Anselm Grün

Kraftvolle Visionen gegen Burnout und Blockaden

Den Flow beflügeln

 

Impressum

Herausgegeben von Rudolf Walter

© KREUZ VERLAG
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012
Alle Rechte vorbehalten
www.kreuz-verlag.de

Umschlaggestaltung und Konzeption:
Agentur R.M.E Eschlbeck /Hanel /Gober
Umschlagmotiv: ©Getty Images

ISBN (E-Book): 978 - 3 - 451 - 34643 - 9
ISBN (Buch): 978 - 3 - 451 - 61170 - 4

Inhaltsübersicht

Einführung

Achtsam sein – Mit Stress umgehen lernen

Fünf Ursachen von Burnout

Selbstbilder, die uns erschöpfen

Bilder von Beziehungen, die krank machen

Bilder, die beflügeln

Was unser Beruf bedeuten kann

Von Firmenleitbildern und Firmenlogos

Bilder, die in Resonanz zur Seele stehen

Feuer und Wasser – heilsame biblische Bilder

Von der Kraft der Rituale

Muße und Ruhe – Erneuerung von Innen

Den Flow beflügeln

Fünf Wege zur inneren Kraftquelle

Wie Flow zum Segen wird: Werte und Beziehung

Schluss

Literatur

Einführung

Alles fließt

Wenn wir heute vom »Flow« sprechen, dann klingt das sehr modern. Es ist ein Begriff, der inzwischen nicht nur in die Psychologie Eingang gefunden hat, sondern auch in der Umgangssprache zur Beschreibung positiver Zustände, des kreativen Schaffens und des Aufgehens in einer Tätigkeit herangezogen wird. »Es fließt«, das meint quasi das Gegenteil von Erschöpfung und Überlastung, von Blockiertsein und Burnout: Man ist im Flow ganz bei sich und doch ganz intensiv bei der Sache, und das, womit man sich gerade beschäftigt, geht einem mühelos von der Hand. Das ist ein Zustand, den sich heute viele wünschen, die in eine anstrengende und komplizierte Arbeitswelt eingebunden sind. Dabei handelt es sich bei der dahinterliegenden Vorstellung um etwas ganz Altes. So modern es klingt und so gut es in die Beschreibung mancher Probleme in unserer Arbeitswelt passt: Der Begriff und die dahinterliegende Vorstellung bezieht sich auf Einsichten in die Wirklichkeit, in das Leben selbst und die Natur des Menschen, die von großen Weisheitslehrern schon sehr früh formuliert worden sind.

»Alles fließt« sagt Heraklit, der »dunkle« Philosoph Griechenlands (wahrscheinlich 544  480 v. Chr.). Dass sich alles bewegt und alles im Fluss ist, dass nichts beständig und fest ist, das ist die Grundlage seiner Philosophie. Das Sein ist im Fluss. Und nur der Mensch, der das verstanden hat, lebt seinsgemäß.

Schon lange vor Heraklit hat in China der große Weisheitslehrer Laotse vom ewigen Fließen gesprochen. Er spricht vom Urquell des Lebens, »der mühelos aus sich selber quillt«. (Backofen 16) Die Aufgabe des Menschen ist es, diesen Urquell in sich strömen zu lassen. Doch um das zu erfahren und wahrzunehmen, dazu braucht es die Haltung der Selbstlosigkeit oder – wie Laotse auch sagt – das Schweigen. »Wer aber nicht schweigen kann, der erschöpft sich.« (Ebd. 15) Wer an sich selbst festhält, wer – um es in der Sprache Meister Eckeharts zu formulieren – seiner selbst nicht ledig ist, in wem also das Ego nicht zum Schweigen kommt, der wird schnell erschöpft. Dem Selbstlosen dagegen strömt der Urquell des Lebens entgegen: »Muss es nicht so sein, dass dem Selbstlosen allein Erfüllung wird?« (Ebd. 16)

Einsichten eines modernen Psychologen

Was Heraklit und Laotse vor über 2500 Jahren den Menschen zu erklären suchten, das hat in unserer Zeit und im Blick auf unsere Lebenswirklichkeit der ungarische Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi neu entdeckt. Er hat erkannt, dass der Mensch Glück erfährt, wenn er im Fluss ist. Und dass ihm seine Arbeit nur dann Spaß macht, wenn die Energie in ihm fließt. Der Psychologe wehrt sich freilich auch dagegen, auf diese Erkenntnis festgenagelt zu werden. Er möchte nicht als »Mr. Flow« firmieren. Daher verwendet er im Gespräch mit seiner Interviewpartnerin Ingeborg Szöllösi lieber den Ausdruck »Lebenstanz«. Er sagt: Wir dürfen uns nicht auf die Mitte fixieren, sondern sollten uns dem Tanz um die Mitte herum überlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Csikszentmihalyi aus Ungarn geflohen und hat in Italien als junger Mensch in vielen Jobs gearbeitet. Immer beschäftigte ihn dabei die Frage: »Wie können Menschen mit mehr Freude und Leidenschaft ihr Leben leben? Wie können sie effizienter und kreativer arbeiten, ohne sich in den eisernen Käfig ihres Berufs und dessen Forderungen einschließen zu lassen?«

Die Antworten, die er gefunden hat, helfen auch uns heute weiter, wenn wir über den Umgang mit aktuellen Belastungen nachdenken.

Flow ist für den ungarischen Psychologen kein Zauberwort. Flow geschieht immer dort, wo Menschen mit Hingabe und Aufmerksamkeit ihre Arbeit gerne verrichten. Dann geht alles wie von selbst. Das hat er etwa an einer alten italienischen Bäuerin beobachtet, die sich gerne auf ihre Arbeit eingelassen hat, weil die ganze Natur ihr dabei Gesellschaft geleistet hat. Flow bedeutet für Csikszentmihalyi also keine bestimmte psychische Technik oder eine Methode, sondern ein Lebensprinzip, einen Zustand, den man erreichen kann und der beschrieben wird als eine Art mühelose Bewegung in einem Strom von Energie. Es geht da zunächst einmal um Hingabe und Fokussierung auf das, was gerade ist. Immer, wenn ich mich mit ganzer Aufmerksamkeit auf das einlasse, was ich gerade tue, fließt in mir die Energie. Ich gehe dann vollkommen in dem auf, was ich tue, und erfahre eine schöpferische Freiheit. Der Psychologe beschreibt es so: »Das Ego verschwindet, die Zeit fliegt. Jede Handlung, jede Bewegung und alle unsere Gedanken ergeben sich nur aus den vorangegangenen.« Menschen vergessen in einem solchen Zustand die Müdigkeit, sogar den Hunger, verlieren alle Störungen durch die Umwelt aus dem Blick und erreichen ein Maximum an Konzentration und Kreativität. Sie fühlen sich weder überfordert noch unterfordert. Sie sind ganz bei sich und ganz bei der Sache.

Was Kreativität und Glück ermöglicht

Kreativ sein heißt im Wesentlichen nichts anderes als: im Fluss sein. Und »Flow« nennen wir einen Zustand, der Kreativität ermöglicht. Flow, das Fließen des Lebens, ist ein Weg zum Glück. Wenn wir an unsere Arbeit denken, dann ist das Fließen der Energie der Weg schlechthin, auch in unserer Arbeit Erfüllung und Glück zu finden, anstatt nur über die Last und Mühe zu klagen, die sie uns verursachen. Wenn in uns die Energie fließt, dann arbeiten wir effektiv, denn wir werden von dieser Energie getragen. Flow ist, so verstanden, die effizienteste Form schöpferischer und befriedigender Arbeit. Das unterscheidet ihn auch etwa vom Strohfeuer einer Begeisterung, die kurz auflodert und dann ebenso schnell wieder verpufft. Es unterscheidet ihn aber auch von der Verbissenheit in die Arbeit. Es gibt heute auch viele Menschen, die bezüglich ihrer Arbeit eine Manie entwickeln. Sie gehen scheinbar ganz in ihr auf. Doch sie sind zu sehr auf etwas Äußeres fixiert. Flow bezieht sich auch keineswegs nur auf die Arbeit, er kann sich auch der Kunst, dem Genuss, dem Spiel und der Muße zuwenden. Auch dort fließt das Leben, wenn ich mich darin vergesse und ganz darauf einlasse. Beschreibbar ist die besondere Form eines Glückszustands.

Wenn alles zu viel wird

Das Gegenteil des Fließens, wie wir es eben beschrieben haben, ist die Erfahrung des Burnout. Da ist nichts im Fluss. Diese Erfahrung kann mit dem Bild des Ausgetrocknetseins und mit dem Zustand fehlender Dynamik umschrieben werden. Man fühlt sich überfordert, erstarrt, blockiert. Auch Blockaden sind ja charakterisiert durch eine negative Erfahrung: Da fließt keine Energie mehr. Im Gegenteil, man hat den Eindruck, alles sei erstarrt. Man arbeitet weiter, aber es wird nur Routine. Nicht nur, dass die Energie nicht mehr fließt: Man fühlt sich vielmehr als Getriebener. Man wird von einem Termin zum anderen getrieben. Man empfindet keine Freude und keine Befriedigung mehr an dem, was man tut. Man macht zwar alles mit, aber dabei wird man immer unzufriedener, mürrischer, empfindlicher. Man begegnet den Menschen nicht mehr, sondern nimmt sie nur als Störenfriede wahr: »Was will denn der schon wieder von mir?« Die Arbeit wird einem zu viel. Die Menschen werden einem zuwider. Oft reagiert man dann unwirsch und hart. Es ist wie ein Hilferuf: »Lasst mich doch endlich einmal zufrieden. Ich kann nicht mehr und ich will auch nicht mehr!« Wenn einem die Arbeit nicht mehr leicht von der Hand geht, muss man sich anstrengen und sich zur Arbeit zwingen. Aber irgendwann wird der Kraftaufwand zu groß. Man hat keine Energie mehr. Man wirkt kraftlos. Man geht dann jeder Entscheidung und jedem Konflikt aus dem Weg. Man hat auch keine Kraft mehr, in aller Ruhe und Klarheit eine Entscheidung zu treffen. Dann trifft man eben wahllos irgendeine Entscheidung und wird dabei doch von der Angst beunruhigt, sie könne falsch sein. Man verdrängt diese Angst wieder und bleibt damit dennoch erfolglos, weil sie einen nachts bis in die Träume hinein verfolgt und einen morgens beim Aufwachen mit Gewissensbissen quält: »Hätte ich doch anders entscheiden sollen? Was wird wohl aus der Entscheidung?« Irgendwann ist einem dann alles egal. Man macht einfach weiter, ohne große Überlegung, bis gar nichts mehr geht. Manchmal brechen Menschen dann unter einer solchen Belastung zusammen. Sie erleben einen Nervenzusammenbruch. Oder sie fangen auf einmal an zu weinen und hören nicht mehr auf. Ich habe noch deutlich folgendes Bild vor Augen: Ein Manager fährt von einer anstrengenden Sitzung zum nächsten Termin. Er macht bei einer Raststätte Halt und trinkt einen Kaffee, um wach zu bleiben. Als er sich wieder ins Auto setzt, überkommt ihn ein Weinkrampf. Er weiß nicht, was mit ihm los ist. Aber jetzt ist es offenkundig: Burnout.

Kennzeichen tauchen auf

Dass einer in den Burnout gerät, merkt oft die Umgebung eher als der Betroffene selbst. Die Umgebung spürt, wie der Mitarbeiter oder Chef immer gereizter wird, wie er pessimistische Bemerkungen von sich gibt oder sich in Ironie oder Sarkasmus flüchtet. Lehrer, die früher ihren Beruf liebten und sich in der Schule engagierten, machen plötzlich ihre Schüler und die Kollegen herunter. Verkäufer äußern sich nur noch despektierlich und abschätzig über ihre Kunden. In zynisch abwertenden Sätzen gegen Menschen, für die man eigentlich arbeitet, äußert sich auf einmal drastischer Widerwille oder einfach nur Ablehnung: Beziehungen sind gestört und beschädigt. Solche sarkastischen Sätze war man bisher von diesem Menschen nicht gewohnt. Sie sind ein alarmierendes Zeichen dafür, dass sich in diesem Menschen eine innere Unzufriedenheit und Überforderung Luft macht.

Ein anderes Kennzeichen ist chronische Erschöpfung und Müdigkeit. Wenn jemand sagt: »Ich bin so müde. Ich habe keine Lust mehr. Alles hängt mir zum Hals heraus«, dann kann auch das auf einen nahenden Burnout hinweisen.

Das Phänomen des Burnout zeigt sich nicht nur in zunehmender Kraftlosigkeit, in Antriebsschwäche und Lustlosigkeit, sondern häufig auch in Depressionen, die den Betroffenen überfallen. Man spricht auch von Erschöpfungsdepression. Ein solcher Zustand raubt einem jeden Antrieb und jede Kraft. Man möchte sich nur noch vergraben in den eigenen vier Wänden. Man möchte keinen Menschen mehr sehen. Alles ist zu viel. Alles verdunkelt sich. Man erfährt zunächst Ineffektivität und Sinnverlust am Arbeitsplatz und sieht am Ende in allem keinen Sinn mehr. Jetzt ist die Situation schon sehr kritisch.

Wenn sich Blockaden häufen

Bevor es zur Depression kommt, kündigt sich der Burnout in Blockaden an. Man fühlt sich blockiert. Blockaden zu haben ist nicht ungewöhnlich. Das ist eine Erfahrung, die wohl jeder einmal macht. Man soll einen Text fertigmachen und hat auf einmal eine Schreibblockade. Da will nichts fließen. Oder man hat eine Gedankenblockade und weiß gerade nicht weiter. Man ist in einer Sitzung nicht kreativ. Man weiß auf einmal nicht, was man sagen soll. Ein bestimmtes Wort, ein bestimmter Name fällt einem nicht mehr ein. Das sind Blockaden, die jeder kennt. Das Besondere und Unterscheidende beim Burnout: Solche Blockaden mehren sich. Und auf einmal ist man völlig gelähmt. Nichts geht mehr von der Hand. Und vor allem: Alles braucht soviel Kraft – seelische und körperliche.

Von außen kann man oft erkennen, ob jemand gefährdet ist, in den Burnout zu geraten. Viele geben ihre Gefährdung nicht zu. Aber man spürt: Da arbeitet einer wie besessen, aber er wird immer unzufriedener und empfindlicher. Er nimmt keine Einladung mehr zu Freunden an. Er hat keine Zeit mehr. Immer schiebt er Termine vor, die er zu erfüllen hat. Wenn man ihm begegnet, hat er keine Zeit, nicht einmal für ein kurzes Gespräch. Er muss schon zum nächsten Termin. Man merkt ihm die innere Spannung an. Er sieht schlecht aus. Da ist keine Gelassenheit, sondern Verkrampfung und Anspannung. Dazu kommt etwas anderes: An immer mehr Anzeichen spürt man, der andere hat zu nichts mehr wirklich Lust. Alles wird ihm zur Last, nicht nur die Arbeit, sondern auch das Zusammensein in der Familie, mit den Kindern, die kleinen Hausarbeiten. Immer öfter gibt es Streit. Die Kinder merken, wie angespannt der Vater, die Mutter ist. Sie fordern Aufmerksamkeit, bekommen aber Ablehnung. Das schaukelt sich hoch, führt zu Spannungen und wird zu einer neuen Quelle von Belastung.

Gefühllosigkeit und Frustration

Ein Phänomen, das die Burnout-Gefährdung anzeigt, ist eine sich steigernde Gefühllosigkeit. Man fühlt nichts mehr bei der Arbeit, bei den Gesprächen mit den Mitarbeitern, mit den Kunden. Ja, selbst die Gespräche mit Freunden werden immer gefühlloser und leerer. Die anderen spüren den Druck, unter dem dieser Mensch steht. Oft sind es Menschen, die sich bei allem, was sie tun, unter Druck setzen. Für sie ist der Druck, den sie dann in der Arbeit erfahren, eine Fortsetzung des inneren Drucks, unter den sie sich ständig setzen. Sie können den Druck nicht als sportliche Herausforderung nehmen, die ihre Energie zum Fließen bringt, sondern lassen sich von diesem Druck erdrücken oder auspressen. Sie erleben ihn wie ein Damoklesschwert über sich. Sie haben zum Beispiel ständig den Eindruck, dass sie dem Druck nicht genügten, dass sie nicht gut genug seien für den Chef, der sie unter Druck setzt. Diese Art von Druck ist, vor allem auf Dauer, kein euphorisierender Stimulus, sondern er staut die Energie in uns, er erzeugt Blockaden und führt zum Crash im Leib, in der Seele und im Geist. Wenn die Quelle überhaupt nicht mehr sprudelt, wenn wir nicht mehr im Fluss sind, spricht man auch konsequent von Erschöpfung oder eben vom Burnout.

Burnout gibt es aber nicht nur in der Berufswelt, sondern auch in zwischenmenschlichen Beziehungen, in der Partnerschaft, in einer Gemeinschaft, in einem Verein, in einer Gemeinde. Keineswegs sind es nur Menschen, die zur Gefühlsarmut oder Gefühlskälte neigen, die in das lähmende Umfeld eines Burnout geraten können. Ursprünglich kommt der Begriff »Burn-out« von engl. to burn, brennen. Und gerade dort, wo Menschen brennen, wo sie voller Begeisterung und Idealismus sich für andere einsetzen, dort sind sie auch in Gefahr, auszubrennen. Der Begriff wurde nicht von ungefähr aus dem Milieu der sozialen Berufe heraus entwickelt. Er wurde in der Beschreibung von gesundheitlichen Problemen bei diesen Berufsgruppen in Studien erstmals verwendet. In solchen Berufen engagieren sich Menschen oft aus Idealismus für andere. Umso frustrierender ist es für sie, wenn sie dafür keinen Dank erhalten. Die Enttäuschung macht sie irgendwann bitter. Und wenn dann noch die mangelnde Anerkennung ihrer eigenen Vorgesetzten dazukommt, führt das dazu, dass ihr inneres Feuer erlischt und sie ausbrennen.

Abwehr und Erschöpfung

Wenn dann ein Freund den Burnout-Gefährdeten anspricht, wehrt er ab. Er schimpft auf die Firma oder auf die Belastung daheim. Die anderen sind schuld, dass es ihm momentan nicht so gut geht. Aber das wird sich schon wieder geben. Oder er findet Ausreden: Ja, momentan ist es etwas viel. Aber jetzt kommt bald der Urlaub. Dann wird alles wieder gut. Das ist jedoch eine Fehleinschätzung. Er geht in Urlaub, aber er erholt sich nicht. Er kommt vom Urlaub genauso angespannt zurück. Der Urlaub ist misslungen. Das Wetter war nicht so gut, die Pension hat nicht gehalten, was sie versprochen hat. Es gab Streit mit dem Ehepartner. Man hat nicht gut geschlafen. Die Probleme in der Firma, die innere Unzufriedenheit und die Zerrissenheit haben ihn auch im Urlaub verfolgt. Jetzt kehrt er zurück zur Arbeit und gerät in Panik, wenn er an alles denkt, was da erneut auf ihn einströmt. Die Panik äußert sich dann manchmal in Angstattacken. Oder aber man wird depressiv. Man denkt gar an Suizid. Man sieht keinen Ausweg mehr. Aber man will sich auch nicht eingestehen, dass man am Ende ist. Nur wenn gar nichts mehr geht, dann wagt man doch den Gang zum Arzt. Aber man sagt ihm nicht die ganze Wahrheit. Der Arzt soll einen nur mal eine Woche krankschreiben, dann wird es schon wieder gehen. Doch es geht nicht. Und ein guter Arzt wird sich nicht damit zufriedengeben, den Patienten nur krankzuschreiben. Er wird ihm die Diagnose »Burnout« stellen, oder, wie es in der konventionellen ärztlichen Sprache heißt, ihm eine Erschöpfungsdepression attestieren.

Statt von »Burnout« sprechen wir im Deutschen in der Tat oft auch von »Erschöpftsein«. Das hängt mit dem Bild der Quelle zusammen, aus der wir schöpfen. Wir sind erschöpft, wenn die Quelle versiegt oder wenn die Quelle trüb geworden ist, wenn sie uns nicht mehr erfrischt, sondern nur noch als kleines Rinnsal in uns läuft. Das Bild des Flow, des Fließens, passt eher mit dem Bild des Schöpfens zusammen. Wenn wir aus inneren Quellen schöpfen, die unerschöpflich sind, werden wir nicht so leicht erschöpft sein.

Bei der Verwendung des Begriffs zeigt sich auch eine Gefahr: Inzwischen spricht man gern bei fast jeder Belastung, die man beruflich oder privat erlebt, vorschnell von Burnout. Doch nicht jede zeitweilige Überlastung führt zum Burnout. Über die Unterscheidung von Stress und Burnout wird noch zu sprechen sein. In der Psychologie bzw. der Medizin ist »Burnout« bisher keine allgemeinverbindlich festgelegte Beschreibung eines klinischen Krankheitsbildes. Weil Burnout oft mit depressiven Verstimmungen verbunden ist, sprechen Psychologen manchmal lieber von Erschöpfungsdepression. Die Krankheit ist nach dieser Definition nicht Burnout, sondern die Depression, die aber durch die Erschöpfung hervorgerufen werden kann.

Wir brauchen Selbsthilfe und Selbstfürsorge

Im Hintergrund unseres Tuns stehen oft Bilder, die uns stimulieren, anspornen und beflügeln sollen. Aber oft genug führen solche Bilder in die falsche Richtung und laugen aus: Leitbilder können uns auch verleiten, das Falsche zu tun. Es sind innere Bilder, aber auch »offizielle« Bilder, die von der Gesellschaft vorgegeben, von den Medien verbreitet oder in Firmenleitlinien festgeschrieben sind.

In der Psychologie unterscheiden wir zwischen Bildern, Visionen und Visualisierungen. C. G. Jung hat den Begriff des archetypischen Bildes geprägt. Archetypische Bilder zentrieren den Menschen auf sein Selbst hin. Sie haben eine heilende und ganzmachende Wirkung. Allerdings warnt Jung davor, sich mit archetypischen Bildern zu identifizieren. Denn dann wird man blind für seine eigenen Bedürfnisse, die man dann unter diesem Bild auslebt. Ein archetypisches Bild ist z. B. das des Helfers und des Heilers. Doch wenn ich mich beim Gespräch mit einem Hilfesuchenden mit dem Bild des Heilers identifiziere und meine, ich könnte den andern durch meine Nähe und Zärtlichkeit und Liebe heilen, merke ich gar nicht, wie ich mein eigenes Bedürfnis nach Nähe unter dem Deckmantel des archetypischen Bildes ausagiere. Das Bild des Heilers kann mich durchaus mit den heilenden Kräften meiner Seele in Berührung bringen. Dann ist es heilsam für mich und für den andern. Aber ich darf mich nicht mit diesem Bild identifizieren. Sonst – so sagt C.G. Jung – blähe ich mich innerlich auf. Es gibt eine seelische Inflation, die mich blind macht für meine eigene menschliche Begrenztheit.

Von Visionen spricht man in zweifachem Sinn. Das eine sind die Visionen, von denen die Mystik berichtet. Es sind innere Bilder, die über uns kommen. Diese Visionen beschränken sich nicht auf ein Bild allein, sondern sind oft eine ganze Abfolge von Bildern, von Geschehnissen, die vor unserem inneren Auge ablaufen. Die Mystik berichtet von solchen Visionen, ist aber zugleich kritisch ihnen gegenüber. Denn sie kennt die Gefahr, sich mit solchen Visionen selbst in den Mittelpunkt zu stellen und sich als etwas Außergewöhnliches zu fühlen. In der Wirtschaft spricht man Visionen, die etwa eine Firma für ihre Zukunft haben sollte. Diese Visionen sind in die Zukunft gerichtet. Es sind Bilder, die das Ziel einer Firma beschreiben: In diese Richtung sollte sich die Firma entwickeln.