image1
Logo

Die Autorin

Susanne Danzer, examinierte Krankenschwester, Fachautorin, Pflegetherapeutin Wunde ICW e. V., zertifizierte Wundexpertin ICW e. V., geprüfte Wundberaterin AWM®, Pflegeexpertin Haut WMAK, Pflegeexpertin Unterdrucktherapie WMAK, Pain Nurse, Pain Nurse Plus, arbeitet im Homecare Bereich.

Susanne Danzer

Palliative Wundversorgung

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

 

Piktogramme

Images

Definition

Images

Tipp

Images

Merke

Images

Warnung

1. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-029096-9

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-029097-6

epub:    ISBN 978-3-17-029098-3

mobi:    ISBN 978-3-17-029099-0

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhalt

 

 

 

 

  1. Vorwort
  2. 1 Allgemeines
  3. 1.1 Physiologische Wundheilungsphasen
  4. 1.2 Kriterien zur Wundbeurteilung
  5. 2 Tumorwunden
  6. 2.1 Präkanzerosen und Hauttumoren
  7. 2.2 Tumorwachstum und Tumorzerfall
  8. 2.3 Entartung von Wunden
  9. 2.4 Häufigste Tumorarten
  10. 3 Probleme und Symptomkontrolle bei Tumorwunden
  11. 3.1 Wundreinigung
  12. 3.2 Atraumatischer Verbandswechsel
  13. 3.3 Auswahl von Wundauflagen
  14. 3.4 Exsudation
  15. 3.5 Exsudatmanagement
  16. 3.6 Blutung
  17. 3.7 Blutungsmanagement
  18. 3.8 Geruch
  19. 3.9 Geruchsmanagement
  20. 3.10 Infektion
  21. 3.11 Infektionsmanagement und -prophylaxe
  22. 3.12 Schmerz
  23. 3.13 Schmerzmanagement
  24. 3.14 Wundrand und Wundumgebung
  25. 4 Therapiebedingte Wunden
  26. 4.1 Strahlenulzerationen
  27. 4.2 Paravasat
  28. 5 Dokumentation
  29. 6 Allgemeine palliative Wundversorgung
  30. 6.1 Auswahl der Verbandstoffe
  31. 6.2 Exsudatmanagement
  32. 6.3 Infektionsmanagement/Infektionsprophylaxe
  33. 6.4 Geruchsmanagement
  34. 6.5 Schmerzmanagement
  35. 7 Dekubitus am Lebensende
  36. 8 Haustiere
  37. Farbabbildungen
  38. Literatur
  39. Stichwortverzeichnis

Vorwort

 

 

 

Die Zahl der Menschen, die eine palliative Wundversorgung benötigen, nimmt stetig zu und stellt die Behandler vor immer neue Herausforderungen. Die palliative Versorgung von Betroffenen ist ein komplexes Gebiet. Mit diesem Buch soll ein Teilaspekt, nämlich die palliative Wundversorgung, herausgegriffen und erläutert werden.

Bei der Versorgung dieser Betroffenen ist es wichtig, dass die Zielsetzung eine andere ist als bei sonstigen Wundversorgungen, da die palliative Wundversorgung vom Ziel der Abheilung der Wunde abrückt. Das erfordert von denjenigen, die sich mit palliativer Wundversorgung auseinandersetzen müssen bzw. wollen und betroffene Menschen betreuen, zumeist ein Umdenken, denn verständlicherweise ist das erstrebenswerte Ziel eines jeden, der sich mit Wundbehandlung beschäftigt, die Wunde erfolgreich zur Abheilung zu bringen. In Palliativsituationen liegt der Fokus allerdings auf der Verbesserung bzw. dem Erhalt der Lebensqualität.

Palliative Wundversorgung erfordert und fordert ein hohes Maß an Empathie und die erhöhte Bereitschaft, die Wünsche des Betroffenen zu akzeptieren, und das Leiden desjenigen und gelegentlich auch die eigene Hilflosigkeit auszuhalten.

Das alles macht diesen Zweig der Wundversorgung nicht einfach, und dennoch zu einem Wichtigen und Lohnenswerten.

»Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.«

Cicely Saunders (Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin, † 2005)

1         Allgemeines

 

 

 

Was heißt palliativ?

pal-li-a-tiv

•  Wortart: Adjektiv

•  Gebrauch: Medizin

•  Bedeutung: schmerzlindernd; die Beschwerden einer Krankheit lindernd, aber nicht (mehr) die Ursachen einer Krankheit bekämpfend.

•  Herkunft: zu spätlateinisch palliare = mit einem Mantel bedeckend.

(Quelle: Duden)

Images Images Images

Palliativmedizin/Palliative Care nach WHO

Palliativmedizin/Palliative Care ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, gewissenhafte Einschätzung und Behandlung von Schmerzen, sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art (WHO 2002).

Die fünf Sterbephasen nach Elisabeth Kübler-Ross

•  Nicht-wahr-haben-Wollen und Isolierung/Rückzug

•  Zorn/Aggression

•  Verhandeln

•  Depression

•  Akzeptanz

Menschen in Palliativsituationen durchlaufen diese fünf Sterbephasen, mehr oder weniger offensichtlich. Insbesondere in den Phasen des Zorns/der Aggression und der Depression ist die Durchführung der Wundbehandlung schwierig. Wichtig ist es, in einer solchen Situation darauf zu achten, die Ablehnung nicht persönlich zu nehmen.

Images Images Images

Palliative Wundversorgung

»Palliative Wundversorgung heißt, dass der Betroffene sich in einer Situation befindet, in der trotz aller Maßnahmen, die ergriffen werden, es aufgrund der Erkrankung bzw. des Zustandes des Menschen zu keiner Abheilung der Wunde mehr kommen kann. Dies betrifft in der Regel Menschen am Ende ihres Lebens, bei denen der Tod absehbar ist« (Danzer 2013).

Wichtig ist es, stets zu beachten, dass der Betroffene jederzeit das Recht hat, Behandlungen abzulehnen, einschließlich belastender oder unangenehmer Maßnahmen der Wundversorgung.

Unterschied zwischen palliativer und kurativer Wundversorgung

a) Palliative Wundversorgung

•  Ziel: Erhalt bzw. Förderung/Verbesserung der Lebensqualität

b) Kurative Wundversorgung

•  Ziel: Abheilung der Wunde

Zielsetzung der palliativen Wundversorgung

Die Zielsetzung der palliativen Wundversorgung besteht im Erhalt bzw. in der Verbesserung der Lebensqualität des Betroffenen. Erreicht wird dies über die Symptomkontrolle/-linderung und deren Management. Hierzu zählen:

•  Exsudatmanagement

•  Blutungsmanagement

•  Schmerzmanagement

•  Geruchsmanagement

•  Infektionsmanagement

•  Hautschutz und Hautpflege des Wundrandes/der Wundumgebung

Bei Wunden in palliativen Situationen, die aller Wahrscheinlichkeit nach bis zum Tod des Betroffenen nicht mehr zur Abheilung kommen, handelt es sich deshalb um chronische Wunden. Ob eine Wunde noch zur Abheilung kommen kann, hängt davon ab, um was für eine Wunde es sich handelt, wie groß sie ist und über wie viele Ressourcen der Körper noch verfügt.

Images Images Images

Chronische Wunde

Von einer chronischen Wunde spricht man, wenn trotz adäquater Therapie keine Heilungstendenz zu erkennen ist und die Wunde nicht innerhalb der physiologischen Abheilzeit von 8 Wochen abgeheilt ist.

1.1        Physiologische Wundheilungsphasen

Auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Abheilung in einer palliativen Situation gering ist, sollten die physiologischen Wundheilungsphasen bekannt sein, da diese wichtig für die Auswahl der passenden Verbandstoffe/Wundauflagen sind.

Bei exulzerierenden Tumorwunden wird die Auswahl der Verbandstoffe entsprechend der Symptome, die sich zeigen, ausgewählt, da hier keine physiologischen Wundheilungsphasen erkennbar sind.

1.1.1      Hämostase (Blutstillung)

Die Hämostase wird direkt und unmittelbar als Reaktion auf eine Verletzung eingeleitet. Während dieser Phase erfolgen durch den Austritt von Blut und Plasma aus den verletzten Gefäßen eine Aktivierung der Blutgerinnung und ein Verkleben der Wunde mit Fibrin.

Zuerst verengen sich die Kapillaren, anschließend kommt es schon nach wenigen Sekunden zu einer Vasokonstriktion (Verengung von Gefäßen), wodurch der Blutfluss im Wundgebiet nachlässt.

Durch ein Zusammenballen und Verkleben von Erythrozyten und Thrombozyten bildet sich ein Thrombus, der die verletzte Stelle verschließt, sodass es zu einer Blutstillung kommt. (Vgl. Danzer, 2014a.)

1.1.2      Exsudationsphase (Reinigungsphase)

In der Exsudationsphase kommt es durch eine lokale Entzündungsreaktion zu einer verstärkten Exsudation. Die starke Exsudatbildung unterstützt die Wundsäuberung durch Ausschwemmung von Zelltrümmern, Fremdkörpern und Bakterien.

Die im Exsudat enthaltenen und aus der Wundumgebung eingewanderten Makrophagen und Granulozyten beginnen in dieser Phase mit der Wundreinigung. Neben der Bekämpfung von Mikroorganismen vermitteln Makrophagen Antigene an die Lymphozyten und produzieren verschiedene Wachstumsfaktoren.

Die Reinigungsphase sekundär heilender Wunden ist aufgrund der lokalen Entzündung durch eine starke Exsudation von eiweißreichem Wundexsudat gekennzeichnet.

Gleichzeitig kommt es zu einem ersten Einwandern von Fibroblasten aus der Wundumgebung in das Wundgebiet.

Images Images Images

Wichtig ist hierbei, dass die Entzündungsreaktion nicht mit einer Wundinfektion gleichgesetzt werden darf. Die ablaufende lokale Entzündungsreaktion dient praktisch als »Initialzündung« für den Beginn der Wundheilungsvorgänge. Initiiert werden eine Mehrdurchblutung des Wundgebiets und zudem die Erhöhung des Nährstoffgehalts in der Wunde, des Sauerstoffgehalts und der Anzahl der Abwehrzellen. Außerdem kommt es zu einem verstärkten Abtransport von Abbauprodukten, die während der Reinigungsphase anfallen und einem Anlocken anderer für die Wundheilungsvorgänge wichtiger Zellen. (Vgl. Danzer, 2014a.)

1.1.3      Granulationsphase (Proliferationsphase)

Makrophagen und Granulozyten im Wundgebiet setzen Faktoren frei, die eine verstärkte Einwanderung von Fibroblasten in das Wundgebiet anregen.

Die Fibroblasten beginnen mit der Bildung von Kollagen, das die Wunde nach und nach in Form von Granulationsgewebe auffüllt.

Das während dieser Phase gebildete Granulationsgewebe ist gefäß-, zell- und kollagenreich und rot-glänzend. Die Exsudation lässt deutlich nach.

EndothelzellenNeoangiogenese