cover

Image

Inhalt

Vorwort von Anne Gribbons

Vorwort von Linda Parelli

Anmerkungen der Autorin

Einleitung

Wie man die Informationen in diesem Buch benutzt

Wie Dressage Naturally geboren wurde

Teil I: Das große Ganze

Was bedeutet es, natürlich zu sein?

Was ist Dressur?

Der glückliche Athlet

Der Traum vom Dressurreiten

Was ist Dressage Naturally?

Selbsthaltung: Die Neutralposition angenehm machen

Loslassen

Das Negative beseitigen, um ein positives Bild zu finden

Mentale, emotionale und physische Versammlung: ein Pferd, das bereit, willig und befähigt ist

Vor dem Schenkel

Das Physische aus der Sicht des Pferdes

Das ganz große Ganze

Voraussetzung: Eine Grundlage, die Ihnen ein großes Spielfeld gibt

Der „Sweet Spot“ von Entspannung, Energie und Balance

Flexibilität, Mobilität und Versammlungsfähigkeit

Reiten mit Anlehnung am Zügel

Teil II: Übungen

Vorbedingungen

Beurteilen Sie Ihr Pferd und seine Bewegungen

Der „Sweet Spot“: Entspannung, Energie und Balance

Entspannung

Energie

Balance

Entspannung, Energie und Balance des Menschen

Reiten mit Anlehnung am Zügel

Ausrüstung

Übergang von der Hackamore zum Gebiss

Kommunikation mittels der Zügel

Das Pferd vorwärts zur Anlehnung reiten

Handposition

Die Aufwärtsspirale: Übungen zur Flexibilität, Mobilität und Versammlungsfähigkeit

Flexibilität

Mobilität

Zulegen und starke Tempi

Versammlungsfähigkeit

Teil III: Essays für den Erfolg

Athletisches Gleichgewicht

Antizipation: Wie man einen hohen Grad an Sensibilität erreicht

9 + 1 Dialoge

Harmonie: Ein Pferd und ein Mensch teilen dasselbe Bild

Dressursuppe

„Mein Leben mit Karen“

Ausbilden, Reiten und Vorführen

Kraft und Ausdauer verbessern: Wann mehr tun, wann weniger?

Was wird Ihr Pferd zu seinen Freunden sagen?

Nutzen Sie die zur Verfügung stehenden Ressourcen – auch die Hilfe eines Dressurprofis

Diamanten im Dunkeln suchen

Frei spielen

Anhang

Danke

Verzeichnis der Übungen

Image

Karen Rohlf

 

Dressage
naturally

 

 

 

Dressur im Sinne
des Natural Horsemanship

 

 

Image

Autorin und Verlag weisen darauf hin, dass die in diesem Buch beschriebenen Trainingsmethoden keine Alternative zu professionellem Reitunterricht darstellen. Autorin und Verlag lehnen jegliche Schadensersatzforderungen ab, die auf Unfällen, Verletzungen oder sonstigen Schäden gründen, die im Zusammenhang mit einem der in diesem Buch beschriebenen Trainingsvorschläge entstanden sind. Es wird für Ungenauigkeiten oder eventuelle Fehler keine Haftung übernommen.

 

 

 

Erschienen 2007

Bei Temenos Fields, Inc., Lowell FL 32663

Titel der Originalausgabe:

Dressage, Naturally … results in Harmony

Copyright © by Karen Rohlf

Zeichnungen: Karen Rohlf, Lee Seabrook (Abbildungen 6 bis 9)

 

Aus dem Englischen von Dr. Thomas Ritter

 

Für die deutsche Ausgabe:

Copyright © 2012 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

Gestaltung und Satz: Ravenstein + Partner, Verden

Coverfoto: Peggy Finnerty

Lektorat: Maren Müller

 

Druck: Werbedruck GmbH Horst Schreckhase, Spangenberg

 

E-Book-Konvertierung: Satzweiss.com Print Web Software GmbH

 

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 

Alle Rechte vorbehalten.

 

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

 

Printed in Germany

 

ISBN 978-3-8404-1025-3

ISBN (EPUB) 978-3-8404-6096-8

ISBN (Kindle) 978-3-8404-6097-5

 

www.cadmos.de

… bedeutet die Verknüpfung der Reitkunst mit den Prinzipien des Natural Horsemanship für eine gesunde Bewegungsmechanik und stärkere Partnerschaften.

 

… bedeutet, dass der Mensch Psychologie, Kommunikation und Verständnis benutzt, um erstaunliche gymnastische Ergebnisse zu erzielen, und die Reitkunst benutzt, um die körperlichen Fähigkeiten des Pferdes zu verbessern, ohne seine mentalen und emotionalen Bedürfnisse zu vernachlässigen. Es gibt Wege, um Harmonie und Leichtigkeit zu verbessern, die Sie sich noch gar nicht vorstellen können. Unterschätzen Sie niemals dieses Potenzial.

 

 

„Das Ziel der Dressur ist, dass sich das Pferd durch eine harmonische Ausbildung zu einem glücklichen Athleten entwickelt, der gelassen, locker, geschmeidig und beweglich ist, dabei aber auch selbstbewusst, aufmerksam und willig, und der somit ein vollkommenes Einvernehmen mit seinem Reiter erreicht.“

 

Artikel 401 aus dem Regelwerk der Fédération Equèstre Internationale

 

 

Vorwort von Anne Gribbons

Vorwort von Anne Gribbons

Karen Rohlf kam in mein Leben, als sie etwa zwölf Jahre alt war, mit Brave Tom, ihrem Vollblüter von der Rennbahn. Jetzt, viele Jahre und viele Abenteuer später, ist sie gegangen, um ihren eigenen Weg zu verfolgen, und sie hat dieses Buch geschrieben, mit dem Ehrgeiz, das Dressurreiten mit den Vorstellungen des Natural Horsemanship zu vereinen. Während unserer gemeinsamen Jahre hat sie an den North American Young Rider Championships teilgenommen und dort Medaillen gewonnen, und schließlich hat sie ihr eigenes Pferd bis auf Grand-Prix-Niveau ausgebildet und vorgestellt. Etliche Jahre unterrichtete sie bei uns auf der Knoll Farm, wo sie vielen Schülern geholfen hat, ihren Weg über die Klippen und durch die Frustrationstäler der Dressurarbeit und der Turniere zu finden.

Karen ist eine großartige Lehrerin, die immer ihre eigene Meinung vertrat und ihr Wissen und ihre außergewöhnliche Intelligenz auf unorthodoxe Weise eingesetzt hat. Obwohl ich nicht begeistert war, als wir sie an Parelli „verloren“, respektiere ich dennoch ihre Wahl vollkommen, und es genügte mir, die Einleitung zu ihrem Buch zu lesen, um zu wissen, dass an der ganzen Sache vielleicht etwas dran ist. Natural Horsemanship ist meiner Ansicht nach keineswegs etwas Neues. Es existiert bereits, seit Menschen zum ersten Mal mit Pferden Kontakt hatten. Der Unterschied besteht darin, dass bis vor Kurzem niemand ein System daraus gemacht und dieses dann patentiert und vermarktet hat. Die meisten Dinge, die Karen in ihrem Buch beschreibt, sind für jeden passionierten Reiter zweite Natur, ganz gleich, aus welcher Disziplin er auch sein mag, und brauchen nicht erklärt zu werden. Aber in unserer heutigen Welt, in der manche von uns so weit von der Natur entfernt sind, brauchen wir vielleicht diese detaillierte Anleitung dafür, wie man mit Pferden kommuniziert.

Ich weiß, dass Karen nie so viele Jahre bei mir verbracht hätte, wenn sie meiner Art, mit Pferden umzugehen, nicht zustimmen würde. Dennoch ärgert es mich manchmal, wenn unterstellt wird, dass alle Reiter, die sich nicht mit Begeisterung dem Natural Horsemanship verschrieben haben, nicht wissen, wie man Pferde liebt, hegt und respektiert. Deshalb bewundere ich auch besonders die Art und Weise, wie Karen es geschafft hat, diese Einstellung in den Hintergrund zu stellen und das Positive an der Verbindung beider Systeme hervorzuheben, um vielleicht ein noch besseres Ganzes zu schaffen.

Als jemand, der gelegentlich schreibt, lese ich sehr gern, wie ein anderer Autor einen Sachverhalt darstellt, und hier sind einige meiner Lieblingsformulierungen von Karen zum Thema Dressur: „Kommunizieren Sie kleine Aufgaben so klar, dass es (Ihr Pferd) später eine große Aufgabe erfüllt und denkt, es war seine Idee.“ „Wenn Sie die Grundlagen geschaffen haben, können Sie sie auf dem Weg nach oben mitnehmen.“ Und: „Die Lektionen selbst können die dressurmäßigen Grundlagen sowohl fördern als auch auf die Probe stellen.“ Dies sind einige Perlen der Weisheit, die den meisten Trainern nicht neu sind, aber die Karen für uns als Ideen präsentiert, auf die man sich konzentrieren sollte.

Karen sagt, dass sie mit diesem Buch die Lücke zwischen traditioneller Dressur, die ihre Grundlage ist, und Natural Horsemanship, das sie nun mehrere Jahre lang studiert und weiterentwickelt hat, schließen möchte. Sie schöpft ihr Wissen aus einer gründlichen Beschäftigung mit ihrem Thema und aus der aktiven Ausübung beider Formen der Reiterei. Begeben Sie sich also auf diese Reise und erweitern Sie Ihren Horizont – es lohnt sich! Wie Karen aufzeigt, ist Dressur ein dynamischer Prozess und kein statisches Ziel.

Vorwort von Linda Parelli

Vorwort von Linda Parelli

Ich erinnere mich daran, wie Karen zum ersten Mal bei einem meiner Lehrgänge auftauchte. David Lichman, einer unserer besten Instruktoren, rief mich an und erzählte mir von ihr. Er sagte, sie würde sich schon ein wenig mit unserem Programm befassen und dass sie ihren Winter in Florida verbringen werde. Er versuchte, sie dazu zu bewegen, einen Lehrgang am Parelli Center zu besuchen, aber der finanzielle Aufwand war für sie nicht vertretbar. Daher bat er uns, sie zu fördern und ihr ein Stipendium für den Kurs zu geben, was wir dann auch taten.

Als ich Karen traf, war ich sofort von ihrer freundlichen Art angetan, etwas, das bei Dressurreitern der höheren Klassen nicht selbstverständlich ist, und ich war weiter beeindruckt von ihrem Durchhaltevermögen, auch wenn es im Lehrgang „hart“ wurde und vieles, was sie über Pferde zu wissen glaubte, infrage gestellt wurde.

Ich erinnere mich besonders lebhaft an eine Passagierlektion, bei der man hinreiten soll, wo immer das Pferd einen mitnimmt. Man soll zu einem Teil des Pferdes werden und es nicht beeinflussen, damit man fühlen kann, wie es ist, wenn man in seiner Haut steckt. Monty trug Karen schnurstracks zum Tor. Er wollte weg, und sein einziges Vorhaben war, zurück in seinen Paddock zu gehen. Das stellte Karens Geduld auf eine Zerreißprobe! Egal, wie schwierig es wurde, sie schaffte es und ging reicher und enger mit dem Herzen ihres Pferdes verbunden daraus hervor.

Manchmal stellte sie mir Fragen dazu, was dies mit Dressur zu tun habe, und manchmal stellte sie die Verbindungen selbst her, aber sie hörte nie auf zu denken und Fragen zu stellen. Als der dreiwöchige Lehrgang zu Ende war, kam Karen zu mir und sagte, sie wolle nicht wieder wegfahren. Ich sprach mit Pat darüber und er stimmte einer viertägigen Probezeit zu. Pat wollte sichergehen, dass sie wirklich bereit war, etwas zu lernen, und er wollte herausfinden, was für eine Schülerin sie sein würde. Ich musste bei ihren Geschichten im Buch lachen, wo sie sagt, dass Pat sie so sehr beschäftigte, dass sie gar nicht zum Dressurreiten kam … Das war absolut beabsichtigt! Damit aus einem Reiter ein echter Horseman wird, muss er seinen Horizont erweitern und Erfahrungen sammeln, und das ist es, was Pat beabsichtigte. Es war sicher manchmal schwer für Karen – persönliches Wachstum ist selten bequem oder angenehm, aber wenn ich ihr Buch lese, erkenne ich, wie viel das alles gebracht hat. Ihr Respekt und ihre Hochachtung für ihre Lehrer sind ebenfalls bewundernswerte Eigenschaften – niemand von uns kommt allein sehr weit.

Als ich Seite um Seite von Karens Buch las, bewunderte ich ihre Fähigkeit, so gut zu schreiben, mit so viel Gefühl und Verständnis, und natürlich kommt das daher, dass sie so tiefgründig über ein Thema nachgedacht hat, das vorher noch niemand behandelt hatte, nämlich wie Natural Horsemanship auf die klassischen Prinzipien der Dressur übertragen werden kann. Da eine gute Basis auf Liebe, Kommunikation und Führung aufbaut, sollte sie bis zu den höchsten Lektionen aufrechterhalten werden. Ich liebe es, Pferde mit einem Lächeln im Gesicht arbeiten zu sehen, und das ist bei Karens Pferden absolut der Fall – und auch bei Karen selbst. Sie ist ein wunderbares Vorbild für Studenten des Natural Horsemanship, die sich trauen, Eleganz und Feinheit auf hohem Niveau anzustreben. Das gilt sowohl für ihre Methoden als auch insbesondere für die Art und Weise, wie sie dem Pferd immer die höchste Priorität einräumt.

Herzlichen Glückwunsch zu deinem Buch, Karen. Ich hoffe, es beeinflusst viele angehende und bereits erfolgreiche Dressurreiter, natürlich zu bleiben und nie die Liebe und den Spaß zu verlieren.

Anmerkungen
der Autorin

Anmerkungen
der Autorin

Image

Ich habe das Glück, zwei Vorwörter in diesem Buch zu haben, und ich sollte wohl erklären, wie es dazu kam. Die Informationen in diesem Buch sind das Ergebnis meiner Erfahrungen in zwei scheinbar verschiedenen Fachbereichen. Wenn man etwas studiert, ganz egal, was es auch sei … das Leben, Sport, Kunst …, gibt es immer viele Perspektiven und Stile. Ein Schüler hat eine schwierige Aufgabe. Zum Lernen gehören Offenheit, Skepsis und gesunder Menschenverstand. Der Schlüssel ist die Balance. Wenn Sie sieben der weltbesten Maler anstellen, um an einem Werk zu arbeiten, dann wird es immer wie ein Wandgemälde aussehen, ganz egal, wie gut sie sind. Die Alternative ist, sich voll und ganz auf ein System zu konzentrieren. Das wird hervorragend funktionieren, bis man auf einen Umstand trifft, der von diesem speziellen System nicht berücksichtigt werden kann. Gerade Pferde sind Meister im Aufzeigen der Schwächen in jedem System! Wenn Sie mit Pferden zu tun haben, dann liegt das daran, dass Sie, bewusst oder unbewusst, gefordert werden und lernen wollen.

Das Sprichwort: „Wenn der Schüler bereit ist, wird der Lehrer erscheinen“, hat sich in meinem Leben absolut bewahrheitet. Ich hatte das Glück, von einigen Ausnahmelehrern zu lernen. Mir wurde das Geschenk zuteil, zuerst ein vollständiges, erfolgreiches System zu erlernen, und danach ein weiteres, von dem ersten grundverschiedenes vollständiges, erfolgreiches System. Im Nachhinein gesehen ist es die absolut logische Konsequenz, dass ich dieses Material aufschreibe. Dressur und Natural Horsemanship scheinen vielleicht eine merkwürdige Kombination zu sein, aber es ist das, was ich immer getan habe. Ich wusste es nur nicht.

Als ich sieben Jahre alt war, hatte meine Mutter ein Pferd, und sie ließ mich erst dann mit Sattel reiten, als ich es bereits ohne konnte. Als ich 13 war, besaß ich gemeinsam mit meiner besten Freundin Pferde. Wir ritten vorwärts und rückwärts auf dem Pferd sitzend und mit verbundenen Augen. Unser Lehrer ließ uns das Reiten ohne Zügel üben. Später hatte ich das Glück, Anne Gribbons als Lehrerin zu haben. Anne leistet einen großartigen Beitrag zur Dressurreiterei in den USA. Sie bildet aus, züchtet, importiert, unterrichtet, reitet Turniere und richtet. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurde sie gerade zur Fünf-Sterne-Richterin berufen. Es gibt keine höhere Ehre für Dressurrichter und niemanden, der sie mehr verdient.

Anne tat etwas ganz Besonderes für mich, was ich erst später als Wunder erkannte. Sie nahm ein Kind, das nichts über Dressur wusste, und ein siebenjähriges Pferd, das keine Dressurausbildung hatte, und brachte uns beide bis zum Grand Prix. Sie lehrte mich zu reiten, auszubilden, Turniere zu reiten, zu unterrichten und zu richten. Während dieser Zeit verfolgte ich, wie sie ein Pferd nach dem anderen von null zur Grand-Prix-Reife brachte. Sie erlaubte mir, ihre Pferde zu reiten und mit ihr im Richterhäuschen zu sitzen. Es war ein unglaubliches Geschenk, erfahren zu haben, wie es ist, wenn man ein System hat und es erfolgreich mit demselben Pferd und demselben Lehrer von Anfang bis Ende durchzieht. Ich durfte in ihrem Stall als Lehrerin bleiben, mit meinen eigenen Pferden und Schülern, noch immer unter ihrer Aufsicht. Ich konnte damals die professionelle Seite der Dressur kennenlernen. Ich brachte meine eigenen Pferde und Schüler von null bis in die oberen Klassen und aufs Turnier. Es war dieses starke Bewusstsein für ein erfolgreiches, funktionierendes System, das es mir erlaubte, ein anderes System mit relativ wenig Verwirrung zu erlernen. Ich konnte das Parelli-System wie eine Klarsichtfolie über das meinige legen und sehen, wo sie einander widersprachen, wo Einigkeit herrschte und wo sie beim jeweils anderen die fehlenden Stücke ergänzten.

Ich weiß nicht, was Anne wirklich dachte, als ich ihr sagte, dass ich einige Zeit bei den Parellis verbringen wolle, aber sie hat mir immer gezeigt, dass sie mir und meinen Entscheidungen vertraut, und hat mich genauso unterstützt, wie gute Eltern das tun, wenn ihnen klar wird, dass sie vertrauen müssen, auch wenn sie nicht verstehen.

An meinem ersten Parelli-Lehrgang (mit Fünf-Sterne-Parelli-Premier-Instruktor David Lichman) nahm ich nicht aus den üblichen Gründen teil. Ich hatte weder ein Problempferd noch ein Verladeproblem. Ich war auch nicht unzufrieden mit meinem Training. Ich dachte wirklich nicht, dass ich irgendetwas anders machen müsste. Ich wollte einfach einige neue, nette Tricks für ein Grand-Prix-Pferd lernen, das in Rente gehen sollte. Aber das war der Grund, warum ich am ersten Tag eines Parelli-Level-1-Lehrgangs ganz erschüttert war, als ich feststellte, dass ich Dinge über Pferde lernte, die ich als Berufsreiterin im Elitesport Dressur noch nicht wusste. Ich fühlte mich wie ein Fisch, der sehr gut schwimmen kann, aber jetzt erst bemerkt, dass Wasser existiert. Jetzt musste ich so viel wie möglich über das Wasser lernen. Auf ihre Einladung hin verbrachte ich ein Jahr mit Pat und Linda Parelli, den Leuten, die den Begriff „Natural Horsemanship“ geprägt haben und die mehr als jeder andere auf der Welt dazu beigetragen haben, diesen ins Bewusstsein der allgemeinen Reitergemeinschaft zu rücken.

Es gab während dieses Jahres viele Dinge, die merkwürdig und „falsch“ erschienen. Ich hörte meine Dressurreiterkollegen sagen, dass ich „nicht mehr wirklich Dressur reiten würde“. Die Parelli-Mannschaft war gewarnt worden, dass ich eine Dressurreiterin sei und ihre Vorgehensweise vielleicht nicht „verkraften“ könnte. Ich wusste nicht, ob ich mich wie der klügste Mensch der Welt fühlen sollte oder wie der größte Dummkopf. Mein Herz sagte mir, ich solle weitermachen, und so blieb ich dabei. Es war eine Zeit, in der ich mich in Offenheit und Skepsis üben konnte, da viel von dem, was wir machten, aus meiner Sicht nicht viel Sinn ergab. Ich wusste aber auch, dass ich es nie verstehen würde, wenn ich mit der Einstellung hineinginge, dass es falsch ist. Ich tat also so, als ob es richtig sei, und meistens war es das auch. Ich war immer wieder erstaunt.

Je mehr ich lernte, mit meinen Pferden frei zu spielen, desto mehr fragte ich mich: „Wenn mein Pferd dies mit so guter Bewegungsmechanik anbieten kann, ohne dass ich es überhaupt berühre, warum sollte ich dann beim Reiten jemals eine starke Hilfe anwenden müssen?“

Der Aufenthalt bei den Parellis ließ mich auch über die Zeit nachdenken, die ich mit meinen ersten Pferden verbracht hatte. Das erste Pferd, mit dem ich Dressur ritt (Brave Tom), hatte einen sehr starken Charakter und weigerte sich einfach, jeden Tag Dressurarbeit zu machen. Wenn ich übte, dann übte ich immer mit großer Aufmerksamkeit, aber ich verbrachte auch viel Zeit mit ihm, ohne etwas von ihm zu verlangen. Ich ging viel ins Gelände, und eine meiner Lieblingsbeschäftigungen war es, ihn einfach dahin wandern zu lassen, wo er hingehen wollte. Damals dachte ich, dass es wahrscheinlich „falsch“ ist, aber ich war ein Kind und es machte Spaß. Ich tat es, wenn niemand zusah, und es war ein Geheimnis zwischen meinem Pferd und mir.

Sicherlich hatte ich ausgezeichneten Unterricht, aber nachdem ich so viele Leute und Pferde mit so viel Mühe ausgebildet hatte, fragte ich mich immer wieder: „Wie konnte es sein, dass Tom mir so viel anbot?“ Dieses Pferd war bei der Ankaufsuntersuchung durchgefallen, aber er schaffte Jahr für Jahr das Unmögliche und rettete mich auf dem Turnier, als ich wirklich nicht wusste, was ich tat. Ich lernte erst später, das richtig zu würdigen. Meine Dressurreiterei verbesserte sich im Lauf der Jahre, aber ich wunderte mich, warum ich nie wieder ein Pferd traf, das so großzügig war wie Tom.

Je mehr ich über das Parelli-System lernte, desto „großzügiger“ schienen alle Pferde zu werden. Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich so leicht auf das Natural Horsemanship einlassen konnte. Es war weniger ein Lernen als ein Erinnern, ein Wiederzusammenfügen von etwas, das schon ein Teil von mir war, da viele Übungen mich daran erinnerten, was ich mit Brave Tom als Kind getan hatte.

Sie werden vielleicht denken, dass ich verwirrt war, nachdem ich zwei ganz verschiedene Systeme gelernt hatte (und ja, es gab so einen Moment), aber was Sie verstehen müssen, ist, dass die beiden Systeme nicht in zwei diametral entgegengesetzte Richtungen weisen. Sie kommen von entgegengesetzten Standpunkten und weisen auf dasselbe – das Pferd. Sie haben mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Ich konzentriere mich auf die gemeinsamen Aspekte, da die Wahrheit immer in der Mitte liegt. Dem Pferd ist es egal, wie wir uns nennen – Natural Horsemen, Dressurreiter, Profis oder Amateure – und es ist ihm auch egal, wie wir das nennen, was wir tun – Dressur oder Natural Horsemanship – es will nur, dass wir es mental, emotional und physisch verstehen. Ich habe ein besseres Verständnis von klassischer Dressur, seitdem ich mich wieder mehr der Natürlichkeit zugewendet habe, und aufgrund meines tieferen Verständnisses seiner Bewegungsmechanik und meines Einflusses auf seine Fähigkeit, mich auf gesunde Weise zu tragen, kann ich meinem Pferd mehr Natürlichkeit erlauben.

Zumindest in ihrer Grundform brauchen Dressur und Natural Horsemanship keine unterschiedlichen Disziplinen zu sein. Dieses Buch ist mein Symbol für den Wissensaustausch, für die Konzentration auf Gemeinsamkeiten und die Freude über unterschiedliche Stärken. Es ist mir eine Ehre, dass Anne Gribbons und Linda Parelli beide ein Vorwort zu diesem Buch geschrieben haben.

Karen Rohlf ritt über 20 Jahre lang erfolgreich Dressur bis zu den höchsten Klassen. Ihre Dressurausbildung erhielt sie bei der international anerkannten Fünf-Sterne-Richterin und Grand-Prix-Reiterin Anne Gribbons, ihre Kenntnisse des Natural Horsemanship erwarb sie direkt bei Pat und Linda Parelli, die Natural Horsemanship weltweit bekannt gemacht haben.

 

„Ich wusste, dass ich eines Tages einer Pferdekennerin wie Karen Rohlf begegnen würde. Sie ist der lebende Beweis dafür, dass sich das Parelli-System und das Dressurreiten auf hohem Niveau miteinander kombinieren lassen. Karen hat eine Brücke geschlagen, die es mir erlaubt, Dressur zu reiten und zu begreifen, ohne meine Werte und Prinzipien aufzugeben, die mir für mich und mein Pferd so wichtig sind.“

Carmen Zulauf, lizenzierte 3-Sterne-Parelli-Instruktorin, Avenches, Schweiz

 

„Die Informationen in diesem Buch sind das Ergebnis meiner Erfahrungen in zwei scheinbar verschiedenen Bereichen: Dressur und Natural Horsemanship. Ich möchte eine Brücke zwischen diesen beiden Welten schlagen. Die Wahrheit liegt immer in der Mitte. In beiden Bereichen gibt es Wissen, das uns unserem gemeinsamen Ziel näher bringt: uns von der Schönheit und der Kraft unserer Pferde begeistern zu lassen. Dressage Naturally verknüpft die Prinzipien des Natural Horsemanship mit denen der klassischen Reitkunst, um zu erreichen, dass sich die Pferde mental, emotional und physisch im Gleichgewicht und frei fühlen.

Wenn das gelingt, müssen Sie sich niemals zwischen Ergebnissen und der Würde Ihres Pferdes entscheiden. Sie und Ihr Pferd können großartige Ergebnisse erzielen – in Harmonie!“

Karen Rohlf

Image

Für alle Pferde,
denen ich zu Dank verpflichtet bin
und bei denen ich mich
entschuldigen muss ...

Einleitung

Einleitung

Image

Pferde dienen dem Menschen bereits seit Tausenden von Jahren, und noch immer werden sie für Zauberwesen gehalten. Das Einhorn, Pegasus und der Zentaur, sie alle symbolisieren unseren Wunsch, einem Traum nahezukommen, zu fliegen ohne Flügel und eine größere Kraft in uns zu spüren.

Für mich beinhaltet die Reitkunst die Fähigkeit, diese Kraft anzuzapfen und sie zu erstaunlichen Höhenflügen zu führen. Die Prinzipien und die Psychologie, die ich durch das Parelli Natural Horsemanship gelernt habe, ermöglichen es mir, die mentale/emotionale Verbindung auf ein ebenso erstaunliches Niveau zu heben oder zumindest in einen Bereich zu bringen, der für mich erstaunlich ist. Wenn diese beiden Informationskreise aufeinandertreffen, kann es an Magie grenzen – dieses Gefühl, eines Geistes mit unserem Pferd zu sein, in einem Körper aus 500 Kilogramm reiner Kraft. Unser Pferd würde das hoffentlich ebenfalls als zauberhaft beschreiben. In diesem Augenblick berühren wir den Geist des Pferdes und der Reitkunst.

 

Wenn ich mich für Natural Horsemanship interessiere, warum soll ich dann noch das Dressurreiten lernen?

 

Viele Leute verbinden Dressur mit den „drei P“: Piaffen, Passagen und Pirouetten. Aber eigentlich kommt es bei der Dressur darauf an, Harmonie und eine gesunde Bewegungsmechanik des Pferdes zu erlangen. Wenn wir bei unseren Pferden auf natürliche Weise mentale und emotionale Gesundheit erreichen, haben wir erst zwei Drittel des Weges zurückgelegt. Wir müssen auch in der Lage sein, unsere Pferde physisch voranzubringen. Das Mentale/Emotionale beeinflusst den Körper und das Physische beeinflusst den Geist und die Gefühlswelt.

 

Wenn Sie die Grundlagen von Dressage Naturally erlernen, kann Ihnen das bei folgenden Problemen weiterhelfen:

 

·Permanente Steifheit/Widerstand

·Gelenkprobleme

·Impulsivität, besonders, wenn dieses Problem in einer Gangart oder in einer Richtung häufiger auftritt als in einer anderen

·Einseitigkeit

·Schlechte Qualität der Gänge, auch bei einem willigen Pferd

·Koordinationsmangel

·Rückenschmerzen

·Verbiegen des Halses oder merkwürdige Kopfhaltungen

·Schiefe

·Unruhiges Maul oder Zunge, was nicht emotional bedingt zu sein scheint

·Stoßende Gänge

·Alle Anlehnungsprobleme am Zügel

·Hineinfallen in Wendungen

·Schwierigkeiten beim Wenden, auch wenn das Pferd versteht, was es tun soll

·Keine Biegung auf Zirkeln oder nur einseitige Biegung

·Negative Gefühle beim Reiten in Anlehnung oder auch nur, wenn die Zügel kurz gehalten werden

·Zu hohe Kopfhaltung

 

Auch wenn Sie diese Probleme nicht haben, helfen die Grundlagen von Dressage Naturally dabei, die folgenden Eigenschaften zu verbessern:

 

·Elastizität der Gänge

·Leichtigkeit der Vorhand

·Kraft

·Koordination

·Geschmeidigkeit

·Balance

 

Warum brauche ich dieses Buch? Kann ich nicht einfach Dressurunterricht nehmen?

 

Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen ist meiner Erfahrung nach der Sprung von den Grundlagen des Natural Horsemanship zum Unterricht bei einem Dressurlehrer zu groß. Ich glaube, es gibt ein allgemeines Grundlagentraining, auf das ein spezifisches Grundlagentraining für den Sport und schließlich das Sporttraining folgen. Das vorliegende Material soll Ihnen eine sportspezifische Grundlage vermitteln, sodass Sie gut vorbereitet zu einem Dressurlehrer gehen können, um dessen Spezialdisziplin zu lernen. Dadurch werden Sie nicht als Anfänger in das Dressurtraining einsteigen, sondern schon als Fortgeschrittener. Dieses Material gibt Ihnen auch die Möglichkeit, viele der typischen Frustrationen und Probleme zu vermeiden, die Schüler und Pferde normalerweise beim Erlernen des Dressurreitens durchmachen. Ich weiß, welche Reaktionen schon etabliert sein müssen, um Ihre Erfahrung in der Dressur zu maximieren. Am wichtigsten ist es, dass Sie und Ihr Pferd bereits ein Team geworden sind und sich über das verständigen können, was Sie brauchen werden.

Die nötige Kommunikation kann so erarbeitet werden, dass sie auf den Grundlagen aufbaut, die Sie und Ihr Pferd bereits mitbringen. Für die Zukunft träume ich davon, dass alle Pferdeleute eine Basis haben werden, die sowohl die Prinzipien der natürlichen Pferdepsychologie als auch die bewegungsmechanischen Grundlagen der Dressur beinhaltet, sodass der Bruch zwischen diesen beiden Welten nicht mehr so groß ist. Im Moment ist es mein Ziel, die aktuelle Lücke zu schließen. Natürlich gibt es schon einzelne Trainer, die Meister der Dressur und im Umgang mit dem Pferd sind. In Teil III werde ich Ihnen Hinweise geben, wie Sie solche Leute erkennen können, weil sie sich unter Umständen selbst nicht als „Dressurreiter“ oder „Natural Horsemen“ bezeichnen.

Aus meiner Erfahrung mit meinen Pferden und meinen Schülern kann ich sagen, dass man, wenn man den Inhalt dieses Buches verstanden hat, gleich in der ersten Stunde Dressurunterricht die wichtigsten und flüchtigsten Eigenschaften der Dressur mit sehr wenig Anstrengung demonstrieren kann. Das häufigste Feedback von Dressurspezialisten, die Pferde und Reiter, die nach dieser Methode arbeiteten, ausgebildet haben, war so etwas wie: „Ihr Pferd gibt Ihnen so bereitwillig, was Sie von ihm verlangen!“, oder: „Es ist so wunderbar, dass Sie Ihr Pferd nicht ständig beeinflussen oder gängeln müssen.“ Ich wünsche mir, dass jeder so eine positive Erfahrung in seiner ersten Dressurstunde macht! Dressur ist fantastisch, aber zu oft sind die Reiter, die es damit probieren wollen, nicht gut vorbereitet, und sie haben nicht den richtigen Lehrer gefunden, der in der Lage ist, die Harmonie zu schaffen, nach der sie suchen, oder die Partnerschaft zu bewahren, die sie entwickelt haben.

Seit ich Natural Horsemanship mache, habe ich eine besondere Verbindung mit meinem Pferd, die ich nur ungern verletzen möchte. Dadurch, dass ich mit meinen Pferden in Freiheit spiele und sie zaumlos reite, habe ich einen ganz neuen Sinn für das bekommen, was ein Pferd mit Leichtigkeit und Verständnis tun kann. Es IST möglich, Dressur zu reiten und dabei die Partnerschaft, Verspieltheit und Leichtigkeit zu bewahren. Und es IST auch möglich, „Natural Horsemanship“ zu studieren und das Pferd gleichzeitig besser zu gymnastizieren. Mein wichtigstes Ziel ist, dass Ihnen das gelingt!

 

 

Wie man die Informationen in diesem Buch benutzt

Bevor Sie sich in dieses Material stürzen, möchte ich Ihnen meine Vorstellung davon mitteilen, wie Sie den größtmöglichen Nutzen aus diesem Buch ziehen können. Mir ist bewusst, dass manche von Ihnen besser durch Lesen lernen und andere durch Beobachten. Das Buch besteht aus mehreren Ebenen. Teil I gibt einen Überblick über das große Ganze, die Philosophie und die Konzepte. In Teil II können Sie die Ärmel hochkrempeln und die eigentlichen Übungen ausprobieren. Teil III bietet Ihnen „Essays für den Erfolg“. Die Essays in dieser Sammlung enthalten Konzepte, die Ihnen helfen werden, bei allen Übungen Erfolge zu erzielen. Es ist das, was zwischen all den Techniken steckt.

Es werden Philosophien diskutiert. Die Übungen sind nicht einfach nur Rezepte. Sie beinhalten Erzählungen, die, wie ich hoffe, die Absicht hinter der jeweiligen Übung verdeutlichen. Es geht dabei weniger um die Übung selbst, sondern mehr darum, die Übung dazu zu verwenden, etwas Größeres zu erreichen. Ich möchte Sie ermutigen, sich die Zeit zu nehmen, die Essays in Teil III zu lesen, denn Techniken ohne die zugrunde liegenden Philosophien sind nur Methoden der Manipulation. Aus Techniken mit Intention entsteht hingegen Kommunikation, und wenn die Intention die Natur des Pferdes berücksichtigt, dann kommt es zum Dialog. Wenn Sie einfach direkt mit den Übungen in Teil II anfangen, dann verpassen Sie etwas sehr Wichtiges.

Manchmal beschreibe ich eine Übung äußerst detailliert, damit Sie mit Ihren Techniken selbstständig Probleme lösen können, vor allem, wenn es auf das genaue Timing ankommt. Das Wichtigste sind die Intention und das Ziel der Übung. Wenn Sie die Übung mechanisch Schritt für Schritt abarbeiten, dann werden Sie das Timing nicht hinbekommen und Sie werden das Gefühl dafür nicht entwickeln. Sie müssen also erst das Prinzip verstehen, dann die Schritte lernen, und dann können Sie rausgehen und Ihr Pferd erfühlen. Wenn es nicht klappt, kehren Sie zurück, gehen alles noch einmal durch, um dann erneut Ihr Pferd zu erfühlen. Pat Parelli sagt oft: „Denke in der Nacht und fühle am Tag.“ Ich bekam damals auf diese Weise nicht viel Schlaf. Machen Sie deshalb Ihre Denkarbeit, wann immer es Ihnen am besten in den Zeitplan passt, und die restliche Zeit fühlen Sie einfach nur!

Eine andere Sache, die ich Ihnen gern durch dieses Material vermitteln möchte, ist, dass die Techniken nicht nur ein Mittel zum Zweck sind, sondern dass die Art und Weise, wie Sie Ihre Techniken anwenden, eine Kunst für sich ist. Das Wort Technik kommt von „techne“, dem griechischen Wort für „Kunst“. Wir müssen unsere Kunst üben, aber mehr noch, als sie zu üben, müssen wir mit ihr spielen. Wenn wir etwas künstlerisch und spielerisch üben, anstatt es „zu üben, um es zu perfektionieren“, dann haben wir eine größere Chance, etwas Schönes zu erschaffen. Stephen Nachmanowitch beschreibt das Verhältnis zwischen dem Beherrschen von Techniken und dem Spielen mit ihnen sehr gut in seinem Buch Free Play, wo er sagt: „Wir nennen das ‚Techniken im Überfluss haben‘ – das bedeutet, dass man wirkungsvollere und flexiblere Mittel besitzt, als man jemals brauchen wird.“ … „Die nötige Abwechslung, die unsere Ausdrucksmöglichkeiten erweitert, kommt vom Ausüben, Spielen, Trainieren, Erkunden und Experimentieren. Die Auswirkungen des Nichtausübens (oder zu wenig riskanten Ausübens) sind Steifheit von Herz und Körper und eine ständig schrumpfende Bandbreite an verfügbarer Variabilität.“

Meiner Erfahrung nach bringen Schüler mit dem Dressurreiten oft Präzision und „Korrektheit“ in Verbindung. Das ist zwar wichtig, aber Präzision entsteht aus der Fähigkeit, überall zu sein, und Korrektheit kommt oft erst dann zustande, wenn man herausgefunden hat, wie sich inkorrekt anfühlt. Der Schlüssel ist, hervorragende Fertigkeiten zu erwerben und dann frei mit ihnen herumzuspielen – wobei das Endprodukt auch nur das ist, das Endprodukt.

Was dieses Material nicht für Sie darstellen soll, ist noch eine Anleitung, was man mit seinen Armen und Beinen machen soll, und es soll Ihnen auch keine Werkzeuge an die Hand geben, um das Pferd zu bestimmten Dingen zu bringen, wobei Sie sich dann fragen, ob Sie es „richtig gemacht haben“. Mein Ziel ist es, Ihnen die Fähigkeit zu vermitteln, Ihrer Intuition zu vertrauen und auf Ihr Pferd zu hören. Ich möchte, dass Sie meine Worte lesen, die Prinzipien verstehen und die Ziele der Übungen erreichen. Ich möchte, dass Sie all das so lange meistern, bis Sie „Techniken im Überfluss“ besitzen. Dann schlage ich vor, dass Sie alles wieder vergessen. Fühlen Sie es, spielen Sie damit und machen Sie es sich zu eigen – und machen Sie es zum Wohle Ihres Pferdes. Das, wonach Sie suchen, befindet sich inmitten all der Techniken.

 

Aus Techniken mit Intention entsteht Kommunikation, und wenn die Intention die Natur des Pferdes berücksichtigt, dann kommt es zum Dialog.

 

 

Wie Dressage Naturally geboren wurde

Ich lernte das Dressurreiten von einem Mitglied der Dressur-Equipe der USA, einer Pionierin der Dressur in den Vereinigten Staaten, die heute eine Fünf-Sterne-Dressurrichterin (die höchste Rangstufe) ist: Anne Gribbons. Ich lernte Natural Horsemanship direkt von den Leuten, die den Begriff geprägt haben: Pat und Linda Parelli, und durch das Programm, das sie geschaffen haben, um Natural Horsemanship zu unterrichten. Ich hoffe, dass die Informationen, die hier präsentiert werden, eine natürliche Weiterführung darstellen für die Absolventen dieses oder eines ähnlichen Programms sowie für jeden, der das Herz besitzt, die Natur des Pferdes zu verstehen. Falls Sie nicht mit der Sprache dieses Systems des Natural Horsemanship vertraut sind, werden Fachausdrücke und Begriffe im Lauf des Buches erklärt. Ich werde Voraussetzungen nennen, und wenn Ihnen nicht klar ist, wie man diese Voraussetzungen auf natürliche Weise erarbeitet, dann empfehle ich dringend, die vielen Quellen zu erkunden, die es gibt. Ich habe meine eigenen Erfahrungen mit Parelli gemacht, daher kann ich empfehlen, das Parelli-Programm auszuprobieren. Ich träume davon, dass wir in der Zukunft alle die universelle Sprache der Pferde verstehen, ganz gleich, wo wir sie gelernt haben, und unabhängig von der Disziplin, die uns interessiert. Die Wahrheit liegt immer in der Mitte.

Dieses Material stellt meinen Versuch dar, mein Wissen und meine Erfahrung in der Dressur mit meinem Wissen und meiner Erfahrung im Natural Horsemanship zu kombinieren. Ich habe mein Bestes getan, um eine Brücke zwischen diesen beiden Welten zu schlagen. In meinen Jahren als Lehrerin und Trainerin wurde mir klar, dass viele der „Probleme“, denen ich in der Dressur begegnete, nichts mit Dressur im eigentlichen Sinn zu tun hatten. Es ging dabei vielmehr um Pferdepsychologie und Partnerschaft. Als ich Informationen darüber suchte, fiel mir auf, dass viele der „Probleme“, die Natural-Horsemanship-Leute mit ihren Pferden hatten, bewegungsmechanischen Ursprungs waren oder sich auf mangelndes Gleichgewicht zurückführen ließen. Zwischen dem Punkt, an dem die Natural-Horsemanship-Lehre endet, und dem, an dem die Dressurlehre beginnt, klafft eine große Lücke. Ich versuche hiermit, diese Lücke zu schließen.

Es gibt drei Zugänge zum Pferd: auf mentaler, emotionaler und physischer Ebene. Sie sind alle gleich wichtig. Das Natural Horsemanship bietet eine Fülle von Informationen über die mentalen und emotionalen Aspekte des Pferdes. Es gibt zwar auch ein gewisses Verständnis der physischen Aspekte, aber das ist vergleichsweise geringer. Bei Parelli fand ich ein System, um das Pferd mental und emotional zu verstehen und auf diesen Ebenen anzusprechen, was zu einigen sehr erstaunlichen Ergebnissen führte. „Gefährliche“ Pferde sind sanft geworden, ängstliche Pferde haben Selbstvertrauen gewonnen. Impulsive „Durchgänger“ können nun ohne Zaumzeug geritten werden.

 

Die Wahrheit liegt in der Mitte.

 

Die Dressur bietet eine Fülle von Informationen über die physischen Aspekte des Pferdes. Es gibt zwar auch ein Verständnis der mentalen und emotionalen Aspekte, aber das ist vergleichsweise geringer. Die Dressur ist ein System, das es erlaubt, das Pferd auf der Grundlage der Bewegungsmechanik zu verstehen und zu gymnastizieren, was zu einigen sehr erstaunlichen Ergebnissen führt. Unausbalancierte Pferde können am Ende 15 fliegende Galoppwechsel à tempo ausführen, Pferde mit schwächlicher Konstitution entwickeln einen skulpturengleichen Körper, steife Pferde fangen an, über den Boden zu schweben.

Gutes Horsemanship ist universell und nicht auf einen bestimmten Reitstil begrenzt. Heute gibt es viele verschiedene Reitdisziplinen und Leute sagen stolz, dass sie ein „Springreiter“, ein „Reiner“ oder ein „Dressurreiter“ sind. Schüler fühlen eine gewisse Sicherheit, wenn sie einem bestimmten System angehören. Die Leute aus dem Natural-Horsemanship-Lager und die aus dem Dressurlager verstehen einander nicht ohne Weiteres. Natural Horsemanship wird oft dem Westernreiten zugeordnet, aber das kommt wahrscheinlich daher, dass früher die Cowboys auf weiter Flur diejenigen waren, die die beste Möglichkeit hatten, Pferde in der Natur zu beobachten. Die besten Vertreter der Cowboyzunft sind diejenigen, die eine Passion und eine Verehrung für die Natur empfinden und die sich auf ihre Pferde als echte Partner bei ihrer Arbeit verlassen. Dressur wird typischerweise als „Englisch“ betrachtet, mit seinen Wurzeln im Militär, in der Aristokratie und schließlich in der Kunst. Die besten Dressurreiter sind Leute, die eine Passion für Bewegung und Tradition haben und die sich darauf verlassen, dass ihre Pferde ihnen Kraft verleihen.

Diese beiden Gruppen mit ihrer unterschiedlichen Geschichte und ihren unterschiedlichen Prioritäten erscheinen absolut gegensätzlich. Die Natural Horsemen sehen einen Dressurreiter und denken: „Ja, das ist nett, aber siehst du denn nicht, dass dein Pferd sich unterworfen und in die Enge getrieben fühlt?“ Und die Dressurreiter sehen einen Natural Horseman und denken: „Ja, das ist nett, aber siehst du denn nicht, dass dein Pferd seinen Körper nicht richtig benutzt?“

Es gibt eine Gemeinsamkeit: die Passion für das Pferd. Beide schauen dasselbe Pferd an, nur von unterschiedlichen Standpunkten. Aber heute, im 21. Jahrhundert, ist es Zeit, dass sich beide Gruppen begegnen, gemeinsam um das Pferd herumgehen und ihr Wissen teilen. Wir alle wollen Harmonie. Dressage Naturally wurde geboren aus meinem Wunsch, meinem Pferd die bestmögliche Partnerin zu sein und dennoch Dressur zu reiten. Viele Leute sagen, dass man sich zwischen Dressur und Natural Horsemanship entscheiden muss, aber ich glaube das nicht. Wir müssen einfach das beste Wissen von beiden nehmen. Mein Bestreben ist es, als „Horsewoman“ so gut zu sein, wie es mir nur möglich ist – eine „Horsewoman“, die auch höhere Dressur betreibt.

Zu oft habe ich Schüler in traditionellen Dressurstunden beobachtet, wo der Trainer sagt: „Nein! Setz dich durch, damit dein Pferd das tut!“, oder: „Behalte deinen Schenkel da, damit dein Pferd nicht sein Gleichgewicht verliert!“ Was diese Trainer aber nicht sehen, ist, dass das Pferd vielleicht genau das tut, was der Reiter verlangt hat, ob es diesem nun bewusst ist oder nicht. Oder der Lehrer sagt: „Ja! Das ist toll!“ Aber wenn man den Schüler fragt, hatte er das Gefühl, dass das Pferd ihn in dem Moment unsensibel „durchgezogen“ hat oder dass es einfach nur reagiert hat. Der Lehrer lobt das Bild, nicht aber die Kommunikation und die Beziehung. Der Schüler bekommt vielleicht eine Schleife auf dem Turnier, hat aber eine schmerzliche Beziehung zu seinem Pferd und ist vollkommen verwirrt durch die widersprüchlichen Signale, die er erhält.

Umgekehrt habe ich Natural-Horsemanship-Schüler gesehen, die einen Mangel an Koordinationsvermögen oder Geschmeidigkeit als Widerstand oder „Respektlosigkeit“ fehlinterpretiert haben. Oder sie erkennen nicht, dass man die Einstellung und die Kooperationsbereitschaft des Pferdes positiv beeinflussen kann, indem man an der Qualität der Bewegungsmechanik arbeitet. Wenn Sie eine Lektion verlangen, die physisch schwerer oder komplexer ist, als Sie denken, können Sie bei Ihrem Pferd Angstzustände auslösen. Ich möchte, dass ein Schüler, der Dressage Naturally macht, solche Situationen nie erlebt.

 

Die Schwierigkeiten oder Herausforderungen, denen Sie mit Ihrem Pferd begegnen können, lassen sich auf die folgenden grundlegenden Kategorien reduzieren:

 

·Partnerschaft: Wie ist die „Verbindung“ zwischen Ihnen und Ihrem Pferd?
Wie wohl fühlen Sie sich miteinander? Wie viel Vertrauen existiert zwischen Ihnen?

·Respekt: Sieht Ihr Pferd jemanden in Ihnen, bei dem es sich lohnt zuzuhören?
Hat Ihr Pferd das Gefühl, dass Sie es respektieren?

·Angst: Wie sicher fühlt sich Ihr Pferd in seinem Umfeld und/oder bei dem, was Sie ihm abverlangen?

·Kommunikation: Versteht Ihr Pferd, was Sie von ihm verlangen?

·Motivation: Wirkt Ihr Pferd eifrig und aufmerksam oder gelangweilt, hilflos und als fühle es sich kritisiert?

·Gesundheit: Ist Ihr Pferd physisch fit oder gesund genug für die Aufgabe?

·Gymnastik/Koordination: Versucht Ihr Pferd, die Aufgabe auszuführen, hat aber noch nicht die nötige Geschicklichkeit, Kraft, Balance oder das erforderliche Koordinationsvermögen?

 

Ihr Ziel ist es, alle Ihre Ressourcen einzusetzen, um Ihr Pferd zu verstehen und um es hinsichtlich all dieser Kategorien richtig einschätzen zu können.

Ihre Aufgabe als Schüler ist es, das Gesagte zu verstehen, dafür zu sorgen, dass Sie es umsetzen können, und dann nach Herzenslust damit zu spielen. Bemühen Sie sich darum, sich Ihrer selbst bewusst zu werden. Bitten Sie Ihr Pferd und eine erfahrene Person um Feedback. Nehmen Sie all die Informationen und finden Sie heraus, wie sie auf Sie und Ihr Pferd anzuwenden sein könnten. Das Wichtigste ist, dass Sie und Ihr Pferd einander verstehen und vertrauen – dass Sie in der Lage sind, dem Pferd Ihr inneres Bild zu übermitteln, und das Pferd sagt: „Ja, natürlich mache ich das“, nicht, weil es Angst davor hat, etwas nicht zu tun, sondern weil es Sie versteht und im Sinne der Harmonie agiert. Harmonie fühlt sich gut an.

 

Ich hoffe, dieses Material ermöglicht es Ihnen,

 

·Ihr Pferd zu fühlen.

·Ihrer Intuition zu vertrauen.

·die Hauptursachen für Disharmonie zu beseitigen.

·größere Harmonie zu entwickeln.

·die Grundlagen gesunder Bewegungsmechanik zu verstehen.

·gymnastizierende Übungen erfolgreich anzuwenden, um Ihr Pferd dressurmäßig immer weiter auszubilden.

·sich der bereits existierenden Quellen über die Dressur richtig zu bedienen.

 

Ein Schüler der natürlichen Dressur ist seinem Pferd ein Partner, lernt, mit ihm zu kommunizieren, und bekommt das meiste Feedback von seinem Pferd. Er weiß, wohin man sich wenden kann, um Probleme zu lösen, kann präzise Fragen stellen und Übungen erfassen und anwenden. Wer natürliche Dressur lehrt, wird immer die Beziehung zwischen Mensch und Pferd respektieren. Er wird beide in neue Regionen führen und ihre Grenzen erweitern, ohne ihren Geist zu brechen. Wenn ein Schüler fragt: „War das richtig?“, wird ein Lehrer für natürliche Dressur zuerst fragen: „Hat dein Pferd getan, was du ihm vermitteln wolltest?“ Wenn die Antwort „Nein“ lautet, dann wird er erforschen, wo der Mangel an Klarheit besteht oder ob das Pferd die Frage beantworten kann. Wenn die Antwort „Ja“ lautet, dann wird er ein Feedback geben, ob das zum gegebenen Zeitpunkt eine Haltung oder Aufgabe ist, von der das Pferd profitiert.

Ich hoffe, dass das Verständnis dieses Materials Ihnen helfen wird, die vielen verfügbaren Quellen zum Thema Dressur zu nutzen. Es gibt Bücher, Videos und Zeitschriften, die wunderbare Übungen beschreiben. Durch die Informationen in diesem Buch werden Sie lernen, eine gute Verbindung zu Ihrem Pferd aufrechtzuerhalten, wie Sie sich mit Ihrem Pferd über all das verständigen können, was für eine bestimmte Aufgabe notwendig ist, und wie man Probleme löst. Hoffentlich werden Sie auch lernen, die richtigen Übungsaufgaben auszusuchen, die Ihnen und Ihrem Pferd weiterhelfen.

Wenn Sie Anleitung benötigen, gibt es begabte Dressurtrainer, die sich ihre Natürlichkeit bewahrt haben. Sie selbst tragen die Verantwortung dafür, eine natürliche Grundlage zu schaffen, indem Sie die Kommunikation und die Fertigkeiten herstellen, die in diesen Materialien beschrieben sind, und dann, wenn Sie das Feedback oder die Anleitung eines erfahrenen Dressurreiters in Anspruch nehmen wollen, einen der eben beschriebenen Ausbilder zu finden. Sie werden sich nicht unbedingt als Natural Horsemen bezeichnen, aber hoffentlich werden Sie sie dennoch erkennen, wenn Sie sie sehen. Diese Informationen werden Ihnen und Ihrem Pferd helfen, bereit, willig und befähigt bei diesen Trainern anzukommen und Wachs in ihren Händen zu sein. Und gemeinsam können Sie dann schöne Dressur schaffen! Ich hoffe ebenfalls, dass Sie erkennen werden, wenn ein Dressurtrainer kein hervorragender Horseman ist, und so viel Frustration vermeiden können. Ich weiß, welche Anforderungen ein Dressurlehrer ab der ersten Stunde an Sie und Ihr Pferd stellen wird. Diese Materialien sollen Sie optimal darauf vorbereiten, sodass Sie wertvolle Hinweise von einem qualifizierten Trainer bekommen können und die nötigen Werkzeuge besitzen, um Fortschritte in der Dressur zu machen, ohne die Beziehung mit Ihrem Pferd zu opfern. Ihre Aufgabe besteht darin, sich mit Ihrem Pferd in Einklang zu bringen und mit ihm zu kommunizieren. Die Aufgabe Ihres Lehrers besteht darin, Sie beide als Team so zu leiten, dass die gymnastischen Fähigkeiten Ihres Pferdes zunehmen. Aber denken Sie immer daran: Solange wir unserem Pferd zuhören, haben wir den besten Lehrer der Welt.

 

… solange wir unserem Pferd zuhören, haben wir den besten Lehrer der Welt.

Image

Teil I:
Das große Ganze

Teil 1:
Das große Ganze

Image