), das die nahezu reibungsfreie Bewegung der Lungen ermöglicht. Zwischen den beiden Pleurablättern wirken aber auch physikalische Kräfte, die verhindern, dass sich die beiden Blätter unter physiologischen Bedingungen voneinander lösen können. So sind die beiden Lungen durch diese Kräfte künstlich zwischen ihren äußeren Begrenzungen (Thorax, Zwerchfell, Mediastinum) aufgespannt; sie ändern ihre Ausdehnung jeweils bei der Be- und Entlüftung (Ventilation) durch die Atmung. Unter pathologischen Bedingungen (Pneumothorax) können sich die Lungenblätter voneinander lösen – die betroffene Lunge kollabiert und ist für eine Ventilation nicht mehr zugänglich.

Das Ausmaß der Ventilation (bestimmt durch das Atemzugvolumen und die Zahl der Atemzüge in der Zeiteinheit) passt sich durch Steuerungsmechanismen des Atemzentrums im Gehirn an die Erfordernisse des Körpers an. Das Gesamtvolumen der Lungen bezeichnet man als Totalkapazität. Sie gliedert sich in ein mit dem Alter zunehmendes Residualvolumen (Restvolumen, das bei maximaler Ausatmung in den Lungen verbleibt) und die Vitalkapazität (maximal ein- und ausatembares Volumen). Mit dem Erwachsenenalter geht die Vitalkapazität kontinuierlich zurück.

4          Kehlkopf und Stimmbildung

Der Kehlkopf (Larynx) befindet sich am Übergang zwischen den oberen und unteren Luftwegen. Da es im Rachen zu einer Kreuzung des Luft- und Speisewegs kommt, ist eine Verschlussfunktion für den Eingang in die unteren Atemwege erforderlich – diese Funktion erfüllt der Kehlkopf über den Verschluss der Stimmritze (Glottis, s. u.). Damit wird verhindert, dass Speisen und Flüssigkeiten in die unteren Atemwege gelangen. Außerdem ist dieser Glottisschluss Voraussetzung für die Bauchpresse und das Husten (image Kap. 3), vor allem aber für die Stimmbildung.

Anatomisch besteht der Kehlkopf aus einem Knorpelskelett, Skelettmuskeln und Bindegewebe. Innen ist er – mit Ausnahme der Stimmlippen - von respiratorischer Schleimhaut ausgekleidet. Der Kehlkopf ist am Hals in einer Art Führungsröhre vor allem nach oben und unten beweglich. Damit diese Bewegungen gerichtet ausgeführt werden können, besitzt der Kehlkopf einen Aufhängeapparat, an dem u. a. das Zungenbein (Hyoid), bindegewebige Membranen (vor allem die Membran zwischen Zungenbein und Schildknorpel) und Skelettmuskeln (obere und untere Zungenbeinmuskeln) beteiligt sind. Nach unten ist der Kehlkopf mit der Luftröhre elastisch verbunden. Für die Bewegungen des Kehlkopfs in der Führungsröhre, aber auch seine Fixierung in bestimmten Positionen sind vor allem die Zungenbeinmuskeln verantwortlich.

Zum Kehlkopfskelett rechnen im Wesentlichen der Schildknorpel (Cartilago thyroidea, kurz ›Thyroid-Knorpel‹), der Ringknorpel (Cartilago cricoidea, kurz ›Krikoid‹) und der paarige Stellknorpel (Cartilago arytaenoida, kurz ›Ary-Knorpel‹); dazu kann auch der Kehldeckel (Epiglottis) gezählt werden. Diese Knorpel (der Kehldeckel ausgenommen) sind über Gelenke beweglich miteinander verbunden. Im Gelenk zwischen Schild- und Ringknorpel wird die Grobspannung der Stimmbänder reguliert; zuständig für diese Bewegungen ist der in der klinischen Kurzform ›Antikus‹ genannte Muskel (M. cricothyroideus). Die Erweiterung oder Verengung der Stimmritze erfolgt über Bewegungen im Gelenk zwischen Ringknorpel und Stellknorpeln. Die Öffnung der Stimmritze wird über den ›Postikus‹ (M. cricoarytaenoideus posterior) gesteuert. Am Verschluss der Stimmritze sind mehrere Muskeln beteiligt, u. a. der ›Lateralis‹ (M. cricoarytaenoideus lateralis), der ›Transversus‹ (M. arytaenoideus transversus) und der ›Obliquus‹ (M. arytaenoideus obliquus). Der M. vocalis (Stimm-Muskel) dient der Feinspannung der Stimmbänder und ebenfalls dem Verschluss der Stimmritze.

Muskeln und Schleimhaut des Kehlkopfs werden von Ästen des N. vagus versorgt. Für die sensible Versorgung der Schleimhaut der oberen Kehlkopfhälfte (bis zur Glottis) ist der N. laryngeus superior (mit seinem R. internus) zuständig, für die untere Hälfte der N. laryngeus inferior aus dem N. laryngeus recurrens (Kurzform ›Rekurrens‹). Nur der ›Antikus‹ wird motorisch vom N. laryngeus superior versorgt (Kurzform ›Superior‹), alle anderen Kehlkopfmuskeln vom N. laryngeus inferior des Rekurrens. Deshalb spielen klinisch vor allem Schädigungen des Rekurrens (die sog. Rekurrensparese) für Einschränkungen der Funktion des Kehlkopfs (Stimmstörungen durch Stimmlippenlähmungen, evtl. Atemstörungen) eine große Rolle. Bei der selteneren ›Superiorparese‹ kommt es zu Stimmstörungen durch eine Beeinträchtigung beim Aufbau der Stimmlippenspannung.

Beim Kehlkopf unterscheidet man verschiedene Binnenräume (von oben nach unten): Vestibulum (Vorhof), links und rechts je eine Taschenfalte (Plica vestibularis mit je einem Taschenband), zwischen Taschen- und Stimmfalte jeweils eine seitliche Tasche (Ventriculus), dann rechts und links eine Stimmfalte (Plica vocalis, enthält das Stimmband = Ligamentum vocale) und unterhalb der Stimmfalte (auch Stimmlippe genannt) der subglottische Raum. Die Glottis ist der innere Verschlussapparat des Kehlkopfs; sie besteht aus den beiden Stimmlippen (Stimmfalten) und der dazwischenliegenden Stimmritze. Im Gegensatz zum gesamten sonstigen Kehlkopfbinnenraum (respiratorisches Epithel wie in der Nasenhöhle) sind die Stimmlippen von einem Epithel bedeckt, wie es in der Mundhöhle vorkommt (mehrschichtiges Plattenepithel).

Die Binnenräume können bei der Kehlkopfspiegelung (Laryngoskopie) untersucht werden. Abhängig von der Stellung der Stellknorpel lassen sich unterschiedliche Stellungen bei der Stimmritze beobachten, die man als Ruhestellung (Intermediärstellung: Kehlkopfmuskeln befinden sich in Ruhe), Respirationsstellung (Stimmritzenöffnung bei der Atmung), Phonationsstellung (Medianstellung, Stimmritze geschlossen) und Flüsterstellung (nur der Abschnitt der Glottis zwischen den Stellknorpeln bleibt offen) bezeichnet.

Die Glottis als Verschlusssystem der unteren Atemwege stellt auch gleichzeitig eine Engstelle der Atmung dar, an der es z. B. durch Fremdkörper oder Entzündungen zu lebensbedrohender Atemnot bis zum Ersticken kommen kann. In solchen Fällen muss notfallmäßig ein Zugang von außen zu den unteren Luftwegen geschaffen werden, meist durch einen Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) in Längsrichtung zwischen Ringknorpel und oberer Knorpelspange der Trachea. Bei Operationen kann es durch die Muskelerschlaffung des Postikus durch die Narkose erforderlich sein, den Patienten zu intubieren. Dabei wird ein Schlauch (Tubus) zwischen den Stimmlippen hindurch bis in die Luftröhre geschoben.

Abgesehen vom Verschluss der unteren Atemwege beim Schluckakt ist die wichtigste Funktion des Kehlkopfs die Stimmbildung (Phonation). Bei vollständig geschlossener Glottis (Phonationsstellung) wird durch die beginnende Ausatmung der Druck im subglottischen Raum erhöht, bis der Verschluss der Stimmfalten ›gesprengt‹ wird. Durch komplizierte Mechanismen geraten die Stimmlippen dabei in Schwingungen, die zu wiederholtem raschen Verschließen und Öffnen der Glottis führen. Diese Schwingungen werden dabei auf die Ausatemluft aufgelagert und erzeugen den Ton. Die Lautbildung (Artikulation; image Kap. 5) hingegen findet im ›Ansatzrohr‹ statt, das sich aus Teilen der oberhalb der Stimmritze liegenden oberen Luftwege aufbaut.

5          Sprechorgane und Artikulation

Muskeln der Sprechorgane (Artikulationsorgane) dienen der Bildung der Sprachlaute. Diesen Vorgang bezeichnet man als Artikulation. Der Kehlkopf (image Kap. 4) gehört einerseits zu den luftleitenden Organen, andererseits wird er für die Stimmbildung eingesetzt. Die Artikulationsorgane dienen in Analogie ursprünglich nur der Nahrungsaufnahme sowie dem Zerkleinern und Transport der Nahrung über die Speiseröhre zum Magen. Zusätzlich werden sie – vom Nervensystem gesteuert – aber auch für die Lautbildung eingesetzt. Man unterscheidet an den Sprechorganen unbewegliche Elemente (Zähne, Kiefer, harter Gaumen) und bewegliche Elemente (Kiefergelenk, Kaumuskeln, mimische Muskeln, Zunge, Gaumensegel u. a.).

Der Unterkiefer (Mandibula) ist ein spiegelbildlich aufgebauter gebogener Knochen, an dem man einen Körper mit zwei nach hinten oben weisenden Ästen mit jeweils zwei Fortsätzen beschreiben kann. An dem hinteren Fortsatz befindet sich der Gelenkkopf für das Kiefergelenk, am vorderen Fortsatz setzt einer der Kaumuskeln (M. temporalis) an. Im Kiefergelenk (Articulatio temporomandibularis) selbst findet eine Bewegung zwischen dem Gelenkfortsatz des Unterkiefers und einer Grube (Gelenkgrube) an der Unterseite des Schläfenbeins (Os temporale) statt. Dieses Gelenk enthält zusätzlich eine Knorpelscheibe (Discus), die das Gelenk in zwei Kammern unterteilt. Die im Kiefergelenk möglichen Bewegungen sind Heben und Senken des Unterkiefers (entsprechend Schließen und Öffnen des Mundes) sowie Schiebe- und Mahlbewegungen. Für diese Bewegungen zuständig sind die Kaumuskeln, deren Hauptfunktion der Kieferschluss ist (dafür zuständig sind der M. masseter, der M. temporalis und der M. pterygoideus medialis). Die Kieferöffnung wird durch den M. pterygoideus lateralis eingeleitet, der Rest erfolgt durch die Schwerkraft bzw. die nachlassende Spannung der Schließmuskeln. Die Kaumuskeln werden von einem Ast des N. trigeminus innerviert.

Die mimischen Muskeln befinden sich in einer oberflächlichen Schicht unter der Haut des Gesichts, Kopfes und Halses. Ein großer Teil dieser Muskeln hat neben anderen Funktionen (z. B. ›Mimik‹, Lidschluss) eine wichtige Aufgabe bei der Artikulation; dies sind vor allem die Muskeln im Bereich der Lippen und des Mundes (Mundöffnung, Mundschluss) und der Wangen. Für den Mundschluss verantwortlich ist der M. orbicularis oris, für die Mundöffnung ein radiär um den Mund herum angeordnetes Muskelsystem. Das muskuläre Zentrum der Wangen bildet der M. buccinator. Die mimischen Muskeln werden von Ästen des N. facialis versorgt. Bei Lähmungen dieses Nerven (Fazialisparese) kommt es u. a. zu Artikulationsstörungen.

Die Mundhöhle ist von Mundschleimhaut (mehrschichtiges Plattenepithel mit Drüsen) ausgekleidet und in einen Vorhof (Vestibulum) und die eigentliche Mundhöhle (Cavitas oris) gegliedert. Diese beiden Abschnitte sind durch die entsprechenden Fortsätze des Ober- und Unterkiefers mit den dort enthaltenen Zähnen getrennt. Die äußere Begrenzung des Vorhofs bilden Lippen und Wangen. Bei der eigentlichen Mundhöhle ist der Mundboden (Diaphragma oris) die Begrenzung nach unten sowie der harte und weiche Gaumen die Begrenzung nach oben. Nach hinten ist die Mundhöhle über die Schlundenge (Isthmus faucium) mit dem Mesopharynx verbunden. Lippen (Labia oris) und Wangen Buccae sind von Haut bzw. Mundschleimhaut bedeckt und enthalten im Inneren entsprechende mimische Muskeln. An verschiedenen Stellen der Mundhöhle bzw. ihres Vorhofs münden Ausführgänge der großen Speicheldrüsen, die zusammen mit weiteren kleinen, oft einzelligen Drüsen den Mundspeichel bilden. Die großen Speicheldrüsen sind: Ohrspeicheldrüse (›Parotis‹), Unterkieferdrüse (Submandibularis) und Unterzungendrüse (Sublingualis). Der Mundspeichel hat Funktionen bei der Nahrungsaufnahme, der Abwehr sowie beim Schmecken und erleichtert die Artikulation.

Die Zähne sind über den Zahnhalteapparat federnd in Vertiefungen (Alveolen) der entsprechenden bogenartigen Knochenfortsätze (Alveolarfortsätze) des Oberkiefers (Maxilla) und Unterkiefers (Mandibula) eingebaut. An jedem Zahn lassen sich Krone, Hals und Wurzel unterscheiden. Ein Zahn besteht neben der Zahnhöhle vor allem aus Hartgewebe (Dentin), das im Bereich der Zahnkrone von Zahnschmelz (Enamel) überzogen ist. Der Zahnhalteapparat (Parodontium) besteht aus dem Zement (eine besondere Knochenform am Zahnhals und an der Zahnwurzel), der Wurzelhaut (Periodontium), dem Alveolarknochen und dem Zahnfleisch (Gingiva).

Beim Milchgebiss zählt man 20 Zähne (4 x 5), in jedem der vier Quadranten zwei Milchschneidezähne, ein Milcheckzahn und zwei Milchmolaren. Beim erwachsenen Gebiss sind es in der Regel 32 Zähne (4 x 8), also pro Quadrant zwei Schneidezähne, ein Eckzahn, zwei Prämolaren und drei Molaren (Mahlzähne). Der Durchbruch der Milchzähne findet durchschnittlich zwischen dem 7. Und 24. Lebensmonat statt, der Zahnwechsel erfolgt zwischen dem 7. Lebensjahr und der Pubertät (mit Ausnahme der ›Weisheitszähne‹, die sehr viel später, teilweise gar nicht durchbrechen).

Der Mundboden (Diaphragma oris) bildet die untere Begrenzung der Mundhöhle und besteht im Wesentlichen aus einer etwa horizontal stehenden Muskelplatte (Diaphragma oris). Der Hauptmuskel wird als M. mylohyoideus bezeichnet und hat Verbindungen zum Zungenbein. Die Muskeln des Mundbodens haben u. a. Funktionen bei der Mundöffnung, bei Bewegungen der Zunge (dienen als ›Widerlager‹ der Zunge) und des Kehlkopfs.

Die Zunge (Lingua, Glossa) besteht neben etwas Bindegewebe und einigen Drüsen aus Skelettmuskulatur und ist von Mundschleimhaut überzogen. Bei der Skelettmuskulatur unterscheidet man einmal von außen in die Zunge eindringende Außenmuskeln, die der Beweglichkeit der Zunge dienen, von im Zungenkörper enthaltenen sog. Binnenmuskeln, die für die Verformbarkeit der Zunge verantwortlich sind. Die wichtigsten Außenmuskeln sind: M. genioglossus, M. hyoglossus und M. styloglossus). Die Binnenmuskeln verlaufen in allen