Michael Weger

OCTAGON

Am Ufer der Seele

Roman

Michael Weger

image

Am Ufer der Seele

Roman

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliothek; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

1. Auflage 2015 | Originalausgabe

Copyright © 2015 Sheema Medien Verlag,

Inh.: Cornelia Linder, Hirnsbergerstr. 52, D - 83093 Antwort

Tel.: +49 (0)8053 – 7992952, Fax: +49 (0)8053 – 7992953

http://www.sheema-verlag.de

Copyright © 2015 Michael Weger

Ebook ISBN 978-3-931560-74-4

EPDF ISBN 978-3-931560-75-1

ISBN Buch-Ausgabe 978-3-931560-61-4

Coverabbildung: © shutterstock | kesipun

Autorenfotos: © Isabella Weitz

http://www.isabellaweitz.com/

Bildmaterial/Zeichnungen im Innenteil: © Archiv Michael Weger

http://www.michaelweger.com/

Umschlaggestaltung: Sheema Medien Verlag, Schmucker-digital, http://druckvorstufe.schmucker-digital.de
Patrick Connor Klopf | http://www.bluepepper.at

Gesamtkonzeption: Sheema Medien Verlag, Cornelia Linder

eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de

Alle Rechte vorbehalten. Das gesamte Werk ist im Rahmen des Urheberrechts geschützt. Jegliche von Autor und Verlag nicht genehmigte Verwertung ist unzulässig. Dies gilt auch für die Verbreitung durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische und digitalisierte Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronische Medien, Internet, sowie auszugsweisen Nachdruck und Übersetzungen. Anfragen für Genehmigungen im obigen Sinn sind zu richten an den Sheema Verlag unter Angabe des gewünschten Materials, des vorgeschlagenen Mediums, gegebenenfalls der Anzahl der Kopien und des Zweckes, für den das Material gewünscht wird.
Haftungsausschluss: Dieses Buch dient keinem rechtlichen, medizinischen oder sonstigen berufsorientierten Zweck, sondern ausschließlich Unterhaltungs- und Bildungszwecken. Die hier gegebenen Informationen ersetzen keine fachspezifische Beratung oder Behandlung. Wer rechtlichen, medizinischen oder sonstigen speziellen Rat oder Hilfe sucht, sollte sich an einen geeigneten Spezialisten wenden. Autor und Verlag übernehmen keine Haftung für vermeintliche oder tatsächliche Schäden irgendeiner Art, die in Verbindung mit dem Gebrauch oder dem Vertrauen auf irgendwelche in diesem Buch enthaltenen Informationen auftreten könnten.

Für Luc und Isa, wie alles

Ist das innere Octagon im Ausgleich,
entspringt aus seiner Mitte ein Fluss,
der das Leben trägt und nährt.

(Sanskritinschrift, um 650 v. Chr.)

Wer das ganze All kennt,
und kennt sich selbst nicht,
der kennt das All nicht.
(Thomasevangelium, Logion 67, um 150 n. Chr.)

PROLOG

Die alte Frau war auf dem Gipfel angekommen. Ihre dunkle Silhouette hob sich scharf vom Weiß der Schneelandschaft ab. Trotz des hohen Alters bestieg sie einmal jährlich die Nordflanke des Namenlosen Berges. Ihr war bewusst, dass sie dabei jedes Mal ihr Leben riskierte. Doch nahm sie das Wagnis auf sich. Teils um sich selbst und ihren Körper der Prüfung zu stellen, teils um während der langen Stunden des Aufstiegs mit dem Tod an ihrer Seite ein vertrautes Gespräch zu führen.

So viele Jahre waren vergangen, seitdem sie das erste Mal an das verwitterte Gipfelkreuz gelehnt die dünne Luft eingeatmet hatte. Ihre Augen funkelten aus dem wettergegerbten Gesicht, als sie nun mit Genugtuung den Blick über ihr Land schweifen ließ. Und mehr noch: Sie öffnete den Mund und entließ im kehligen Klang einer uralten Sprache Namen in die Fernen der vier Himmelsrichtungen.

Als würde sie Kinder zu sich rufen, eigene, fremde und vielleicht sogar ungeborene, stieß sie die Worte mit gesammeltem Atem und langen Vokalen in die Weiten hinaus.

Und irgendwo, fern, unter den Dächern der Welt, fanden sie zueinander, die Namen mit ihren Menschen, die sie trugen, und die Paare, die sich auf den Weg machen sollten zu ihr und zur ewigen Lehre am Ufer der Seele.

image

TEIL 1

Shaligram Shila

1

Paul atmete erleichtert aus. Er fuhr sich durchs Haar und brachte dabei den blonden Schopf noch mehr in Unordnung. Als er den stürmischen Applaus bemerkte, huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er verneigte sich kurz und griff nach den Notizblättern.

Mit einem Blick auf die über hundert Zuhörer im Kemenatensaal des Schlosses trat er zum seitlichen Bühnenrand, übersah jedoch den kleinen Treppenvorsprung und stolperte direkt in die Arme von Lena Kessler.

Die engagierte Tagungsleiterin war gerade auf ihn zugekommen, um sich für den beeindruckenden Vortrag zu bedanken. Im letzten Moment konnte sie seinen Sturz noch abfangen. „Doktor Stenson, nicht so schüchtern“, flüsterte sie ihm lächelnd zu. „Das war ganz hervorragend. Kommen Sie doch noch mal mit auf die Bühne und genießen Sie Ihren Applaus.“

Paul starrte sekundenlang in ihr Gesicht und fragte sich, warum ihm diese klaren, dunklen Augen nicht bereits früher aufgefallen waren.

Schließlich folgte er ihrer Aufforderung und ließ sich zurück vor das Auditorium führen.

In den folgenden Minuten unter anhaltendem Applaus hielt er ihren Arm so fest, als wollte er nie mehr loslassen.

Mit den vielen Worten des Lobes, die er während der Signierstunde zu hören bekam, löste sich langsam die Anspannung. Immer wieder blickte er auf die eindrucksvolle Schlange, die sich mittlerweile gebildet hatte. Er war stolz über jeden Teilnehmer, der ihm eines seiner druckfrischen Bücher vorlegte, und nahm sich ausgiebig Zeit für persönliche Widmungen. Zusehends fühlte er sich wieder wohl in seiner Haut.

Zuletzt trat Lena strahlend an ihn heran: „Ich freue mich sehr über Ihren Erfolg. Noch mehr würde ich mich freuen, wenn Sie auch mir eine kleine Zeile widmen.“ Lächelnd reichte sie ihm den Band und während Paul besonders ausführliche Dankesworte formulierte, setzte sie sich elegant auf eine Seite des Tisches. Sein Blick streifte über die grazile Silhouette ihrer Hüften und eine Hitzewelle jagte ihm durch den Körper. Die eben gewonnene Sicherheit geriet sofort wieder ins Wanken. Zugleich erlebte er erneut ein Gefühl tiefer Vertrautheit mit ihr.

„Sie sind nicht sehr geübt im Umgang mit Frauen, nicht wahr, Doktor Stenson?“, sprach sie ihn kokett auf seine Verunsicherung an und fuhr, ohne eine Antwort abzuwarten, fort: „Erstaunlich für einen so attraktiven Mann.“ Sie lächelte verführerisch. „Die Tagung ist zu Ende. Ich muss mich nur noch von einigen Referenten verabschieden. Wie wäre es, wenn wir den Abend zusammen verbringen?“

Paul brachte kein Wort über die Lippen und seine Antwort fiel, in Form von großen Augen und zögerlichem Nicken, wenn auch stumm, so doch allemal liebenswert aus.

Sie hatten sich zum Essen im Arkadencafé verabredet.

Nach umfangreichen Renovierungen in den Achtzigerjahren nahm das Café mit seinem stilvollen Ambiente aus historischer und moderner Architektur das halbe Erdgeschoss des Schlosses Goldegg ein. Das aus dem vierzehnten Jahrhundert stammende Anwesen im österreichischen Salzkammergut bot als Kultur- und Seminarzentrum den idealen Rahmen für Tagungen. Paul war ein paar Minuten zu früh im Café und wählte einen Tisch an einem der seitlichen Rundbogenfenster.

Lena hingegen erschien auf die Minute pünktlich und hatte ein enges, schwarzes Abendkleid angelegt.

Sie sah atemberaubend aus.

In Leinenhose mit dunkelblauem Hemd fühlte sich Paul ihr gegenüber gleich zu leger gekleidet, gestand sich diese Nachlässigkeit aber im Schwung seines erstarkten Selbstvertrauens durchaus zu.

Zum Essen bestellten sie zur Feier des Tages einen Brunello di Montalcino und schon nach dem ersten Glas spürten beide die wohlige Wirkung des schweren Weins.

Das Gespräch fand schnell jene Tiefe, nach der sich Paul in vielen Situationen mit Bekannten oder Freunden oft vergeblich sehnte. Und auch Lena schien die Unterhaltung zu genießen. Sie lachte und flirtete unverhohlen mit ihm, während sie immer wieder kurze Worte an die verbliebenen Tagungsteilnehmer richtete, die gekommen waren, um sich von ihr dankend zu verabschieden.

Auch Paul erhielt noch einiges an Anerkennung und bedankte sich seinerseits voll Freude.

Lena erzählte davon, dass ihr in diesem Monat noch die Abschlussprüfung des Medizinstudiums an der Universität Wien bevorstand. Sie hatte das Studium in Rekordzeit absolviert und geplant, sich im Anschluss alternativen Heilmethoden zuzuwenden. Die Organisation der Jahrestagung zu diesem Thema war ihr nur kurzfristig in den Schoß gefallen.

Ein befreundeter Arzt konnte die Aufgabe – der um Wochen zu frühen Geburt seiner Tochter wegen – nicht mehr wahrnehmen. So kurz vor der Prüfung würde die Zeit nun, mit dem vielen Lernstoff, den Lena noch zu bewältigen hätte, etwas knapp werden, doch war sie überzeugt, ihren Abschluss mit Bravour zu bestehen.

Paul genoss das Gespräch und fühlte sich immer mehr zu ihr hingezogen. Dennoch schreckte ihn ihr ausgeprägter Ehrgeiz etwas ab.

2

Nach dem Essen standen die beiden an der Balustrade der Terrasse. Das Schloss war auf einen Felsvorsprung des Salzburger Sonnenplateaus gebaut und bot bezaubernde Ausblicke.

Sie hatten sich kleine Cocktails aus dem Café mitgenommen und genossen zum ersten Mal an diesem für beide gleichermaßen aufregenden Tag ein paar Momente der Stille.

Die österreichische Landschaft mit ihren Bergen, verzweigten Auen und Bächen lag ihnen zu Füßen. Während die Sonne langsam hinter den westlich gelegenen Gipfeln verschwand, spiegelten sich die Strahlen auf den sanften Wellen des Goldegger Sees.

Ein lauer Spätsommerwind spielte um Lenas dunkles Haar.

Paul war zufrieden. Ihre direkte Art hatte ihn den Abend über zwar immer wieder um Worte ringen lassen, doch fand er sich unter zunehmendem Einfluss des Alkohols immer besser damit zurecht. Nun genoss er ihre Nähe und vor allem das nachhallende Gefühl eines großen Erfolges.

Der Vortrag auf der renommierten Tagung war ihm schon in den vergangenen Wochen wie eine Meisterprüfung erschienen. Er hatte sich gründlich darauf vorbereitet und war doch von erheblichen Selbstzweifeln geplagt gewesen.

Vier Jahre lang war er bereits erfolgreich als Psychotherapeut in der Kölner Gemeinschaftspraxis seines Mentors Doktor Carl Seyfried tätig. Die reiche Erfahrung hätte sein Selbstvertrauen eigentlich ausreichend stärken sollen. Umso mehr fragte er sich, warum ihn der Auftritt vor der durchweg wohlwollenden Zuhörerschaft wieder dermaßen verunsichert hatte.

Nun stand er neben Lena auf der Terrasse und die Gerüche des Landes, das sich zur Nacht bettete, vermischten sich mit dem zarten Duft ihres Parfüms.

Vielleicht reicht unser Unterbewusstsein mitunter ja doch in die Zukunft und hat schon erahnt, dass noch einiges mehr im Spiel war, dachte er jetzt mit einem Lächeln.

Lena griff in ihre Tasche und legte einen schwarz schimmernden Stein vor ihn auf die Balustrade. Das rundliche, fast faustgroße Objekt wies einen schneckenartigen Einschluss in gold-gelber Farbe auf. Sie schwieg.

Paul blickte sie fragend an.

„Ich habe zwei davon. Einer war wohl für dich bestimmt“, sagte sie sanft und wandte sich ihm zu. „Mein Bruder hat sie von einer Weltreise mitgebracht. Das war vor drei Monaten. Seitdem trage ich die Steine bei mir. Er hat mir empfohlen, einen davon einem Menschen zu schenken, der meine Seele berührt. Gut für’s Karma, meinte er.“ Sie lächelte kurz, sah Paul in die Augen und fuhr mit ernster Miene fort: „Weißt du, ich bin in einer Beziehung.“

Paul war einmal mehr überrascht von ihrer direkten Art. „Mit einem verheirateten Mann. Und niemand darf etwas davon wissen“, ergänzte sie mit sarkastischem Unterton. „Doch dieser Mann berührt mich nicht. Nicht mehr. Es ist der Arzt, für den ich die Leitung der Tagung übernommen habe. Mehr muss ich wohl nicht sagen.“

Paul blickte auf die gekräuselten Wellen des Sees, die im letzten Sonnenlicht glitzerten.

„Du musst jetzt nicht antworten“, sprach sie weiter, „ich wollte einfach, dass du weißt, ich bin nicht frei und zugleich wollte ich dir den Stein schenken und dir erzählen, welche Bewandtnis es damit hat. Nach deinem Vortrag dachte ich, es könnte eine heiße Nacht werden. Aber mittlerweile bist du mir zu schade für eine Nacht.“

Paul verschlug es wieder die Sprache. Es mangelte ihm einfach an Übung im Umgang mit Frauen, die sich kein Blatt vor den Mund nahmen. Vor allem, wenn er sie gleichermaßen attraktiv wie faszinierend fand. Allzu oft stand ihm dann seine Schüchternheit im Weg.

„Was“, fragte er ausweichend, „hat es nun mit dem Stein auf sich?“

Lena empfand Pauls Unsicherheit längst als anziehend.

„Mein Bruder kam völlig verändert von dieser Reise zurück“, begann sie lächelnd zu erklären. „Es war, als wäre ein Feuer in ihm entfacht. Er war voller Selbstvertrauen und zugleich ruhig und ausgeglichen, wie ich es nie zuvor an ihm erlebt hatte. Er berichtete von einer Art Tempelschule, auf die er irgendwo in der Welt per Zufall gestoßen war. Dort würde man, sofern man einen der Steine vorweisen könnte, freundlich aufgenommen und durchliefe in acht Stationen eine Form von uraltem Übungszyklus. Weibliche und männliche Meister lehrten einen, die archetypischen Charakteranteile des eigenen Wesens zu ergründen. Schließlich würde man den Tempel als neuer Mensch verlassen. Er meinte, es wäre die aufregendste Selbsterfahrung, die er je erlebt hätte. Und er sprach davon, seine Mitte und seine Berufung gefunden zu haben.“ Lenas Blick streifte in Gedanken versunken über die dämmrige Landschaft.

„Mehr konnte ich ihm nicht entlocken“, fuhr sie fort. „Auf alle weiteren Fragen gab er nur zur Antwort: Das müsse jeder für sich selbst herausfinden. Allen Menschen, die diesen magischen Ort oft erst nach Monaten verließen, wäre es ausdrücklich aufgetragen, nichts als diese Steine aus dem umliegenden Landstrich mitzunehmen und sie an würdige Menschen weiterzugeben. Die fänden dann zur rechten Zeit von selbst ihren Weg dorthin. Alles andere müsse ein Geheimnis bleiben.“ Sie strich sich eine dunkle Strähne aus dem Gesicht. „Das war die Geschichte der Steine. Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll. Aber da mich dein Vortrag heute so oft an die Erzählung meines Bruders erinnert hat, dachte ich, das kann kein Zufall sein. Wie auch immer, dieser hier ist für dich.“, sagte sie in einem abschließenden Tonfall mit ihrem schönsten Lächeln.

3

Lenas Geschenk fand seinen Platz als Briefbeschwerer auf Pauls Schreibtisch in der Kölner Praxis.

Der Abend mit ihr lag nun über zwei Monate zurück und es verging kaum ein Tag, an dem Paul nicht an die Stunden im Schloss zurückdachte.

Nach der Erzählung über die Tempelschule hatte Lena sehr bald ihre Unterlagen aus dem Tagungsbüro geholt und sich zum Aufbruch bereit gemacht. Es wäre zu früh, hatte sie nur noch erklärt, sich aus ihrer Beziehung zu lösen und auf einen anderen Mann einzulassen. Wenn die Zeit reif wäre, würde sie Paul schon finden oder das Schicksal würde sie wieder zusammenführen. Mit diesen Worten hatte sie sich verabschiedet, ihm noch einen Kuss auf die Lippen gehaucht und war in ihr nahe gelegenes Hotel gefahren. Die beiden hatten nicht einmal ihre Telefonnummern ausgetauscht.

Paul war noch eine Weile auf der Terrasse geblieben, dann auf sein Zimmer gegangen und schnell eingeschlafen. Die Anforderungen des Tages hatten ihn sehr erschöpft.

Als er am darauffolgenden Morgen erwacht war, hatte er sich beeilen müssen, um rechtzeitig in Salzburg anzukommen und den Retourflug nach Köln zu erreichen.

Wie so oft in den letzten Tagen saß er nun in einer Pause zwischen den Therapiestunden an seinem Schreibtisch. Das antike Möbel aus der Zeit der Jahrhundertwende war das Einstandsgeschenk seines Mentors gewesen. Paul hatte sich kurz nach seinem Abschluss dessen Team anschließen dürfen. Carl Seyfried hatte von Beginn an große Hoffnungen in ihn gesetzt und war vom Lehranalytiker bald zum väterlichen Freund geworden. Nach kurzer Zeit schon hatte sich Paul in der Praxis heimisch gefühlt.

Nun saß er da, betrachtete den schimmernden Stein und verlor sich einmal mehr in Gedanken an Lena.

Die Erinnerung an sie, die Vertrautheit, ihre liebevollen Augen und ihr direktes Wesen ließen ihm keine Ruhe. Auch der Tempel aus ihrer Erzählung hatte sich so lebendig in seinem Bewusstsein abgebildet, dass es ihm beinahe schien, als wäre er bereits dort gewesen.

Konnte das sein? Konnte es tatsächlich irgendwo auf der Welt einen geheimen Ort geben, an dem annähernd jene Form der Charakterbildung betrieben wurde, die er in seinem Buch in Grundzügen vorschlug?

Als wissenschaftlich geschultem Therapeuten stand Paul eine Reihe von Methoden und Techniken zur Verfügung, um die Seelennöte seiner Klienten zu mildern und sie bei der Lösungsfindung zu unterstützen. Doch allzu oft erlebte er seine Bemühungen als gescheitert oder zumindest als unzureichend.

Vor allem schwebte ihm eine in die Gesellschaft und das Ausbildungswesen integrierte Form der Persönlichkeitsbildung vor, die von Kindheit an den Menschen im Umgang mit sich selbst schulte. Es sollte erst gar nicht zu den komplexen Verstrickungen und Störungen der Psyche kommen müssen, die er jeden Tag bei seinen Klienten erlebte. Dabei maß er dem wahrhaftigen Ausdruck der Gefühle durch Sprache, Stimme und Körper die größte Bedeutung zu. Diese Schulung des Ausdrucks war in der Methodik der wissenschaftlichen Psychologie allerdings nicht oder nur in Ansätzen enthalten.

Dass er damit einen Nerv der gegenwärtigen Gesellschaft getroffen hatte, bewiesen auch die zahlreichen Reaktionen auf sein Buch. Der Erfolg seines Werkes war überwältigend und er hatte nach wenigen Monaten schon einige Tausend Exemplare verkaufen können.

Die Feldstudien, die er noch während seines Studiums begonnen und erst mit der Fertigstellung des Buches beendet hatte, ergaben einen belegbaren Zusammenhang zwischen der Erhaltung der Gesundheit und persönlicher Authentizität. Einfach gesagt lebte man umso länger und gesünder, je mehr man sich treu bleiben durfte. Für die meisten Menschen, die unter psychischen Nöten litten und sich isoliert fühlten, schien der Ursprung ihrer Seelenqual genau darin zu liegen: Sie konnten ihr wahres Selbst nicht ausdrücken, geschweige denn es im Lebensalltag verwirklichen.

Doch so sehr Zahlen und Recherchen diese Thesen auch bestätigten, halfen sie nicht dabei, das Problem zu lösen. War die Persönlichkeit erst einmal geprägt, stieß sie immer wieder an dieselben Grenzen. Bekannte Therapieformen schufen zwar ein großes Bewusstsein über die Ursachen der eigenen Störungen, doch letztendlich hoben sie diese nicht oder nur teilweise und oft viel zu langsam auf.

Oder, wie Carl ihm einmal in einer abendlichen Nachbesprechung in vertrauter Atmosphäre gestanden hatte: „Weißt du, ich bin meine eigenen Neurosen bis heute nicht ganz los. Nach Hunderten Stunden der Eigentherapie während der Ausbildung vor gut dreißig Jahren und noch mal so vielen Stunden der Supervision während meiner beruflichen Laufbahn plagen mich immer noch Selbstzweifel und Versagensängste. Der Unterschied ist: Mittlerweile weiß ich immerhin, warum ich sie habe.“

Paul nahm den Stein in die Hand und war abermals erstaunt, wie viel Wärme und Ruhe von ihm ausgingen. Die glatte Oberfläche des schweren Materials fühlte sich sanft und wohltuend an.

Über eine interne Sprechanlage meldete sich die Sprechstundenhilfe der Gemeinschaftspraxis und unterbrach seine Überlegungen. Sie teilte Paul mit, dass sein nächster Klient aus familiären Gründen eben abgesagt hätte. Paul bedankte sich bei ihr und trug eine kurze Notiz in die Akte des Mannes ein. Er würde ihn in der kommenden Sitzung darauf ansprechen. So kurzfristige Absagen verbargen manchmal tiefere Ursachen. Da dies seine letzte Therapiestunde für heute gewesen wäre, stand ihm nun unerwartet ein freier Spätnachmittag zur Verfügung. Er beschloss, einen kleinen Herbstspaziergang in die Innenstadt zu unternehmen.

Sein Weg führte ihn einmal mehr in die Hohe Straße.

Der gleichmäßige und unpersönliche Menschentrubel in der berühmten Kölner Einkaufsstraße hatte eine durchaus beruhigende Wirkung auf Paul. Im Vorbeischlendern konnte er die Menschen beobachten und sich ihre Geschichten ausmalen. Schon in der Kindheit, als er seine Mutter, die vor einigen Jahren verstorben war, beim Einkauf begleiten durfte, gehörte dieses Kopfkino zu seinen liebsten Beschäftigungen. Nebenbei ermahnte er sich, den nächsten Anruf bei seinem Vater nicht wieder auf die lange Bank zu schieben. Der ehemalige Rechtsanwalt verlebte seinen Ruhestand mittlerweile auf den Kanarischen Inseln.

Wie von selbst steuerte Paul das Café Jansen an, das in den letzten Wochen zum lieb gewonnenen Aufenthaltsort für seine Ruhephasen geworden war.

Im typischen Wiener Flair des Cafés fühlte er sich Lena näher. Er entschied sich an diesem Nachmittag jedoch für einen Platz im straßenseitigen Gastgarten, um der für ihn amüsanten Beobachtung der Passanten weiterhin nachzugehen und die letzten Sonnenstunden vor dem nahenden Winter zu genießen. Schon nach wenigen Minuten verfiel er in einen Tagtraum.

Lena kommt mit offenen Haaren und einem hellen weit fallenden Sommerkleid direkt auf ihn zu. Sie lächelt ihn an, als würde sie zum alltäglich vereinbarten Treffen erscheinen. Mit einer anmutigen Kopfbewegung wirft sie ihre Haare über die Schultern, stellt ihre Tasche auf einen der Sessel und drückt Paul einen Kuss auf die Lippen. Alles ist vertraut und wie lange gewohnt, ohne jedoch an Reiz und Verbundenheit verloren zu haben.

Paul lächelte verträumt vor sich hin. In den ersten Tagen seiner Rückkehr ins Kölner Alltagsleben war er mit Therapiestunden und der Beantwortung von Anfragen rund um seine Publikation eingedeckt gewesen. Es blieb kaum Zeit, die Stimme aus seinem Unterbewusstsein wahrzunehmen, die zwar leise, doch beständig nach Lena rief.

Erst als sich der Terminstress etwas gelegt hatte, fand er sich täglich in Gedanken mit ihr beschäftigt.

Er hätte übers Netz ihre Kontaktdaten herausfinden können. Doch das wäre ihm wie ein Eindringen in ihre Privatsphäre erschienen.

Zudem empfand er es ebenso wie sie: Wenn die Zeit reif wäre und das Schicksal es vorgesehen hätte, würden sie einander gewiss wieder begegnen.

4

Pauls Blick fiel auf die beiden Türme des nahe gelegenen Kölner Doms, die hoch über die Dächer aufragten.

Schon lange war er nicht mehr dort gewesen. Während seiner Studienzeit an der Kölner Uni zog es ihn oft in die stille und hohe Weite dieses architektonischen Meisterwerks. Da sich die Bauzeit auf mehr als fünf Jahrhunderte erstreckt hatte, vereinte der Dom sämtliche Bauelemente und Schmuckwerke der spätmittelalterlichen gotischen Architektur. Das machte wohl auch seinen besonderen Reiz aus und ihn darum zur meist besuchten Sehenswürdigkeit Deutschlands.

In den Wintermonaten jedoch kam der Strom der Touristen weitestgehend zum Erliegen. So fand sich Paul oft nur von wenigen Gläubigen umgeben, die jene meditative Stille verbreiteten, nach der er sich im Ausgleich zum Lärmpegel in der Universität sehnte. Auch zur Beengtheit seiner damaligen Einzimmerwohnung bot die Fülle an Raum eine gute Abwechslung.

Zu Anfang seiner Besuche nahm er sich damals Zeit, etwas über die Architektur des Doms zu lernen, und studierte ausgiebig die angebotenen Broschüren. Je vertrauter ihm die unzähligen religiösen Kunstwerke dadurch wurden, desto häufiger entdeckte er versteckte Querverweise zu anderen Weltreligionen. Gegen den Auftrag ihrer katholischen Kirchenväter hatten die Künstler diese über die Jahrhunderte heimlich in ihre Werke eingeflochten.

Da Paul schon kurz nach dem Abitur aus der Kirche ausgetreten war und sich seinen eigenen Glauben aus christlichen, buddhistischen und anderen spirituellen Strömungen gebildet hatte, genoss er die verborgene Vielfalt der Aura dieser heiligen Halle der Religion.

Im Lauf der Jahre seiner psychologischen Studien verbrachte er seine Zeit im Dom immer öfter mit dem Versuch, im stillen Nachdenken das menschliche Wesen besser verstehen zu lernen.

Der Glaube spielte dabei stets eine große Rolle: Was führt und treibt Menschen schließlich mehr an als ihr Glaube an etwas, ihre Liebe zu etwas oder ihre Furcht vor etwas.

Paul legte das Geld für seine Melange auf den Tisch, schloss seinen gefütterten Trenchcoat bis hoch zum Hals und machte sich auf den Weg.

Auch in den späten Herbstmonaten war der Dom zwar bis neun Uhr abends geöffnet, doch hatte sich der Besucherstrom zu seiner Beruhigung bereits verflüchtigt. Er trat durch das große Petersportal, ging einige Schritte bis ans hintere Ende der Bankreihen und blieb beeindruckt stehen. Seit seinem letzten Besuch waren gut drei Jahre vergangen. Umso mehr überwältigte ihn nun die Ehrfurcht einflößende Atmosphäre. Langsam schritt er weiter durch das mächtige Mittelschiff, blickte von den zahllosen bemalten Glasfenstern zu den üppigen Heiligendarstellungen und war einmal mehr fasziniert vom so detaillierten, gotischen Schmuckwerk.

Er setzte sich in eine Reihe nahe an der Mitte der Kathedrale und genoss die reiche Stille, die von einzelnen Trittgeräuschen und dem Flüstern der wenigen Abendbesucher kaum noch gestört wurde.

Sein Blick glitt von der Mailänder Madonna über den Dreikönigenschrein bis hin zum Gero-Kreuz. Vor Jahren wusste er zahlreiche Details der kostbaren Artefakte zu benennen. Mittlerweile jedoch waren die Erinnerungen verschwommen, gingen ineinander über und bildeten vor seinem geistigen Auge nur vage historische Szenerien ihrer Entstehungsgeschichte und langen Reise hierher.

Tiefe Ruhe breitete sich allmählich in ihm aus.

Er lauschte seinem Atem und es wurde so still, dass er seinen eigenen Herzschlag hören konnte.

Ein Tempel irgendwo in der Welt, in dem Meister in acht Stationen die Anteile des Charakters lehren.

Gewaltige Berge und tiefe Täler, von Flüssen zu Schluchten in die Landschaft gerissen.

Ein Himmel mit Blick auf die Unendlichkeit.

Der Atem geht schwer.

Einen Schritt vor den anderen setzen.

In der Ferne wie hinter Schleiern die Silhouette eines vertrauten Gebäudes.

Die Augen brennen von Trockenheit.

Die Rucksackgurte schneiden schmerzhaft in die Schultern.

Ruhen wollen.

Nur noch ausruhen wollen.

„Entschuldigen Sie.“ Der Mesner hatte seine Hand auf Pauls Schulter gelegt. „Sie müssen aufwachen. Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“

Paul fuhr erschrocken hoch.

„Ist alles in Ordnung?“, wiederholte der graubärtige Kirchendiener und sah Paul dabei sanftmütig an.

„Ich muss wohl eingeschlafen sein. Bitte entschuldigen Sie. Wie spät ist es?“

„Kurz nach neun. Ich mache gerade meine letzte Runde, bevor ich abschließe. Sie müssen jetzt leider gehen.“

„Natürlich, ja, ich hatte nicht vor, hier zu übernachten“, erwiderte Paul mit einem Lächeln. „Entschuldigen Sie und vielen Dank.“

„Weder das eine noch das andere tut not. Der Herr zeigt denen, die ihn suchen, stets einen Weg.“

Paul stutzte: „Warum sagen Sie das?“

„Es hat so ausgesehen“, erklärte der Mesner, „als würden Sie träumen und eine schwere Last tragen. Das ist mir nur eben dazu eingefallen. Haben Sie noch einen schönen Abend. Möge der Herr mit Ihnen sein.“

„Danke. Ja. Ich gehe dann.“

Paul wandte sich dem Ausgang zu. Bevor er durch das Portal trat, hob er noch kurz den Kopf und blickte auf das, nach seinem Künstler benannte, Mildefenster. Es reichte bis hoch an das Deckenkonstrukt und Paul erinnerte sich, wie er zum ersten Mal darunter gestanden war. Auch jetzt konnte er den Blick nicht davon lösen. Die achtzehn Malereien der Hauptgläser führten dem Betrachter eindringlich die guten und schlechten Taten des Menschen, wie sie im Alten und Neuen Testament gelehrt wurden, vor Augen. Immer wieder erstaunte ihn die märchenhaft anmutende Doktrin der katholischen Kirche. Ein Kanon, in dem die Welt in Schwarz und Weiß, Gut und Böse eingeteilt wurde und der die Menschheit in einem kindlichen Entwicklungsstadium gefangen hielt.

Nun stand er noch etwas benommen da und blickte hoch bis zum oberen Bogenfeld der im späten Abendlicht schimmernd illuminierten Glasmalerei. Mit großem Erstaunen nahm er zum ersten Mal das Achteck wahr, das konzentrisch angeordnete Lichtbahnen vom äußeren Rand zu seiner Mitte zeigte. Er erinnerte sich an seinen Traum von eben, an die vagen Umrisse des Gebäudes und musste lächeln.

Der Herr zeigt denen, die ihn suchen, stets einen Weg.

Und er meint es offensichtlich auch gut mit jenen seiner Kinder, die es nicht ganz so gut mit ihm meinen.

Paul beschloss noch im selben Moment, seinen Weg zum geheimnisvollen Tempel zu suchen und zu finden.

5

„Dem Gewicht und der Zeichnung des Ammoniten nach ist er echt.“ Doktor Erik Riemann hielt den Stein hoch und wog ihn in seiner Hand.

„Tatsächlich ein Shaligram Shila!“, sagte er erstaunt. „Noch dazu ein besonders seltener und wertvoller. Wo hast du ihn her?“ Paul war nicht überrascht, dass sein guter Freund aus Studientagen den Stein so schnell zuordnen konnte. Sie befanden sich im Institut für Geologie und Mineralogie der Uni Köln. Die Fakultät lag nur wenige Häuserblocks von den Fakultätsgebäuden der Psychologie entfernt.

An einem Winterabend vor gut zehn Jahren waren die beiden jungen Männer in einer der beliebten Studentenkneipen ins Gespräch gekommen. Daraus hatte sich eine jahrelange Freundschaft entwickelt.

Nachdem Paul sich nun entschlossen hatte, den Weg zum Tempel zu finden, war sein erster Gedanke, die Spur des Steins zu verfolgen und die Gelegenheit zu nutzen, um seinen alten Freund aufzusuchen. Sie hatten einander ohnehin viel zu lange nicht gesehen und vereinbarten zwei Tage nach Pauls Anruf ein gemeinsames Mittagessen.

Kurz vor Mittag war er in Eriks Labor erschienen, der mittlerweile eine Professur als Mineraloge innehatte. Nur wenige Jahre waren vergangen, doch sah sich Paul zu seiner Überraschung nicht mehr dem hageren, vergeistigten Wissenschaftsassistenten gegenüber, sondern einem gestandenen Professor. Erik hatte deutlich an Gewicht zugelegt und ließ sich einen Vollbart stehen. Das schelmische Blitzen in den Augen war ihm geblieben.

Die Wiedersehensfreude war entsprechend groß und nach dem Austausch der wichtigsten Neuigkeiten und der gegenseitigen Versicherung, dass es beiden im Leben gut erginge, hatte Paul etwas ungeduldig den Stein in Eriks Hand gelegt.

„Ich hab ihn von einer jungen Ärztin geschenkt bekommen.“ Er lächelte beim Gedanken an Lena. „Vor zwei Monaten auf einer Tagung, bei der ich mein Buch vorstellen durfte.“

„Davon habe ich gehört. Hast es also geschafft?!“, rief Erik anerkennend aus. „Das Buch ist fertig und schon veröffentlicht? Gratuliere, ist ja toll! Musst mir unbedingt davon erzählen! Und natürlich auch von der jungen Ärztin.“ Er hob vielsagend eine Augenbraue.

„Später gern“, gab Paul zurück, „aber zuerst erzählst du mir alles über diesen Stein und vor allem, woher er stammt.“ Erik ließ sich nicht lange bitten, wenn er sein reiches Wissen anbringen konnte.

„Nun, es handelt sich, wie gesagt, um ein sehr seltenes Exemplar. Ich müsste natürlich noch eine detaillierte chemische Analyse durchführen, doch da ich in den letzten Jahren einige Fälschungen dieser Steine in Händen hatte und gerade mal zwei echte, kann ich der Oberfläche, dem Gewicht und der Farbe nach auf den ersten Blick mit großer Sicherheit sagen: Das ist ein Shaligram Shila. Wobei er als solches nicht so selten ist. Dieser goldgelbe Abdruck des Ammoniten jedoch macht ihn zu einer wahren Rarität.“ Sein Blick ruhte voll Begeisterung auf dem Stein in seiner Hand. „Warte, ich kenne eine einfache Methode, die uns verlässlich Auskunft gibt.“

Er legte den Stein, behutsam auf ein steriles Tuch gebettet, auf den Labortisch und ging zu einer der verglasten Vitrinen, in denen sich zahllose mineralogische Exponate befanden. Mit einem Schlüssel, den er an einem Band um seinen Hals trug, öffnete er eine der Glastüren und holte aus einer der unteren Laden ein goldenes Nugget hervor.

„Was hast du vor?“, fragte Paul erstaunt.

„Du wirst es nicht glauben, aber echte Shaligramas sind zwischen fünfzig und hundert Millionen Jahre alt. Sie sind derart gehärtet, dass ein deutlich sichtbarer Abrieb haften bleibt, wenn man mit echtem Gold über ihre Oberfläche streift.“

Er nahm den Stein zur Hand und führte den Test durch. Deutlich war der goldene Streifen zu sehen.

„Jetzt ist er noch wertvoller,“ sagte Erik mit einem verschmitzten Lächeln, „und das Institut ein klein wenig ärmer. Aber das wird es verkraften und wir brauchen keine Chemie mehr. Dieser Shila ist echt.“

„Was weißt du noch?“, fragte Paul ungeduldig.

„Über Steine? Alles!“, antwortete Erik lachend. „Über diesen hier sogar noch mehr.“

„Spann mich nicht so auf die Folter.“

„Wie wär’s, wenn wir das beim Essen erledigen? Du zahlst natürlich: Mein Minimalhonorar für mineralogische Expertisen.“

Das Essen mit Erik wurde zu einer wahren Freude. Sein humorvolles Wesen machte Paul erst bewusst, wie sehr er den guten Freund in den vielen Monaten vermisst hatte.

In Erinnerung an alte Zeiten nahmen sie ihre Mahlzeit Bei Oma Kleinmann, ihrer Stammkneipe aus Studententagen, zu sich. Das Lokal mit dem liebenswerten Namen bot eine riesige Auswahl an Schnitzeln und das typische Kölsch, der ganze Stolz der Kölner Bierbrauer, mundete dazu noch vorzüglicher.

„Shila ist das Sanskritwort für Stein und Shaligram bezeichnet jene äußerst seltenen Steine, in denen Hindus die Inkarnation des Gottes Vishnu verehren.“, begann Erik seine Ausführungen. „Die Filamente, diese kreisförmig angeordneten Rillen, stammen von urzeitlichen Würmern, die in dem Stein ihre Behausung fanden. Sie stellen die Chakren des Gottes dar. Es gibt diese Einschlüsse in vielen Farben. Die goldgelben, wie auf deinem Stein, bedeuten, dass die Kraft von Vishnu am stärksten darin wirkt. Du hast einen heiligen Stein in deiner Tasche.“ Er nahm einen kräftigen Schluck und wischte sich mit der Hand den Schaum vom Bart.

„Ich hoffe doch, Vishnu war ein freundlicher Gott.“

„Keine Sorge, er war einer der drei höchsten Götter und steht für die Erhaltung allen Lebens. Hindus verehren seine Steine und beten zu ihnen. Sie bringen ihren Besitzern Glück, Gesundheit, Reichtum und das Beste: sie erlösen sie von schlechtem Karma.“

„Gut für mich“, meinte Paul mit zufriedenem Lächeln, „aber du hast mir noch immer nicht verraten, woher er stammt!“ „Und du mir noch immer nicht, warum dich das so interessiert. Muss wohl mit deiner Ärztin zu tun haben“, erwiderte Erik und grinste genussvoll.

Bei der herzlichen Verabschiedung vereinbarten die beiden, einander bald schon wiederzusehen, dann aber an einem Wochenende, um mehr Gelegenheit zu erhalten, all jene Geschichten auszutauschen, für die in der zu kurz bemessenen Mittagspause keine Zeit geblieben war.

Auf dem Rückweg in die Praxis gingen Paul Bilder von politischen Unruhen, achttausend Meter hohen schroffen Bergen und vagen klischeehaft verzerrten Mythen durch den Kopf. Denn, wie Erik schließlich offenbart hatte, traten besagte Steine nur an einem einzigen Ort in der Welt aus den Untiefen des Erdinneren an die Oberfläche: an den Ufern des Flusses Gandaki, am Fuß der höchsten Gebirgszüge des Himalaya im Nordenwesten Nepals.

Dieser Hinweis beschränkte das Gebiet, in dem sich die Tempelschule befinden konnte, zwar auf nur rund zweihundert Quadratkilometer, doch gab er in keiner Weise ihren exakten Standort preis. Mehr konnte Paul allerdings auch nicht erwarten. Grenzte es doch schon an ein Wunder, dass der geheimnisvolle Shila überhaupt einem letztlich so kleinen Areal zuzuordnen war.

Zurück in seinem hellen, behaglichen Arbeitsraum positionierte Paul den Stein wieder auf seinem Schreibtisch. Diesmal jedoch zog er aus der stets für die Tränenflüsse seiner Klienten bereiten Box ein ganzes Bündel von weichen Taschentüchern, formte sie umständlich zu einer Art Nest und bettete den Stein behutsam in seine Mitte.

Nachdem er die Mappe mit den Aufzeichnungen für die bevorstehende Sitzung vom Stapel der Sprechstundenhilfe geholt hatte, setzte er sich in seinen klassischen Lederfauteuil. Ohne einen Blick in die Unterlagen zu werfen, ließ er in den wenigen Minuten vor Beginn noch kurz seine Gedanken schweifen.

Eine Reise nach Nepal, in eine von Krisen geschüttelte Region, schien ihm noch weniger bedrohlich als die Vorstellung, inmitten der höchsten Berggipfel der Welt Hunderte Kilometer nach einem ominösen Tempel abzusuchen, dessen Existenz nicht mal belegt war.

Paul hatte auch von der berüchtigten Höhenkrankheit gehört, die zahlreiche Bergsteiger gerade im Himalaya das Leben gekostet hatte. Erst einmal also keine so guten Aussichten.

Da fiel ihm ein und er wunderte sich, nicht schon früher daran gedacht zu haben, dass eine seiner Klientinnen vor etwa vier Monaten ihre Therapie unterbrochen hatte, um nach Nepal zu reisen. Danach hatte sie ihm von einem aufregenden und inspirierenden Trekking berichtet. Sie war als unerfahrene Bergsteigerin bis auf über fünftausend Meter hoch gewandert.

So unmöglich konnte es also doch nicht sein.

Die Tür in den Praxisraum öffnete sich und Ruth Meyer betrat den Raum. Paul sah sie mit großen Augen an: Es war eben jene Klientin, an die er in diesem Moment gedacht hatte.

6

„Ich habe mich gefragt“, begann Ruth nach der beiderseitigen freundlichen Begrüßung das Gespräch, „ob wir die Therapie vielleicht bald ausklingen lassen könnten? Ich fühle mich in den letzten Wochen sehr stabil und denke, dass ich schon ganz gut alleine zurechtkomme. Wissen Sie, die Reise nach Nepal, von der ich Ihnen kurz erzählt habe, war letztlich wie eine Erlösung. Allerdings wäre ich dazu ohne Ihre so hilfreiche Unterstützung in den Monaten davor nie bereit gewesen. Sie haben mir vor Augen geführt, dass ein eingeschlagener Weg, nur deshalb weil er zur Gewohnheit geworden ist, noch lange nicht der richtige sein muss. Ohne Sie wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, mein so vertraut erdrückendes Umfeld zu verlassen“, meinte sie ironisch mit einem Lächeln. „Ich glaube aber, diese schlimme Lebensphase liegt jetzt tatsächlich hinter mir.“

Ruth hatte gegenüber von Paul im Fauteuil Platz genommen. Sie trug Bluejeans, einen lilafarbenen Rollkragenpullover und hatte ihre Beine, wie sie es mittlerweile immer tat, seitlich hochgezogen.

Offen und unbeschwert blickte sie ihn nun an.

Vor nicht ganz neun Monaten war sie blass und zitternd in einem mattgrauen Kostüm mit einem schweren Burn-out-Syndrom zum ersten Mal vor ihm gesessen. Sie hatte als studierte Softwarespezialistin in einem Großkonzern gearbeitet, der Halbleiter produzierte, jene kleinsten Chipbauteile, die in allen Hightechgeräten zu finden sind. Nicht nur die Arbeit im Vierundzwanzig-Stunden-Schichtbetrieb mit extrem schwankenden Arbeitszeiten hatte sie im wahrsten Sinn des Wortes ausgebrannt, sondern auch die zusätzlich aufreibenden Anforderungen als alleinerziehende Mutter zweier pubertierender Söhne.

Nach der intensiven und langwierigen Gesprächstherapie war Ruth nun so weit ins aktive Leben zurückgekehrt, dass Paul mit gutem Gewissen ein Ende absehen konnte. Sie hatte sogar ihre Anstellung aufgegeben und war in einer Sozialeinrichtung untergekommen, die humanitäre Hilfe für Entwicklungsländer organisierte. Diese Arbeit hatte sie dann auch nach Nepal geführt.

Ihr Exehemann und Vater der Söhne war schließlich bereit gewesen, seinen Teil der Verantwortung für die Kinder zu übernehmen, und hatte die beiden für die Wochen von Ruths Reise zu sich genommen.

„Das liegt vor allem bei Ihnen“, antwortete Paul in seiner routiniert offenen Art, nachdem er eine Weile überlegt hatte. „Allerdings höre ich in Ihrer Formulierung noch eine gewisse Unsicherheit mitschwingen. Kann das sein?“

Ruth überlegte und nickte schließlich etwas zaghaft.

„Im Allgemeinen“, fuhr er fort, „sollte man sich, um eine Therapie zu beenden, tatsächlich ganz sicher und gefestigt fühlen. Ich möchte auf keinen Fall, dass Ihre so erfolgreichen, neu etablierten Lebensstrukturen erst wieder unnötig ins Wanken geraten.“ Er hielt kurz inne und sah sie mit sanftem Blick an. „Da ich Sie heute aber ausnahmsweise bitten wollte, mir mehr von eben dieser Reise zu erzählen, gibt Ihnen das vielleicht bis zu unserem nächsten Termin noch mal Zeit, ihre Entscheidung zu überprüfen. Für heute würden natürlich keine Kosten anfallen. Wären Sie damit einverstanden?“

In der verbliebenen Stunde erzählte Ruth davon, wie sie in die Abteilung für Netzwerkentwicklung der Hilfsorganisation aufgenommen wurde.

Schon nach wenigen Tagen der Arbeit in dem engagierten Team hatte sie eine tiefe Befriedigung im Wissen gespürt, mit ihrer Tätigkeit Not leidenden Menschen unmittelbar helfen zu können.

Bald darauf hatte eine kleine nepalesische Schwesterorganisation ein Hilfsprojekt für nach Nepal geflohene Tibeter gestartet. Ruth war spontan bereit gewesen, zur damit einhergehenden Reise in dieses sagenumwobene Land aufzubrechen.

Die Aussicht auf Wochen ohne geringsten Komfort, umgeben von bitterster Armut hatten sie nicht abgeschreckt. Sie hatte gehofft, dadurch nicht nur räumlich, sondern auch geistig einen Abstand zu ihrer Vergangenheit in der Hightechwelt herstellen zu können. Mit der Aussicht darauf hatte sie es auch geschafft, den Mut und die Kraft zu sammeln, um ihren Exmann in seine Pflicht zu rufen.

Was sie danach in Nepal erlebt hatte, beschrieb sie nun als das tief greifendste und schönste Erlebnis seit der Geburt ihrer Kinder.

Zu Beginn der zweiten Woche in Nepals Hauptstadt Kathmandu, voll nervenaufreibender Vermittlungsarbeit zwischen Ämtern und Volksvertretern, war sie zu einer Trekkingexpedition eingeladen worden. Das Schwesterunternehmen hatte ihr Arjun Kapur, einen erfahrenen Verhandlungspartner, zur Seite gestellt. Arjun war zugleich einer der verlässlichsten Bergführer mit eigener Agentur für diese bei Touristen beliebten Wanderungen.

Nach einer fast zehnstündigen, beschwerlichen Busfahrt zu einem kleinen Dorf am Fuß der mächtigen Achttausender hatte am folgenden Tag der Aufstieg begonnen. Arjun, der ein äußerst zuvorkommender Hindu der obersten Kaste war, hatte sie ortskundig, mit zahlreichen Hilfestellungen, um der Höhenkrankheit zu entgehen und ihre Kräfte einzuteilen, immer höher und höher geführt. Hin und wieder waren sie auf andere Trekkingtouristen getroffen, hatten in kargen Zimmern übernachtet und waren stets freundlich aufgenommen worden. Die schlichten Mahlzeiten hatten vorwiegend aus Reisgerichten bestanden.

Die körperlichen Strapazen des Aufstiegs waren zunehmend von euphorischen Stimmungen begleitet gewesen, die auf den sinkenden Sauerstoffgehalt der Atemluft beruhten.

Und dann war es geschehen: Auf über fünftausend Metern war wie aus dem Nichts eine bis dahin unbekannte innere Stimme in den Dialog mit ihr getreten. Die Stimme hatte ihr sanft und zugleich voll Stärke Mut zugesprochen und ihr uneingeschränktes Vertrauen geschenkt.

Ganz friedlich erklärte Ruth: „Noch nie zuvor war ich so sehr eins mit allem und von allem zugleich so unendlich beschützt und behütet.“ Sie hielt eine Weile inne, blickte Paul an und ergänzte mit Bedacht: „Seit diesem Augenblick begleitet mich die Erinnerung daran und gibt mir Sicherheit. Sie müssen wissen, Doktor Stenson: Das alles wäre ohne Sie nie möglich gewesen. Ich bin Ihnen unendlich dankbar.“

Paul war so gerührt, dass ihm die Tränen kamen und er selbst zu den Taschentüchern greifen musste, die eigentlich für seine Klienten bestimmt waren.

Er konnte nicht genau benennen, was an Ruths Schilderung ihn so bewegte. Neben ihrer aufrichtigen Dankbarkeit war da noch etwas Tieferes. Es schien so, als wäre auch in seinem Inneren eine leise Stimme erwacht, die ihre Wünsche nun durch Tränen zum Ausdruck brachte.

„Ich wollte Sie nicht zum Weinen bringen, bitte verzeihen Sie“, meinte Ruth gleich etwas verunsichert.

„Keine Sorge“, erwiderte Paul sanft und schluchzte, während er zugleich lächeln musste, „es gibt Tränen der Trauer und Tränen der Erlösung. Diese zählen eindeutig zur zweiten Kategorie.“

Nachdem Ruth ihm einige weitere Fragen beantwortet und ihm dabei zahlreiche praktische Tipps für eine Reise nach Nepal gegeben hatte, kam er schließlich noch auf die Tempelschule zu sprechen.

„Dort gibt es unzählige Tempel“, meinte sie, „aber an einen derartigen kann ich mich nicht erinnern. Es hat auch, soweit mir bewusst ist, niemand anderer davon berichtet.“

Paul nickte nachdenklich, ging zu seinem Schreibtisch und holte den Shila. „Eine letzte Frage noch“, sagte er hoffnungsvoll, „sind Ihnen solche oder ähnliche Steine bei Ihrem Aufstieg begegnet?“

„Oh ja“, antwortete sie rasch mit freudigem Lächeln, „von denen kann man dort einige finden. Sie werden aber auch von den Einheimischen zum Kauf angeboten. Einen so schönen hab ich allerdings noch nie gesehen. Sie sollen besonders wertvoll und heilsam sein.“

„Ein Freund hat mir bereits etwas Ähnliches erzählt. Aber es freut mich, dass Sie es bestätigen können.“

Nachdem ihm Ruth noch notiert hatte, wie er mit Arjun per E-Mail in Kontakt treten konnte, vereinbarten die beiden zum Ausklang der Therapie schließlich einen letzten Termin.

Bei der Verabschiedung umarmten sie einander.

Paul konnte gar nicht anders, als sich diese Intimität einer Klientin gegenüber ausnahmsweise zu erlauben. Ruth war ihm in dieser Stunde zu einer Freundin geworden.

7

Das leichte und wärmende Glücksgefühl begleitete ihn den restlichen Tag über.

Die Sitzungen vergingen schnell und als er am Abend die Praxis verlassen wollte, begegnete ihm Carl auf dem Flur.

„So spät bist du doch sonst nicht mehr in der Praxis?“, sprach Paul ihn erstaunt an.

„Es wird Winter und die Golfplätze sperren zu“, antwortete Carl mit seiner sonoren Bassstimme und einem Augenzwinkern, „also bleibt mir abends wieder Zeit, mich im Gegensatz zu Golf mit den unwesentlichen Themen des Lebens zu beschäftigen, wie Terminplanung, Klientengespräche oder der unsäglichen Archivierung meiner Notizbücher.“ Der groß gewachsene, mittlerweile gealterte Herr strahlte schelmisch. „Lass uns noch was trinken gehen“, fügte er hinzu, „haben wir ohnedies schon zu lange nicht mehr getan und gleich um die Ecke hat ein neuer schottischer Pub eröffnet. Die führen gesegnete Single Malt Whiskys.“

Nachdem der Kellner mit schottischem Akzent eine für Paul erschreckend lange Liste unverständlicher Namen von Whiskysorten aufgezählt hatte, war er dankbar, dass Carl kurzerhand für sie beide die Entscheidung traf.

„Zur Feier des Tages genehmigen wir uns einen 18 Jahre alten Macallan. Das ist der Ferrari unter den sanft rauchigen Sorten der Speyside, dem Herzland des schottischen Whiskys“, erklärte er stolz und fügte hinzu: „Wusstest du, dass der keltische Ursprung des Wortes übersetzt Wasser des Lebens bedeutet?“

„Ich wusste nicht mal, dass du ein Kenner bist!“

„Das Ergebnis der Golfreise im letzten Sommer. Mein Golfspiel war grausam, aber der Whisky war großartig.“ Carl lachte auf.

„Und was genau haben wir zu feiern?“, fragte Paul.

„Also“, begann Carl nun etwas zurückhaltend, „ich wollte ohnedies schon länger mit dir darüber sprechen, bislang hat sich aber keine Gelegenheit ergeben.“

Paul sah seinen Freund erwartungsvoll an.

Carl seufzte tief, schob seine Brille auf die Stirn und beugte sich etwas vor: „Die letzten Monate haben mir gezeigt, dass ich langsam alt werde. Lange Zeit habe ich versucht, die Alterserscheinungen einfach zu ignorieren. Aber mittlerweile geht das nicht mehr. Ich vergesse einfach zu viel. Und allzu oft vergesse ich sogar, das, was ich vergessen könnte, wenigstens zu notieren.“ Er lächelte mild. „Meine Konzentration lässt zusehends nach und, was das Schlimmste ist, auch mein Engagement. Mein Herz ist müde geworden. Es schlägt, um es pathetisch zu sagen, nicht mehr mit dem meiner Klienten. Ich verbringe meine Zeit mittlerweile tatsächlich lieber auf dem Golfplatz oder mit einem Buch und Whisky auf der Veranda meines Hauses als mit der Psyche der Menschen. Obwohl mich diese Arbeit ein Leben lang zutiefst erfüllt hat.“

Der Kellner kam mit zwei kleinen, bauchigen Gläsern, in denen die bernsteinfarbene Flüssigkeit schimmerte. Nachdem er sie abgesetzt hatte, nahmen die beiden einen kräftigen Schluck, wonach sich Pauls Gesicht zu einer Grimasse verzog. Selbst bei milden Sorten war er den immer noch intensiven Geschmack nicht gewohnt. Carl musste lachen und kam, nun wieder aufgerichtet, mit Elan zum Punkt:

„Ich möchte mich im Frühjahr aus der Praxis zurückziehen und dir die Leitung übertragen.“ Er beobachtete Pauls Reaktion. „Was sagst du?“