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Origianlausgabe, 1. Auflage 2017
 
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Redaktion: Petra Holzmann
Umschlaggestaltung: Luisa Dickhoff
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Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern
 
ISBN Print 978-3-86882-722-4
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-990-9
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-989-3
 
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Für Svea und Alexis

 
 
 
 
 

»Im 21. Jahrhundert sind IVF und ICSI so selbstverständliche, weitverbreitete Verfahren, dass diese Formen der Zeu­gung inzwischen eher als Variante na­türlicher Empfängnis betrachtet wer­den, nicht mehr als deren Gegensatz.«

Andreas Bernard

 

 

»Im Grunde geht es doch um die Frage:
Ist eine Nichtexistenz einer Existenz mit einem gewissen Defizit – nämlich keinen präsenten Vater in der Kindheit – vorzuziehen?«

Matthias Bloechle

 
 
 
 

Inhalt

Vorwort
Single-Mums – ein neues Phänomen
Von der Hausfrauenehe zur selbstbestimmten Mutterschaft
Wie eine Generation Beziehungen abschafft
Welche medizinischen Möglichkeiten haben wir?
Was dürfen wir rechtlich?
Was können wir moralisch verantworten?
Gewappnet für den Alltag
Von unglücklichen Müttern lernen
Vom Kinderwunsch lösen?
Fazit: Dann mache ich es halt alleine!
Dank
Anmerkungen
Literatur
 
 
 
 

Vorwort

»Dann mach ich es halt allein!« Soll heißen: »Dann ­bekomme ich eben alleine ein Kind – ohne Mann!« Es gibt immer mehr Frauen, die ohne Partner, mithilfe künstlicher Befruchtung schwanger werden und ein Kind bekommen wollen, die es leid sind, Jahr um Jahr auf den richtigen Mann zur Familiengründung zu warten, der vielleicht nie oder, wenn doch, dann eventuell zu spät kommen wird, die ihre biologische Uhr so laut ticken hören, dass sie sie nicht mehr überhören können. Frauen, die planen, ohne Mann ein Kind zu bekommen und großzuziehen, nennt man »Single Mothers by Choice«.

Einige prominente Frauen wie Mónica Cruz haben es vorgemacht: Die Schwester der Schauspielerin Penélope Cruz wollte nicht länger auf den richtigen Mann warten. Daher hat sich die 36-jährige Singlefrau dazu entschlossen, sich künstlich befruchten zu lassen und alleine ein Kind zu bekommen.

Auch in Deutschland gibt es immer mehr Singlefrauen, die ihre Familienplanung in die eigenen Hände nehmen. Das rührt daher, dass wir zum einen mittlerweile schlicht die medizinischen Möglichkeiten haben, einer Frau, die keinen Partner hat, auch ohne Geschlechtsverkehr zu einer Schwangerschaft zu verhelfen.

Zum anderen leben wir in einer Gesellschaft, in der sich unsere Vorstellungen von Familie und Liebe, von Bindungen und Beziehungen in einem starken Wandel befinden. Bisherige Beziehungs- und Familienformen lösen sich allmählich auf bzw. weichen einer Bandbreite an neuen Formen des Zusammenlebens. Insbesondere junge Männer haben häufig kein starkes Interesse mehr an festen Beziehungen oder Kindern. Sex, Liebe und Fortpflanzung werden dadurch voneinander entkoppelt. Dies sehen Soziologen beispielsweise nicht etwa als ein individuelles Problem. Es handelt sich nicht um ein persönliches Versagen oder um Ursachen, die bei einzelnen Personen zu suchen wären. Der Wandel der Beziehungsformen ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung und ein Phänomen der Moderne.

Diese Feststellung kann für Frauen, die keinen Partner zur Familiengründung finden, auch eine Entlastung sein. Sie haben nicht etwa als Frau und Individuum »versagt«, es sind die gesellschaftlichen Strukturen und der Wandel unserer Beziehungsvorstellungen, die es zunehmend schwerer machen, eine klassische Familie zu gründen.

Andererseits muss man auch sehen, dass es zwar früher ein gesellschaftlicher Standard war, einen Partner zu finden und mit ihm Kinder zu bekommen und als Kleinfamilie zusammenzuleben. Doch anders als heute hatten früher viele Menschen auch nicht die freie Wahl. Oftmals wurden aus ökonomischen Gründen Familien gegründet. Auch der gesellschaftliche Zwang, sich entsprechend der unausgesprochenen Regeln des Familien- und Liebeslebens zu verhalten, übte einen starken Druck auf die Männer und Frauen aus. Das Thematisieren der Schwierigkeiten von Frauen bei der Partnersuche darf also nicht dazu führen, dass wir vergangene Zeiten verklären und idealisieren, in denen oft mehr Unfreiheit als heute herrschte.

Gleichzeitig wurden in den letzten 20 Jahren neue Repro­duk­tionstechniken entwickelt und immer geläufiger. Die künst­liche Befruchtung von Frauen mittels einer Samenspende ist mittlerweile ein Standard-Verfahren. Während sich also auf der einen Seite viele Männer zwischen 30 und 40 noch nicht bereit für eine feste Bindung oder ein eigenes Kind fühlen, bietet die Medizin auf der anderen Seite Frauen mit Kinderwunsch eben diese Möglichkeit: das Zeugen von Nachwuchs auch ohne Partner.

 

Die Elternschaft wird damit in einen sozialen und einen biologischen Teil aufgespalten. Zum einen gibt es den Part der Elternschaft, der rein biologisch ist und nur beinhaltet, wer das Kind gezeugt und (bei den Frauen) ausgetragen hat. Wobei durch die Eizellspende und Leihmutterschaft auch hier nochmals eine weitere Trennung von biologischer Mutterschaft und der Schwangerschaft im Körper der Leihmutter möglich ist. Bei der sozialen Elternschaft handelt es sich um die engsten Bezugspersonen der Kinder, die sie großziehen und sich um sie kümmern.

Während im Falle der Single-Mums die Mütter sowohl ihre soziale als auch ihre biologische Funktion ausüben, fungiert der Vater lediglich als biologischer Elternteil. Diese Trennung der Funktionen wurde durch den gesellschaftlichen Wandel des Familienbildes vorangetrieben.

Im Falle einer Trennung und Scheidung der Eltern kommt es häufig zu einer Trennung von sozialer und biologischer Elternschaft. Dabei muss es sich um keine strikte Trennung handeln, bei welcher der biologische Vater beispielsweise keinerlei Elternaufgaben mehr übernimmt und ein neuer Partner der Mutter diese Rolle einnimmt. Häufig handelt es sich eher um das Verschwimmen der Grenzen, wenn Kinder beispielsweise ihren biologischen Vater deutlich seltener sehen als den Stiefvater, der mit ihnen zusammenlebt.

Bewusst die Trennung von biologischer und sozialer Vaterschaft herbeizuführen, wurde durch den medizinischen Fortschritt ermöglicht. Und so scheint es in Zeiten, in denen Frauen Schwierigkeiten haben, bindungswillige Männer für eine Familiengründung zu finden, und in der es immer anerkannter wird, soziale und biologische Elternschaft voneinander zu trennen, nur folgerichtig, dass Frauen auf die neuen Reproduktionstechniken zurückgreifen wollen. Es ist das selbstbestimmte Bewältigen eines biografischen Problems, wenn Frauen entscheiden, erst einmal als Single Mutter werden zu wollen, bevor es womöglich gar nicht mehr geht. Dieser Ausweg aus der drohenden ungewollten Kinderlosigkeit ist zu begrüßen, denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass für Frauen eine biologische Uhr tickt, die auf die veränderten und womöglich späteren und selteneren Beziehungsabsichten von Männern keine Rücksicht nimmt. Für manche Frauen kann diese Herausforderung ausschließlich reproduktionsmedizinisch gemeistert werden.

In sehr vielen Fällen leben Familien ohnehin nicht ein Leben lang im selben Familienmodell. Phasen, in denen die Eltern ein Paar sind und täglich zusammenleben, wechseln sich ab mit Phasen, in denen die Eltern getrennt sind oder ein Elternteil aus beruflichen Gründen häufigere und längere Abwesenheitszeiten hat. Manche Familien durchlaufen eine partnerschaftliche Phase, eine Zeit, in der Mutter oder Vater alleinerziehend sind, und erleben schließlich noch einen Abschnitt, in welchem die Eltern neue Partner haben oder sogar mit Partnern liiert sind, die selbst Kinder mit in die Beziehung bringen. Bei den Single-Mums ist lediglich die Reihenfolge eine andere. Sie sind zu Beginn der Elternschaft zunächst alleinerziehend. Bei vielen schließt sich jedoch irgendwann auch eine Partnerphase an. Insofern sollte das Modell der künstlich befruchteten Singlemütter auch nicht als Gegenmodell zur herkömmlichen Familie verstanden werden. Lediglich die Reihenfolge ihres Beziehungszustandes ist anders geordnet. Es ist also höchste Zeit, diese Familienform als mögliche Alternative und als willkommene Lösung für viele Frauen zu erachten!

Die Lebensqualität von Frauen, die hier selbstbestimmt ihre Lebensweise wählen können, steigt dadurch enorm. Sie sind nicht länger Opfer der Umstände. Sie können ihren Lebensweg ganz ohne Druck selbst gestalten. Sie müssen nicht darüber verzweifeln, dass die Männer, die sie kennenlernen, keine Beziehung im klassischen Sinne mit ihnen führen wollen oder das Kinderkriegen ablehnen. Das gesellschaftliche und biologische Korsett fällt weg und auch die Partnerwahl muss nicht mehr von der Frage »Ist dies ein potenzieller Vater?« bestimmt werden. Die Zeiten, in denen Frauen mit jemandem eine Kompromiss-Partnerschaft eingegangen sind, der ihnen nicht wirklich gefiel, nur um einen Mann zum Zeugen von Nachwuchs zu haben, sollten im 21. Jahrhundert vorbei sein! Dieses Buch soll denjenigen Frauen, für die das Leben als Single-Mum eine Alternative darstellt, Mut machen, ihren eigenen Weg zu gehen!

Christina Mundlos, Januar 2017

 
 
 
 

Single-Mums – ein neues Phänomen

Frauen bekommen in vielen westlichen Ländern – so auch in Deutschland – immer später Kinder.1 Das hat zum einen den Grund, dass Frauen häufig erst einmal beruflich Fuß fassen, Karriere machen oder nach einer langen akademischen Ausbildung zumindest einige Jahre erwerbstätig sein wollen, bevor sie eine Familienphase planen. Schließlich bedeutet die Geburt eines Kindes in den meisten Fällen nach wie vor, dass die Mutter für einige Jahre aus ihrem Beruf aussteigt.

Zum anderen haben wir es gesamtgesellschaftlich mit dem Phänomen zu tun, dass feste Bindungen seltener, zögerlicher und zeitlich später eingegangen werden als in den Generationen vor uns. Denn Frauen und Männer fühlen sich auch später erwachsen, als dies noch vor 50 Jahren der Fall war – das heißt, die »Adoleszenzphase« hat sich deutlich verlängert. Insbesondere wurde eine Bindungsunwilligkeit vieler Männer zwischen 20 und 40 Jahren im gesellschaftlichen Diskurs von verschiedenen Experten beobachtet, analysiert und die »Generation Beziehungsunfähig« ausgerufen.2 Ratgeber über Bin­dungsstörungen und Coaching-Programme für Frauen, die einen Mann in eine Beziehung lotsen wollen, haben Hochkonjunktur.

Gerade feste Beziehungen zwischen Mann und Frau wurden bislang in der Regel als Grundvoraussetzung für die Gründung einer Familie angesehen. Ohne Partner, keine Kinder – lautete das unausgesprochene Credo. Wenn viele Menschen eine feste Partnerschaft jedoch als Grundvoraussetzung für das Zeugen von Nachwuchs ansehen und feste Beziehungen immer zögerlicher eingegangen werden, dann bekommen Männer und Frauen auch erst später Kinder.

Die Medizin macht’s möglich

Aus biologischer Sicht sind insbesondere den Frauen bei der Entscheidung, wie weit sie die Familiengründung zeitlich nach hinten schieben, Grenzen gesetzt. Deswegen gibt es immer mehr Frauen ab Ende 20, die verzweifelt nach einem passenden Partner Ausschau halten, weil sie ihren Kinderwunsch realisieren wollen, solange ihnen das noch möglich ist.

Nun aber hat der medizinische Fortschritt bei den künstlichen Befruchtungen in den letzten Jahren dazu geführt, dass ein Partner theoretisch und praktisch nicht mehr absolut notwendig ist, wenn eine Frau ein Kind bekommen möchte. Diese medizinische Errungenschaft macht zum Beispiel eine Elternschaft für Paare möglich, bei denen der Mann aus gesundheitlichen Gründen keine Kinder zeugen kann. Auch für weibliche homosexuelle Paare wird eine Familiengründung so umsetzbar. Die Erfüllung des Kinderwunsches hängt also generell nicht mehr davon ab, ob eine Frau einen geeigneten Partner gefunden hat. Bleibt die Partnersuche erfolglos, muss eine Frau ihre Pläne zur Familiengründung nicht mehr zwingend ad acta legen. Frauen können gezielt auch als Single Mutter werden – mit der Unterstützung von Samenspende und künstlicher Befruchtung. Aus medizinischer Sicht ist es also möglich, alleinstehenden Frauen in den allermeisten Fällen zu ihrem gewünschten Kind zu verhelfen.

In Deutschland wird allerdings eine künstliche Befruchtung bei ledigen Frauen in den meisten Praxen nicht durchgeführt. Wegen rechtlicher Bedenken empfiehlt die Bundesärztekammer sogar, diesen Eingriff ausschließlich bei verheirateten Frauen und bei Frauen durchzuführen, die nachweislich in einer festen Partnerschaft mit einem Mann leben.3 Dass sich der Passus in den Richtlinien der Bundesärztekammer nicht ausschließlich auf verheiratete Frauen beschränkt, ist natürlich zu begrüßen, da es ohnehin immer mehr Paare gibt, die ohne Trauschein zusammenleben wollen. Auch werden zunehmend Kinder von unverheirateten Eltern gezeugt. Diese Lebensrealität hier anzuerkennen, ist selbstverständlich sinnvoll. Dennoch enthält der Passus die Bedingung, dass nichtverheiratete Frauen in einer festen Partnerschaft leben müssen. Wie genau Ärzte diese überprüfen sollen, ob es genügt, wenn eine Frau mit einem Mann zusammenwohnt, geht aus den Vorgaben der Bundesärztekammer nicht hervor. Insofern bleibt diese Richtlinie schwammig und wenig praxisbezogen. Was die Formulierung jedoch ganz deutlich zeigt, ist: Singlefrauen sollen nicht durch künstliche Befruchtung Kinder bekommen.

Eine Frau könnte allerdings in einer festen Partnerschaft leben oder verheiratet sein, sich künstlich befruchten lassen, und kurz nach der Einnistung des Embryos könnte die Partnerschaft bereits in die Brüche gehen. Sie wäre von Beginn an alleinerziehend. Dieses Szenario scheint den Medizinern erträglich. Es lässt sich ja auch schlicht nicht ausschließen. Doch dass eine Frau von Beginn an plant, auf eigene Faust und ohne Partner ein Kind zu bekommen und damit zumindest vorerst alleinerziehend sein wird, wird nicht akzeptiert. Diese Unterscheidung scheint willkürlich gewählt.

Obwohl alleinlebende Frauen mit Kinderwunsch in Deutschland noch auf Widerstände stoßen, wagen immer mehr Singlefrauen den Schritt und reisen entweder in eine der wenigen deutschen Kinderwunsch-Praxen, die die Vorgaben der Bundesärztekammer ignorieren und Singles behandeln, oder sie fahren dafür ins Ausland. So ist es beispielsweise in den USA, in Spanien, in Dänemark oder Belgien kein Problem, als Alleinstehende per künstlicher Befruchtung schwanger zu werden.

Wie viele Frauen in Deutschland inzwischen als Single künstlich befruchtet wurden und wie viele Kinder aus solchen Eingriffen hervorgingen, wurde leider noch nicht statistisch erhoben. Es gibt nur eine allgemeine Statistik über Kinder aus künstlicher Befruchtung vom DIR, dem deutschen Register für künstliche Befruchtung. Demzufolge kamen zwischen 2001 und 2013 jährlich durchschnittlich 12 852 Kinder zur Welt.4

Da nicht jede Befruchtung mit einer Schwangerschaft und nicht jede Schwangerschaft mit der Geburt eines Kindes endet, gibt es bedeutend mehr künstliche Befruchtungen pro Jahr. Die meisten Eingriffe werden jedoch bei Frauen, die in Partnerschaften leben, vorgenommen.

Single-Mums verfolgen ihre Wünsche

Während ein intensiver Kinderwunsch bei Frauen, die in einer Partnerschaft leben, gesellschaftlich völlig akzeptiert ist, rühren Singlefrauen damit offenbar immer noch an einem gewissen Tabu – insbesondere, wenn sie die Familiengründung alleine angehen wollen.

Es ist jedoch allgemein bekannt, dass der Wunsch nach Nachkommen weitverbreitet und tief in vielen Menschen verwurzelt ist. Weshalb scheint es also manchen so unvorstellbar, dass Frauen diesen Wunsch auch außerhalb einer Ehe oder Partnerschaft verspüren? Was sind das für Frauen, die versuchen möchten, ohne Partner ein Kind zu bekommen? Über sie gibt es viele Vorurteile. Besonders gängig ist das Bild der Karrierefrau, die mit Ende 30 plötzlich bemerkt, dass sie zwar einen tollen Job hat, sich aber darüber hinaus auch eine Familie wünscht. Diese Frauen werden dann gerne als unweiblich und kalt beschrieben. Es wird vermutet, sie hätten sich so sehr auf materielle Werte und ihre eigene berufliche Entwicklung fokussiert, dass sie ihre menschlichen Bedürfnisse nach sozialer Interaktion, Liebe, Nachkommen etc. vernachlässigt oder verdrängt hätten. Häufig wird auch gemutmaßt, dass es sich dabei um einen Effekt der Emanzipation handelt. Frauen würden quasi ihre vermeintlich urweiblichen Instinkte ausblenden, um angepasst an die raue Männerwelt einen vermännlichten Lebensentwurf zu verfolgen. Später würden ihnen dann ihre verdrängten weiblichen Anteile wieder bewusst werden, wenn die biologische Uhr bereits fünf vor zwölf anzeigt.

Doch es ist ein anachronistisches und frauenfeindliches Frauenbild, das hinter solchen Vermutungen steckt. Die vielen Berichte von und über Singlefrauen, die den Schritt gewagt haben und sich künstlich befruchten ließen, widerlegen dieses Vorurteil. Es sind Frauen von Mitte 30 bis Mitte 40, die meist schon sehr lange einen großen Kinderwunsch hatten, aber für die Familiengründung einfach nicht den richtigen Partner gefunden haben.5 Kinder gehörten für sie schon immer zu ihrem Lebensentwurf dazu. Dass der Kinderwunsch dieser Frauen besonders stark gewesen sein muss, verwundert nicht. Schließlich waren sie auch bereit, viele Belastungen und Einschränkungen zur Realisierung dieses Wunsches auf sich zu nehmen.

Des Weiteren sind es Frauen, die große Angst davor haben, ihrem Traummann erst zu begegnen, wenn es für ein Kind bereits zu spät ist – weil die biologische Uhr dann abgelaufen ist. Diese Angst bestätigt auch Hollywood-Star Mónica Cruz, die sich als prominenter Single künstlich befruchten ließ: »Das hätte mich zur unglücklichsten Frau der Welt gemacht.«6

Das Bild von der Karrierefrau, die ihren Kinderwunsch zu lange ignoriert hat, trifft bei den allermeisten Frauen, die den Schritt gewagt haben oder wagen wollen, jedenfalls nicht zu. Bei allen Schilderungen von Singlefrauen, die mit dem Gedanken spielen, sich künstlich befruchten zu lassen oder die dies bereits getan haben, wird deutlich, dass sie den Kinderwunsch nie zugunsten des Jobs außer Acht gelassen hatten. Er war durchgängig präsent als eine starke Sehnsucht. Auch Beschreibungen Dritter, die Singlemütter zu ihrer künstlichen Befruchtung interviewt haben, oder die Beobachtungen von Fortpflanzungsmedizinern zeigen: Frauen, die überlegen, allein Mutter zu werden, sind nicht jahrelang die Karriereleiter emporgeklettert, ohne sich um ihr Privatleben zu kümmern, und eines Tages mit 39 aufgewacht, um zu bemerken, dass sie nun doch noch ein Kind bekommen möchten. Es sind in aller Regel Frauen, die seit ihrer Jugend geplant hatten, eine Familie zu gründen. Sie haben sich nach Partnern mit Vaterqualitäten umgesehen und sind dann nach langer Suche einfach nur verzweifelt, weil ihnen die Zeit davonläuft und sie keinen geeigneten Partner finden können. Es sind Frauen, die sich aber nicht so leicht von ihren Träumen verabschieden wollen und deshalb ganz selbstbewusst ihr Glück selbst in die Hand nehmen.

In einer Vergleichsstudie zwischen den USA und Großbritannien wurden die Single-Mums als »heterosexuelle, weiße, gebildete, finanziell gut gestellte Frauen über 35 Jahre«7 charakterisiert. Aus den Untersuchungen und Befragungen in Deutschland geht hervor, dass sich hier ein ganz ähnliches Bild zeigt. Es verwundert natürlich nicht, dass die Single Mums by Choice finanziell sehr gut gestellt sind. Allein die teuren Befruchtungsbehandlungen finanziell zu stemmen, dann ein Kind allein großzuziehen und womöglich bis es erwachsen ist, allein für die Finanzierung der Familie aufzukommen, ist eine enorme finanzielle Belastung. Das heißt, dass es sich von vornherein nur gut situierte Frauen überhaupt leisten können, sich als Single künstlich befruchten zu lassen.

Familie 2.0

Der richtige Partner fehlt – ein Punkt, der von Frauen zwischen 30 und 40 immer wieder angeführt wird. Neben den Singlefrauen, die ein Kind auf eigene Faust bekommen haben, gibt es eine Vielzahl von Singlefrauen, die immer noch beklagen, dass sie gerne eine Familie gegründet hätten, aber keinen passenden Mann für ihr Vorhaben gefunden haben. Da nicht jede Frau, die einen Kinderwunsch, aber keinen potenziellen Vater an ihrer Seite hat, den Weg geht, sich künstlich befruchten zu lassen, ist die Anzahl der Frauen, die von dieser Problematik betroffen sind, noch deutlich größer. Es betrifft viele Frauen zwischen Anfang 30 und Anfang 40.

Bei einer Allensbach-Umfrage zum Kinderwunsch und zur Kinderlosigkeit im Jahr 2012 stellte sich heraus, dass ganze 40 Prozent der Kinderlosen als Grund für ihre Kinderlosigkeit angaben, (noch) nicht den richtigen Partner für die Umsetzung ihres Kinderwunsches gefunden zu haben.8

Fast alle Frauen, die sich entschließen, sich als Single künstlich befruchten zu lassen, hatten sich ursprünglich eine klassische Familie gewünscht. Die Single-Mutterschaft ist also lediglich Plan B. Der Begriff Single Mothers by Choice, der sich in den USA etabliert hat, trifft es also nicht ganz. Er bedeutet übersetzt ungefähr »freiwillige Singlemütter« oder »gewählte Single-­Mutterschaft«. Doch letztlich ist der Weg, allein eine Familie zu gründen, meist nicht die erste Wahl. Es bleiben Frauen mit einem großen Kinderwunsch und ohne Partner keine anderen Möglichkeiten, ihren Wunsch zu realisieren und sich ihre Sehnsucht nach einem Kind zu ­erfüllen.

Was führt nun dazu, dass eine Frau mit Kinderwunsch und ohne Mann den Schritt wagt und allein eine Familie gründet? In aller Regel wird die Entscheidung zur künstlichen Befruchtung von Singlefrauen nicht leichtfertig getroffen. Bei fast allen Frauen ging eine langwierige Phase der Entscheidungsfindung voraus. Sie wägten die finanziellen Risiken, die Ein­schränkungen im Alltag als Alleinerziehende, aber auch die körperlichen und psychischen Belastungen der Befruchtungen ab. Manche suchten sogar eine Beratung oder ein Coaching auf, um ihrem Kinderwunsch auf den Grund zu gehen.

Aus den Berichten der Frauen geht hervor, dass es sich keine der Frauen leicht gemacht hat und sie sehr lange die Vor- und Nachteile, Risiken und Nebenwirkungen, und die verschiedenen Einflüsse sowie Auswirkungen auf ihr Leben gegeneinander abgewogen haben, bevor sie eine Entscheidung trafen.

Viele Singlefrauen mit Kinderwunsch ließen sich therapeutisch beraten, zum Beispiel von der Familientherapeutin Petra Thorn. Auch sie empfiehlt den Frauen, sich ausgiebig mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sie über genügend emotionale, soziale und finanzielle Ressourcen verfügen. Sie sieht jedoch auch Vorteile bei den Singlefrauen im Vergleich zu Frauen in einer Partnerschaft, die sich künstlich befruchten lassen, weil aus gesundheitlichen Gründen eine Schwangerschaft auf einem anderen Wege nicht zu erreichen ist. Denn was für die Singlefrauen sicher deutlich leichter und psychisch weniger belastend ist, ist die Tatsache, dass sie sich nicht im Vorfeld mit einer Unfruchtbarkeit auseinandersetzen müssen.

Die Fortschritte in der Reproduktionsmedizin entlasten aber nicht nur diejenigen, die tatsächlich Single-Mum werden. Für viele Frauen ab Ende 20 ist es bereits erleichternd zu wissen, dass sie nicht zwanghaft einen Partner zur Familiengründung suchen müssen. Immer mehr Frauen wird klar, dass ihnen auch im Fall einer erfolglosen Partnersuche nicht unbedingt die Kinderlosigkeit droht. Sie haben einen Plan B in der Hinterhand und können dadurch auch wieder entspannter in die Zukunft blicken.

In den folgenden Kapiteln wird genauer beschrieben, was Mutterschaft heute überhaupt heißt, was die aktuellen He­rausforderungen von Müttern und Familien sind und inwiefern sich unsere Vorstellungen von Elternschaft und Familienleben verändert haben. Es geht besonders um die Erwartungen und Ansprüche, die die Gesellschaft heutzutage an Mütter stellt, und darum, dass aus der Mutterschaft inzwischen eine Wissenschaft gemacht wird. Im Anschluss wird auf die sogenannte »Generation Beziehungsunfähig« eingegangen und das Beziehungsverhalten der 20- bis 50-Jährigen insbesondere im Hinblick auf die Schwierigkeit, einen Partner für die Familiengründung zu finden, beschrieben. Zudem wird auf die Frage eingegangen, ob die Ursachen für den Wandel des Beziehungsverhaltens vielleicht in psychischen Krankheiten zu suchen sind. Bindungsstörungen werden von vielen Experten immer häufiger beschrieben. Im vierten Kapitel wird die Entwicklung der medizinischen Errungenschaften auch historisch nachgezeichnet. Wie haben sich die Möglichkeiten der Befruchtungsmedizin in den letzten 200 Jahren entwickelt? Hier werden die genauen medizinischen Möglichkeiten, die verschiedenen Eingriffe und der jeweilige Ablauf, die Chancen, die Kosten sowie die Nebenwirkungen einer künstlichen Befruchtung erläutert.

Doch es sind nicht nur die medizinischen Details, über die sich Frauen vor einer künstlichen Befruchtung informieren sollten. Es bestehen auch eine Menge rechtlicher Fragen, auf die im Buch eingegangen werden soll. Wie sieht es mit Arbeitnehmerrechten und Mutterschutz nach einer künstlichen Befruchtung aus? Wer ist nach einer Samenspende der rechtliche Vater? Hat ein Samenspender Vaterpflichten oder -rechte? Welche Rechte haben die Kinder gegenüber dem Vater? Dürfen sie ihn kennenlernen? Haben sie finanzielle Ansprüche? Diese und weitere juristische Fragen sollen umfassend im fünften Kapitel beantwortet werden. Zudem wird geklärt, wie sich die rechtliche Lage in den europäischen Ländern jeweils unterscheidet und in welchen Ländern ledige Frauen künstlich befruchtet werden. Neben den rechtlichen Fragen werde ich auch auf moralische Fragen eingehen. Welche Verantwortung haben wir beispielsweise den Kindern gegenüber?

Nach diesen eher sachlichen Betrachtungen kommt der Alltag von Alleinerziehenden in den Blick und es werden die Herausforderungen alleinstehender Mütter beschrieben. Wobei speziell auf den Unterschied zwischen der Lage von Müttern, die durch eine Trennung nach der Geburt des Kindes alleinerziehend wurden, und den Single Mums by Choice eingegangen wird. Die Intention dieses Buches soll jedoch nicht sein, Empfehlungen auszusprechen oder zu moralisieren, sondern Denkanstöße zu geben und Betrachtungsweisen aufzuzeigen. Dabei wird es ganz allgemein darum gehen, ob jede (medizinische) Möglichkeit auch genutzt werden darf oder sollte bzw. inwiefern jede Einzelne für sich diese Frage beantworten kann. Darf man geplant von Beginn an sich und dem Kind eine so schwierige Lebenssituation zumuten? Und umgekehrt gefragt: Wie sehr denken wir abwertend und stereotypisierend über Alleinerziehende, sodass wir dieses Lebensmodell – wenn es bewusst geplant werden soll – versuchen zu verhindern? Was können wir aus der Debatte um künstliche Befruchtung von Ledigen generell über unser Familienbild lernen? Aber auch die Perspektive der Spenderkinder soll besonders betrachtet werden. Welche Fragen werden die Kinder später stellen? Wie will und kann man auf Fragen nach dem Ursprung antworten? Zudem müssen Frauen, die planen, von Beginn an alleinerziehend zu sein, mit einer gesellschaftlichen Ausgrenzung und Stigmatisierung rechnen, die sie selbst, aber auch später das Kind treffen kann. Dies gilt es in die Überlegungen zur künstlichen Befruchtung mit einzubeziehen. Daher schließt sich die Frage an: Was ist das Beste fürs Kind? Auch die Situation der Mütter wird in den Fokus genommen: Wer kümmert sich eigentlich um sie? Wer sorgt sich um ihr Wohlergehen? Wer begleitet sie – auch therapeutisch – während des Entscheidungsprozesses und während der Befruchtungsbehandlungen?

Schließlich komme ich auch auf unglückliche und bereuende Mütter zu sprechen. Hier geht es vor allem um die Belastungen von Eltern. Elternschaft ist auch in einer Partnerschaft oft anstrengend, schwierig und kostet Zeit, Geld und Nerven. Dies gilt für Alleinerziehende erst recht. Die Belastungen von Eltern und von Alleinerziehenden sollten nicht unterschätzt werden. Dabei sind die meisten Alleinerziehenden erst nach einigen Jahren alleinerziehend und zuvor, in den ersten Lebensjahren des Kindes, noch in einer Partnerschaft. Zudem haben viele alleinerziehende Mütter durchaus Unterstützung vom Vater – selbst wenn das »nur« bedeutet, dass er alle zwei Wochen das Kind ein Wochenende lang betreut und sie finanziell unterstützt.

Es gibt unglückliche Mütter und sogar bereuende Mütter. Einige dieser Frauen hatten ebenfalls einen großen Kinderwunsch, aber sie waren nach der Geburt erschrocken über die Last der Verantwortung und der täglichen Aufgaben. Dies ist sogar bei Frauen der Fall, die in Partnerschaften leben und vom Vater des Kindes deutlich unterstützt werden. Immerhin geben 20 Prozent aller Mütter und Väter an, ihre Elternschaft zu bereuen.9 Darüber hinaus gibt es noch einen beträchtlichen Anteil der Mütter, die nicht von Bereuen sprechen würden, aber dennoch erschöpft und unglücklich sind.

Daher sollte bei der Entscheidung, ob man sich als ledige Frau künstlich befruchten lässt, auch darüber nachgedacht werden, welche Belastungen auf einen zukommen und ob der Kinderwunsch trotz dieser enormen Mehrbelastung dennoch realisiert werden sollte. Können die Vorteile, die das Leben als Mutter mit sich bringt, die Nachteile aufwiegen? Und ist das Bild, das man vom Leben mit Kind hat, überhaupt realistisch? Bei der Thematisierung des Phänomens Regretting Motherhood soll deutlich werden, unter welchem Druck Kinderlose stehen.

Das Zeugen von Nachwuchs wird trotz der Pluralisierung der Lebensformen immer noch als Standard-Lebensweise angesehen. Deshalb ist es bei der Abwägung, ob man sich als Singlefrau künstlich befruchten lässt oder eine mögliche dauerhafte Kinderlosigkeit in Kauf nimmt, auch so wichtig, den eigenen Kinderwunsch zu reflektieren und Alternativen zu überdenken. Es geht daher auch um die Fragen: Woher kommt der starke eigene Kinderwunsch wirklich? Ist das Zeugen von Nachwuchs unter der Bedingung, das Kind komplett ohne Vater aufzuziehen, erstrebenswert? Wenn nein, geht es in einem der letzten Kapitel um die Möglichkeiten, sich vom Kinderwunsch zu lösen. Wenn die künstliche Befruchtung trotz des starken Wunsches nach einem eigenen Kind für eine Frau nicht infrage kommt, wird sie einen Weg finden müssen, ihre Kinderlosigkeit zu akzeptieren und sich von ihrem Traum zu lösen. Und auch Frauen, die nach langem Abwägen der Möglichkeiten eine künstliche Befruchtung und ein Leben als Single-Mum für sich trotz Kinderwunsch ausschließen, müssen lernen, mit dem unerfüllten Wunsch umzugehen. Auch für diesen Fall sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie ein kinderloses Leben erfüllt sein kann, auch wenn der eigene Wunsch nach Nachwuchs nicht erfüllt wurde.