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Jana Hummel
Daniel Kopf
Martin Hautzinger
Cecilia Weisbrod

Kognitive Verhaltenstherapie mit depressiven geriatrischen Patienten

Ein Manual für die Gruppentherapie

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen/Texten ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

1. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-024810-6

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-024811-3

epub:    ISBN 978-3-17-024812-0

mobi:    ISBN 978-3-17-024813-7

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Für Herrn Professor Peter Oster, der uns nicht nur während der Studienphase fachlich, strukturell und vor allem menschlich immer unterstützte.

Inhalt

 

 

 

 

  1. 1 Einführung
  2. Jana Hummel
  3. 2 Ambulante Kognitive Verhaltenstherapie mit depressiven Älteren
  4. Martin Hautzinger
  5. 2.1 Wirksamkeit ambulanter Kognitiver Verhaltenstherapie mit älteren Depressiven
  6. 2.2 Metaanalysen zu Psychotherapien bei älteren Depressiven
  7. 2.3 Spezielle Patientengruppen
  8. 2.4 Fazit und Schlussfolgerungen
  9. Literatur
  10. 3 Typische körperliche Probleme im Alter
  11. Daniel Kopf
  12. 3.1 Multimorbidität, Vulnerabilität und Funktionsverlust
  13. 3.2 Zusammenhang der Depression mit Gebrechlichkeit und somatischer Morbidität
  14. 3.3 Geriatrische Syndrome
  15. 3.4 Geriatrisches Assessment
  16. 3.5 Geriatrische Therapie
  17. 3.6 Antidepressive Therapie bei Gebrechlichkeit
  18. 3.7 Therapie der Depression: Einfluss auf die somatische Gesundheit
  19. Literatur
  20. 4 Besonderheiten in der Organisation und den Abläufen der Psychotherapie mit körperlich erkrankten Hochbetagten
  21. Jana Hummel
  22. 4.1 Besonderheiten durch körperliche Einschränkungen
  23. 4.2 Besonderheiten in der depressiven Symptomatik
  24. 4.3 Kognitive Beeinträchtigung
  25. Literatur
  26. 5 Das Programm
  27. Cecilia Weisbrod
  28. 5.1 Ablauf der Therapiesitzungen
  29. 5.2 Modul 1: Psychoedukation
  30. 5.3 Modul 2: Aktivierung
  31. 5.4 Modul 3: Kognitionen
  32. 5.5 Modul 4: Ressourcen
  33. Literatur
  34. Stichwortverzeichnis

Zusatzmaterial:

Zu den Modulen des Manuals gibt es Arbeitsblätter, Übungen, Pläne, Listen und Texte, die kostenfrei im Internet heruntergeladen werden können (weitere Informationen hierzu finden Sie auf S. 9).

1          Einführung

Jana Hummel

 

Vom Januar 2010 bis März 2013 führte die Arbeitsgruppe um Dr. Jana Hummel, Dr. Cecilia Weisbrod, PD Dr. Kopf und Professor Peter Oster am Geriatrischen Zentrum Agaplesion Bethanien in Heidelberg mit der freundlichen Förderung der Dietmar-Hopp-Stiftung und der Robert-Bosch-Stiftung erfolgreich eine Studie zur Anwendbarkeit und Effektivität eines Gruppenprogramms kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) bei multimorbiden, hochaltrigen Patienten mit komorbider Depression durch. Der Ablauf orientierte sich an dem Programm zur KVT mit Senioren von Professor Martin Hautzinger, Universität Tübingen, der im Folgekapitel die Vorarbeiten seiner Gruppe sowie die derzeitige Studienlage darstellt

Es zeigte sich, dass auch für dieses Patientenklientel eine KVT durchführbar ist, wenn man gewisse organisatorische Besonderheiten beachtet. Des Weiteren konnte mit der KVT ein ausgeprägter und umfassender positiver Therapieeffekt erzielt werden, der nicht nur die psychischen Symptome betraf, sondern auch zu einer deutlichen Besserung des Gesundheitszustandes, der Alltagskompetenz, des Aktivitätsniveaus und der kognitiven Leistung führte. Es zeigten sich aber auch thematische und organisatorische Besonderheiten, die eine Adaptation der bisher bestehenden Manuale unter Berücksichtigung der körperlichen Einflussfaktoren notwendig machten.

In das nachfolgende Manual fließen neben den Erfahrungen aus den Therapiesitzungen die Ergebnisse der quantitativen Analyse des Behandlungserfolges und der qualitativen Untersuchung der spezifischen Bedürfnisse multimorbider Hochbetagter in der Psychotherapie ein.

Die Materialien1 zum Manual können Sie unter diesem Link kostenfrei herunterladen: http://downloads.kohlhammer.de/?isbn=978-3-17-024810-6 (Passwort: zx9a3l4h).

Der Dank der Autoren gilt all denjenigen, die die wissenschaftlichen Arbeiten und deren Veröffentlichung möglich gemacht haben, insbesondere den Patienten/-innen, Schwestern und Pflegern, Therapeuten, Sekretärinnen und Ärzten/-innen am Bethanien Krankenhaus in Heidelberg, den Doktorandinnen Leila Bösch und Katharina Himpler, der Robert-Bosch-Stiftung, der Dietmar-Hopp-Stiftung, dem Kohlhammer-Verlag.

Ein immerwährender Dank geht natürlich an die Familien, die Freunde und alle, die uns gelehrt haben und lehren, denn ohne sie stünden wir nicht, wo wir stehen.

1     Wichtiger urheberrechtlicher Hinweis: Alle zusätzlichen Materialien, die im Download-Bereich zur Verfügung gestellt werden, sind urheberrechtlich geschützt. Ihre Verwendung ist nur zum persönlichen und nichtgewerblichen Gebrauch erlaubt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

2          Ambulante Kognitive Verhaltenstherapie mit depressiven Älteren

Martin Hautzinger

 

Depressionen im Alter sind eine häufige Erkrankung. Sie betreffen etwa jeden sechsten Patienten in allgemeinärztlichen Praxen und zu einem noch höheren Prozentsatz die Patienten bei Fachärzten, in Krankenhäusern und in Heimen. Insbesondere im Alter ziehen Depressionen ernsthafte gesundheitliche Risiken, körperliche Erkrankungen sowie eine erhöhte Mortalität nach sich und verursachen dadurch hohe Folgekosten. Depressionen im höheren Lebensalter werden häufig nicht bzw. nicht rechtzeitig erkannt. Werden sie erkannt, so erfolgt häufig keine angemessene Behandlung, obgleich erfolgreiche und evidenzbasierte pharmakologische und psychologische Behandlungen verfügbar sind. Dies gilt jedoch nur bedingt für die Gruppe der depressiven älteren Patienten und in noch geringerem Maße für Patienten mit komorbiden körperlichen, chronischen Krankheiten.

2.1        Wirksamkeit ambulanter Kognitiver Verhaltenstherapie mit älteren Depressiven

Wir haben mehrere Studien (Hautzinger & Welz, 2004; Hautzinger & Welz, 2008) zur Überprüfung der Wirksamkeit kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionen bei älteren depressiven Menschen unter ambulanten Rahmenbedingungen durchgeführt. Dabei sollte auch der Frage nachgegangen werden, ob Gruppentherapien vergleichbare Effekte wie Einzeltherapien erbringen. Außerdem sollte geprüft werden, ob eine spezifische, mit verschiedenen Übungen und Materialien verbundene Psychotherapie (KVT) die depressive Symptomatik wirksamer reduziert als eine unspezifische, allgemeine, unterstützende Psychotherapie.

2.1.1      Stichproben

Alle eingeschlossenen Personen sind mindestens 65 Jahre alt und litten aktuell an einer Depression. Die Patienten wurden entweder durch einen Arzt überwiesen oder meldeten sich selbst. Zum größten Teil bestanden die Stichproben (Images Tab. 2.1) aus Frauen, die Teilnehmer waren im Mittel um die 70 Jahre alt. Mehrheitlich lag eine mittelschwere depressive Episode vor. Entsprechend wurden zwei Drittel der Studienteilnehmer zu Studienbeginn und während der gesamten Studienzeit gleich bleibend mit Antidepressiva behandelt. Die Patienten sind kognitiv nicht (Hautzinger & Welz, 2004) bzw. nur leicht eingeschränkt (Hautzinger & Welz, 2008).

Therapie (KVT) N = 65Warten N = 35Therapie (KVT) N = 58Therapie (SuT) N = 51

Tab. 2.1: Stichprobenmerkmale der Untersuchungsgruppen

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Alle Patienten wurden über das jeweilige Forschungsvorhaben aufgeklärt und mussten ihre ausdrückliche Zustimmung zur Teilnahme an der Studie und zu den Studienbedingungen geben. Von der Studienteilnahme ausgeschlossen wurden diejenigen Patienten, bei denen keine Depression oder eine andere psychische Störung bzw. akute Suizidalität vorlag. Eine parallele Psychotherapie war nicht erlaubt.

Die letztlich in Studie 1 (Hautzinger & Welz, 2004) aufgenommenen 100 älteren, depressiven Patienten wurden zufällig im Verhältnis 2:1 auf die experimentelle Therapiegruppe oder auf die Wartekontrollgruppe verteilt. In der Kontrollgruppe brachen 5 (14%) Patienten während der Wartezeit und 7 (20%) weitere Patienten während der sechsmonatigen Nachkontrollphase die Studienteilnahme ab. In der KVT Therapiebedingung schieden 10 (15%) Patienten vorzeitig aus, weitere 5 (8%) Patienten während der Katamnese. An der Studie 2 (Hautzinger & Welz, 2008) nahmen insgesamt 109 ältere depressive Patienten teil. Knapp die Hälfte (45,3 %) zeigten leichte kognitive Beeinträchtigungen. Die Abbruchrate lag insgesamt bei 14 Prozent, bei der spezifischen Psychotherapie (KVT: 7 Personen) bei 12 Prozent. Zur einjährigen Katamnese konnten noch Dreiviertel (71 bis 78 %) der Ausgangsstichprobe persönlich nachuntersucht werden.

Alle Patienten wurden zunächst von unabhängigen, trainierten Klinikern diagnostisch untersucht und bezüglich der Ein- bzw. Ausschlusskriterien geprüft. Unmittelbar im Anschluss an die informierte Einwilligung erfolgte die Zuweisung zu einer der Studienbedingungen durch die Studienzentrale anhand von zuvor erstellten Randomisierungslisten. Die Interventionsphase dauerte 3 bzw. 4 Monate, woran sich eine Katamnese von 6 bzw. 12 Monaten anschloss. Der Wartegruppe wurde nach Abschluss der Studie die Teilnahme an einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Gruppe (kostenlos) angeboten.

2.1.2      Psychotherapie

Das kognitiv-verhaltenstherapeutische Programm (KVT) folgte dem von Hautzinger (2000) beschriebenen und in einigen Vorstudien bereits erprobten Vorgehen. Die zwölf bzw. 15 Behandlungssitzungen fanden ambulant im wöchentlichen Abstand statt. An den Gruppentherapien (Dauer zwischen 100 und 120 Minuten) nahmen zwischen 5 bis 7 Patienten teil. Die Einzeltherapien dauerten 50 bis 60 Minuten. Die Intervention war strukturiert und durch vorgegebene Inhalte und Materialien weitgehend standardisiert. Die ersten Gruppensitzungen waren dem gegenseitigen Kennenlernen, der Erarbeitung eines kognitiv-verhaltenstheoretischen Erklärungsmodells der Depression sowie der Definition persönlicher Problembereiche mit entsprechender Ableitung von Zielen für die Gruppenintervention gewidmet. Die Sitzungen 3 bis 6 fokussierten auf Aktivitätsaufbau, Steigerung angenehmer und Abbau belastender Alltagserfahrungen sowie Tagesstrukturierung. Die Sitzungen 6 bis 10 vermittelten kognitive Methoden zum Erkennen von automatischen, dysfunktionalen Gedanken und deren Selbstkontrollmöglichkeiten. Die Sitzungen 11 bis 14 drehten sich um den Aufbau von selbstsicherem Verhalten und sozialer Kontaktfähigkeit, wobei der Schwerpunkt auf der konkreten Durchführung von Verhaltensübungen lag. Themen der Abschlusssitzung waren die Beibehaltung des Therapieerfolgs, Erkennen und Umgang mit Krisen und Rückschlägen, Notfallplanung.

2.1.3      Erfolgsmessungen

Die Geriatrische Depressionsskala (GDS) ist ein Selbstbeurteilungsinstrument, das speziell für die Untersuchung älterer Menschen entwickelt wurde. Es besteht aus 30 Items und erlaubt die Beurteilung des Schweregrads einer aktuellen Depression. Werte über 13 Punkte gelten als klinisch auffällig und trennen depressive von nichtdepressiven Patienten mit hoher Sicherheit (Spezifizität 89%). Die deutschsprachige Adaptation (Gauggel & Birkner, 1999) hat sich bewährt und weist gute psychometrische Merkmale auf.

Mit dem Inventar Depressiver Symptome (IDS) werden das Ausmaß und die Schwere aktueller depressiver Beschwerden, jedoch als eine Fremdbeurteilung durch einen unbeteiligten Kliniker gemessen. Basierend auf einem Gespräch mit dem Patienten hat ein Kliniker insgesamt 26 aus 28 Items zu beurteilen. Ab 20 Punkten erreicht der Summenwert klinische Relevanz. Die deutschsprachige Adaptation (Hautzinger, 2013) hat sich bewährt und weist gute psychometrische Merkmale auf. Die Korrelation mit der häufig verwendeten Hamilton Depression Ratingskala beträgt r = .92.

2.1.4      Ergebnisse

Sowohl die selbstberichtete (GDS) als auch die per Fremdurteil erfasste (IDS) depressive Symptomatik reduziert sich bei der mit KVT behandelten Patientengruppe signifikant, während die Wartekontrollgruppe keine Veränderung in der Depressionsschwere über die Zeit zeigte. Die positiven Effekte sind auch noch zur Katamnese (6 Monate nach Behandlungsende) erhalten. Die Hoffnungslosigkeit wird durch die kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen ebenfalls günstig beeinflusst, während auch hier die Kontrollgruppe kaum Veränderungen zeigt. Die erwartete Wechselwirkung zwischen Gruppe (KVT, WG) und Zeit (Woche 0, Woche 12 und Woche 36) wird in Abbildung 2.1 anhand der Fremdbeurteilungen (IDS) deutlich. Die Reduktion der depressiven Symptomatik um 12 Punkte stellt dabei nicht nur ein statistisch signifikantes Ergebnis dar, sondern darf auch als klinisch bedeutsam eingestuft werden.

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Abb. 2.1: Fremdbeurteilung depressiver Symptome über die drei Hauptmesszeitpunkte der Wartegruppe und der Gruppentherapie (Hautzinger & Welz, 2004)

Zur Beurteilung der klinischen Signifikanz und Relevanz der erzielten Veränderungen wurde die Abweichung von einer Standardabweichung als kritischer Grenzwert festgelegt. Anhand der in den jeweiligen Testpublikationen genannten Kennwerte für klinische und nichtklinische Gruppen ergab sich für die GDS ein kritischer Wert von +/– 4 Punkten und für das IDS ein kritischer Wert von +/– 10 Punkten. Erfreulicherweise können 55,3% der Patienten als durch die KVT verbessert eingestuft werden. Durch Warten verbesserten sich lediglich 11,4% (»Spontanremission«). Jedoch verschlechterten sich 17,6% der wartenden Patienten, wohingegen dies unter KVT lediglich in 1,6% der Fälle (1 Patient) eintrat. Zur Nachuntersuchung blieben diese Ergebnisse weitgehend stabil.

In der zweiten Studie (Hautzinger & Welz, 2008) zeigte sich, dass die spezifische KVT einer unspezifischen, unterstützenden Psychotherapie (SuT) knapp überlegen war. Wenngleich die unterstützende Therapie signifikante Effekte bei der Reduktion depressiver Symptomatik zeigte. Ferner erwies sich das individuelle Setting (Einzeltherapie) der Gruppentherapie überlegen (verfehlte jedoch knapp die Signifikanzgrenze). Diese Interaktionseffekte sind in Abbildung 2.2 dargestellt. Es zeigte sich, dass insbesondere die KVT längerfristig stabilere Ergebnisse erzielt als die Kontrollintervention.

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Abb. 2.2: Veränderungen in der depressiven Symptomatik (IDS) durch die Therapie (bis Woche 20) und über ein Jahr Nachkontrolle (bis Woche 72) (Hautzinger & Welz, 2008). KVT I = Einzeltherapie, KVT G = Gruppentherapie, SuT I = Einzeltherapie mit unspezifischer Unterstützung, SuT G = Gruppentherapie mit unspezifischer Unterstützung.

Ältere depressive Patienten mit leichten kognitiven Einschränken profitieren durchaus von einer Psychotherapie. Dabei zeigte sich, dass besonders die individuelle, spezifische Behandlung (KVT I) erfolgreich die depressive Symptomatik reduziert (Images Abb. 2.3). Die Stabilität der Erfolge ist in dieser Patientengruppe jedoch geringer. Auch hierbei erweist sich die individuelle Behandlung katamnestisch als erfolgreicher.

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Abb. 2.3: GDS-Differenzen von der Grundlinie (prä) zu Therapieende bei Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen. Die Abkürzungen sind bei Abbildung 2.2 erläutert.

2.1.5      Diskussion

Unsere strukturierte kognitiv-verhaltenstherapeutische Einzel- bzw. Gruppenintervention (Hautzinger, 2000) wurde von den älteren depressiven Patienten gut angenommen. Die Teilnahme an den Therapieterminen war hoch und zeichnete sich durch rege Mitarbeit aus, Anforderungen wurden gut gemeistert. Großen Anklang fanden die zahlreichen Materialien, die auch in der Zeit nach Behandlungsende weiter verwendet wurden. Die eher niedrigen Abbruchraten waren zumeist durch neu auftretende oder sich verschlechternde körperliche Erkrankungen sowie Reha- bzw. Krankenhausaufenthalte bedingt. Die im Vergleich zu einer unbehandelten Wartekontrollgruppe erzielten Interventionseffekte waren nicht nur statistisch überzufällig, sondern auch von klinischer Signifikanz. Die Effektstärken lagen in einem als hoch zu bezeichnenden Bereich, die als gebessert einzustufenden Patienten erreichten zur Katamnese einen Anteil von nahezu 60 Prozent. Einmal erreichte positive Veränderungen wurden über den Katamnesezeitraum (bis zu 12 Monate) gehalten, z. T. sogar weiter verbessert. Ambulante Psychotherapie für ältere depressive Menschen ist ein hilfreiches Angebot, das sowohl im Gruppen- als auch im Einzelsetting mit großem Erfolg angewandt werden kann.

2.2        Metaanalysen zu Psychotherapien bei älteren Depressiven

2.2.1      Wirksamkeit von Psychotherapie

Grundsätzlich haben sich psychotherapeutische Interventionen gegenüber nichtaktiven Kontrollinterventionen (z. B. Warteliste) und herkömmlicher Behandlung (treatment as usual/TAU; unterstützenden, unspezifischen Psychotherapien/SuT) in der Behandlung depressiver Störungen im höheren Lebensalter als wirksam erwiesen (Gühne et al., 2014; Krishna, 2011). Im Ergebnis verschiedener Metaanalysen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Therapieformats (Einzel-, Gruppentherapie), hinsichtlich des Behandlungsrahmens (ambulant, stationär, teilstationär) oder der Therapieform (Kognitive Verhaltenstherapie vs. andere psychotherapeutische Interventionen). Die positiven Effekte von Psychotherapie in der Behandlung depressiver Störungen bei jüngeren alten Patienten (60 bis 75 Jahre) bzw. älteren, hochbetagteren Patienten (75 bis 90 Jahre) erwiesen sich als vergleichbar (Wilson et al., 2008; Cuijpers et al., 2009). Die Befunde blieben bis ein Jahr nach Behandlungsende stabil (Gould et al., 2012). Die Wirksamkeit weiterer psychotherapeutischer Interventionen (z. B. psychodynamische, interpersonelle Psychotherapie oder Reminiszenztherapie) in der Behandlung älterer Menschen mit einer depressiven Störung ist derzeit noch nicht abschließend zu beurteilen. Gleichwohl geben direkte Vergleichsstudien Hinweise auf die Gleichwertigkeit verschiedener psychotherapeutischer Ansätze zur Behandlung der Depression im Alter (Peng et al., 2009; Cuijpers et al., 2009).

2.2.2      Psychotherapie und Pharmakotherapie in Kombination

Berücksichtigt man die wenigen vorliegenden Studien zu der Frage, ob bei älteren depressiven Patienten eine Kombinationsbehandlung einer Monotherapie (nur Psychotherapie oder nur Pharmakotherapie) überlegen oder vergleichbar effektiv ist, dann zeigt sich, dass eine Behandlung mit Antidepressiva einer Psychotherapie (meist KVT) bei älteren depressiven Patienten gleichwertig ist. Die Kombinationsbehandlung erweist sich gegenüber einer alleinigen medikamentösen Behandlung signifikant überlegen (Francis & Kumar, 2013; Cuijpers et al., 2012). Patienten, welche eine kombinierte Behandlung (Pharmakotherapie und Psychotherapie) erhielten, zeigten eine größere Symptomreduktion sowohl im Fremd- als auch im Selbsturteil (Kiosses et al., 2011). Es gibt jedoch auch Studien (Peng et al., 2009), die keinen signifikanten Unterschied zwischen einer Kombinationstherapie und einer Monotherapie finden.

2.3        Spezielle Patientengruppen

2.3.1      Minore Depression

Auch bei subklinischer Symptomatik (Minor Depression) erwiesen sich psychotherapeutische Ansätze als effektiv (Hegerl et al., 2010). Es lassen sich gegenwärtig mehrere randomisierte kontrollierte Studien finden, in denen die Effekte von Kognitiver Verhaltenstherapie im Gruppenformat gegenüber herkömmlicher Behandlung (medikamentöse Therapie) oder im Wartegruppendesign sowie gegenüber computergestützter KVT evaluiert wurden. Signifikante Effekte hinsichtlich einer Symptomreduktion zugunsten der Experimentalintervention wurden gegenüber herkömmlicher Behandlung (TAU) und Wartekontrollgruppen nachweisbar. Gegenüber computergestützter KVT bzw. gegenüber einer kontrollierten, standardisierten Pharmakotherapie erwies sich die (KVT) Gruppentherapie (direkter Kontakt) vergleichbar (Krishna et al., 2012). Neben einer reduzierten depressiven Symptomatik wurden eine höhere Lebensqualität sowie höhere Remissionsraten und verringerte Inzidenzraten hinsichtlich des Auftretens einer erneuten Depression belegt. Dabei muss auf eine große Heterogenität innerhalb der untersuchten psychotherapeutischen Ansätze und Kontrollbedingungen verwiesen werden (Lee et al., 2012).

2.3.2      Rezidivierende Depressionen

Interventionen mit dem Ziel der Rückfallprophylaxe bei rezidivierenden Depressionen im Alter liegen kaum vor (Wilkinson & Izmeth, 2012). Die interpersonelle Psychotherapie (IPT) führte in Kombination mit Pharmakotherapie zu einer signifikanten Reduktion der Rückfallraten gegenüber einer alleinigen medikamentösen Placebobehandlung. Ebenso konnten Stangier et al. (2013) dies für eine Kognitive Verhaltenstherapie, angereichert mit Akzeptanz- und Achtsamkeitsmethoden (Risch et al., 2012), nachweisen. Allerdings sind diese Einzelstudien nicht speziell auf ältere Patienten ausgerichtet gewesen und haben daher nur vereinzelt Patienten über dem 65. Lebensjahr eingeschlossen.

2.3.3      Schlaganfall

Im Rahmen einer Metaanalyse konnten nur wenige Studien zur Wirksamkeit psychotherapeutischer Interventionen bei depressiven Patienten nach einem Schlaganfall identifiziert werden. Die bislang vorliegenden Ergebnisse sind noch enttäuschend und weisen bislang nicht auf die Relevanz bzw. therapeutische Effekte von Psychotherapie bei dieser Zielgruppe hin (Hackett et al., 2008).

In einer eigenen, bislang nicht publizierten Studie konnten wir im Rahmen einer stationären Rehabilitation (über 4 Wochen) nach Schlaganfall zeigen, dass durch 9 Einzelsitzungen KVT die depressive Symptomatik sehr viel deutlicher gesenkt werden konnte als die in der Klinik übliche psychiatrische (pharmakologische) Therapie (Images Abb. 2.4). Hierbei wurden insgesamt 99 ältere Patienten (mittleres Alter 78 Jahre) zufällig entweder der KVT oder TAU zugewiesen und 4 Wochen lang während des Klinikaufenthaltes behandelt.

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Abb. 2.4: Veränderung in der Selbstbeurteilung (GDS) depressiver Symptome bei depressiven Schlaganfallpatienten von vor (t1) zu nach (t2) Therapie und zur dreimonatigen Katamnese (t3)

2.3.4      Diabetes mellitus

Depressive Störungen komorbid mit Altersdiabetes sind häufig und resultieren in erhöhten Komplikationsraten, Stoffwechselentgleisungen und Mortalität (Petrak & Herpertz, 2009). Bislang liegen kaum kontrollierte Studien zur gezielten psychotherapeutischen Behandlung depressiver Symptome bei vorliegender Altersdiabetes vor (Petrak & Zahn, 2011). Wir haben daher ein KVT-Programm entwickelt, das auf die Beeinflussung der Depression zielt, um darüber auch das Zurechtkommen mit der Diabeteserkrankung, der Reduktion von Gesundheitsrisiken und damit die Steigerung der Lebensqualität zu erreichen (Petrak et al. 2010). Im Rahmen eines noch laufenden Forschungsprojekts bieten wir ein Gruppenprogramm (siehe Kasten) an, das über 12 wöchentliche Therapiesitzungen geht und um 9 monatliche Erhaltungs- und Stabilisierungssitzungen ergänzt wird.

Unser Therapieprogramm (Petrak et al., 2010) hat folgende Elemente:

Modul Schrittzähler

    (Steigerung der körperlichen Aktivität, Erhöhung der täglichen Schrittmenge)

Modul Aktivitätsaufbau und Tagesstrukturierung: