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Inhalt

Einleitung

Cassius Clay erfindet das Unterwasserboxen

Cassius Clay alias »GG« schlägt seiner Mutter zwei Zähne aus

Muhammad Ali reist zu Saddam Hussein

Cassius Clay wird das Fahrrad gestohlen

Als Cassius Clay vier Dollar durch die Lappen gingen

Muhammad Ali haut die Beatles um

Cassius Clay fliegt mit umgeschnalltem Fallschirm nach Rom

Cassius Clay isst sechs Steaks

Cassius Clay versenkt seine Goldmedaille (nicht) im Ohio

Cassius Clay legt seinen »Sklavennamen« ab

Muhammad Ali lässt sich scheiden, weil seine Frau sich zu sexy anzieht

Muhammad Ali wird zum Selbstdarsteller

Cassius Clay wird ausgemustert

Als Muhammad Ali keinen Ärger mit dem Vietcong hatte

Muhammad Ali bleibt einfach stehen

Muhammad Ali kommt ins Guinnessbuch

Muhammad Ali macht per Anhalter einen WM-Kampf klar

Muhammad Ali singt am Broadway und spielt im Fernsehen einen Sklaven

Muhammad Alis Boxhandschuhe werden für fast eine Million Dollar versteigert

Muhammad Ali inspiriert Sylvester Stallone zu »Rocky«

Muhammad Ali besucht seine irischen Verwandten

Muhammad Ali widerspricht Donald Trump

Muhammad Ali trifft den Dalai Lama

Elvis Presley schenkt Muhammad Ali eine diamantenbesetzte Robe

Muhammad Ali wird ein Feiertag gewährt

Muhammad Ali kauft 2000 Tickets für seinen eigenen Kampf in München

Muhammad Ali hält einen Lebensmüden vom Suizid ab

»Bundini« Brown versetzt für 500 lausige Dollar Muhammad Alis Gürtel

Muhammad Ali und Joe Frazier versöhnen sich der Töchter zuliebe

Eine Kuhglocke läutet Muhammad Alis Abschied ein

Wieso Muhammad Ali so viele Autogramme schreibt

Wie ein japanischer Pelikan Muhammad Ali einmal fast die Beine brach

Quellenverzeichnis

Einleitung

»Einige Tassen Liebe und einen Teelöffel Geduld, einen Esslöffel Großzügigkeit, eine Prise Güte, einen Viertelliter Heiterkeit« – das alles hat der Schöpfer, den Muhammad Ali seit mehr als fünf Jahrzehnten Allah nennt, jedem Menschen geschenkt. Dies ist das Glaubensbekenntnis jenes Mannes, der sich selbst schon unbescheiden »der Größte« nannte, bevor er es wurde. Es gab Zeiten, da hatte Muhammad Ali, der als Cassius Clay auf die Welt gekommen ist, das bekannteste Gesicht der Welt, und seiner Meinung nach auch das schönste. Mehr als 30 Jahre sind seit Alis letztem Auftritt im Ring vergangen, doch sein Kampf ist noch lange nicht vorbei. Wie er früher mit einer nie zuvor gesehenen Anmut seine sportlichen Rivalen schlug und seine viel zahlreicheren Gegner außerhalb des Vierecks in seinem Kampf für seine Überzeugungen und gegen Ungerechtigkeit, Rassentrennung, Krieg und Hass niederrang (und manchmal auch niederbrüllte), kämpft Ali heute mit mindestens ebenso großer Leidenschaft für Frieden und Versöhnung zwischen den Völkern. Und ein bisschen auch um sich selbst.

Aus dem größten Boxer und lautesten Großmaul aller Zeiten ist ein leiser, zitternder Prediger der Liebe geworden. Ein Humanist. Ein kranker Mann, der einst groß und stark und charismatisch und – ja, auch das – schön war. Der erste globale Held der Popkultur. Er gehört immer noch zu den bekanntesten Menschen auf diesem Erdball. Die Versuchung ist groß, ihn als Märtyrer und fast schon Heiligen zu verehren.

Doch Muhammad Ali ist kein Heiliger und war es nie. Er ist nicht unfehlbar, einige seiner Charaktereigenschaften sind nicht einmal sympathisch. Seine schamlosen Übertreibungen bewegten sich am Rande der Gotteslästerung, seine wüsten Beschimpfungen der Gegner entbehrten oft jedes guten Geschmacks. Dazu kommt ein sorgloser Umgang mit Geld, der dazu führte, dass Ali und seine vielköpfige Entourage am Ende seiner Karriere rund 100 Millionen Dollar verprasst hatten. Und wie so viele Legenden des Sports sonnte sich Muhammad Ali so gern im Licht des Ruhms, dass er mehrmals den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören verpasste. Zwar gehen die Ärzte heute davon aus, dass er auch an Parkinson erkrankt wäre, wenn er niemals im Ring gestanden hätte, doch dass er zu viele Schläge für ein einziges Leben eingesteckt hat, das kann nicht mal er – stets ein Meister der Verdrängung – leugnen.

Muhammad Ali sieht seine Erkrankung, die ihm seine Geschwindigkeit und sein Mundwerk, nicht aber seinen wachen Geist geraubt hat, als ultimative Prüfung an. Und gerade die Demut, mit der er mit seiner Krankheit umgeht, gibt einem die Gewissheit: Muhammad Ali ist wahrhaftig ein Mensch. Oder, wie er es selbst einmal sagte: »Ich begnüge mich damit, als großartiger Boxer in Erinnerung zu bleiben, der ein Champion und Fürsprecher seiner Leute wurde. Und es würde mich nicht einmal stören, wenn die Leute vergäßen, wie gut ich aussah.«

Anmerkung: In den folgenden Geschichten wird Muhammad Ali so lange mit seinem TaufnamenCassius Clay vorgestellt, wie er sich selbst sonannte.

Cassius Clay erfindet das Unterwasserboxen

Im Sommer 1961 ist Cassius Clay ein weitgehend unbekannter, 19 Jahre alter Jungprofi mit einem Kampfrekord von 8:0, erkämpft gegen ebenfalls weitgehend unbekannte Gegner. Wären nicht sein Olympiasieg im Vorjahr und sein großes Mundwerk gewesen, er wäre kein Thema für Sports Illustrated, auch wenn dieses Magazin zum damaligen Zeitpunkt noch nicht so bedeutend ist, wie es später werden sollte. Im Sommer 1961 schickt Sports Illustrated zur Bebilderung eines Beitrags den recht bekannten freien Fotografen Flip Schulke zu Clay ins Trainingscamp. Zu dessen großen Besonderheiten gehörten schon zu Beginn seiner Karriere sein unverkrampftes Verhältnis zu Journalisten und sein enormes Talent zur Selbstvermarktung. Clay nahm sich nicht nur für jeden Journalisten Zeit, er interessierte sich auch wirklich für deren Arbeit.

Nachdem Schulke seine Fotos gemacht hat, kommt er mit dem Boxer ins Gespräch. Als Clay herausfindet, dass der Fotograf auch für das damals legendäre Fotoreportagen-Magazin Life arbeitet und am liebsten Unterwasserfotos macht, bekommt er große Augen. Er mache oft im Pool Schattenboxen, behauptet Clay begeistert. Der Widerstand des Wassers sei so groß, dass der Eindruck entstehe, man boxe gegen ein Schwergewicht. Sein alter Trainer in Louisville habe ihm das beigebracht. Der Fotograf hat noch nie von Unterwasserboxen gehört, doch die Begründung leuchtet ihm ein. Er ruft in der Life-Redaktion an, die sofort eine große Geschichte wittert. Schulke bekommt den Auftrag, im September erscheint eine vierseitige Reportage über den jungen Cassius Clay, der im Schwimmbad trainiert. Die Pointe: Weder er noch sonst ein Boxer vor ihm haben jemals unter Wasser geboxt. Heute wird diese Trainingsmethode gelegentlich eingesetzt, vor allem weil sie die Gelenke schont. Doch damals hat das PR-Genie Clay die Geschichte einfach erfunden, um seine Bekanntheit zu steigern. Bis heute ist er Nichtschwimmer.

Cassius Clay alias »GG« schlägt seiner Mutter zwei Zähne aus

Eigentlich hatte Cassius Marcellus Clay seinen Erstgeborenen Rudolph Valentino nennen wollen, doch seine Frau Odessa »Bird« bestand darauf, dass der am 17. Januar 1942 geborene Junge Cassius Marcellus junior heißen sollte. Ihr gefiel der Name einfach. Also wurde das Baby, das heute die ganze Welt als Muhammad Ali kennt, auf den Namen des Vaters getauft. Gerufen wurde Cassius als Kind von seiner Mutter aber weder »Junior« noch – wie der Vater – »Cash«, sondern »GG«. »Das war das Erste, was er sagen konnte«, erklärte Odessa später.

Als Cassius seine ersten Siege errungen hatte, widmeten Mutter und Sohn den Spitznamen einfach um: Von nun an hieß es, GG stehe für »Golden Gloves«, das bedeutendste US-amerikanische Boxturnier für Jugendliche, das Ali in seinem Heimat-Bundesstaat mehrmals gewann. Sein Weg muss einfach vorgezeichnet gewesen sein. Das stützt auch eine andere von Odessa gern vorgetragene Anekdote: Als sie ihn einmal wickelte, ungefähr im Alter von sechs Monaten, habe er wie verrückt mit seinen Ärmchen gerudert. Wie Babys es nun mal tun. Doch dieses eine Mal habe er seine Mutter mitten ins Gesicht getroffen und ihr zwei Zähne ausgeschlagen. »So stark war er damals schon. Er musste einfach Boxer werden«, sagte sie 1978 in der BBC-Sendung »This is your Life«.