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Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2015

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2015

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Dr. Diane Zilliges

Lektorat: Dr. Diane Zilliges

Bildredaktion: Henrike Schechter

Covergestaltung: independent Medien-design, Horst Moser

eBook-Herstellung: Theresa Fischer

impressum ISBN 978-3-8338-4951-0

4. Auflage 2017

Bildnachweis

Coverabbildung: Fotalia.com/Abundzu

Illustrationen: Claudia Lieb

Fotos: Fotalia.com/Abundzu

Syndication: www.seasons.agency

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Das vorliegende eBook basiert auf der 4. Auflage der Printausgabe

Die GU-Homepage finden Sie im Internet unter www.gu.de

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Vorwort

Können Sie sich daran erinnern, wie Sie das letzte Mal den Schlüssel verlegt oder den Rotwein auf Ihr Sofa geschüttet haben? Was haben Sie in diesen Momenten über sich selbst gedacht? Was haben Sie zu sich gesagt? Wie sind Sie mit sich umgegangen?

»Das ist ja mal wieder typisch! Das passiert aber auch nur dir. Du bist einfach so dämlich!« Haben Sie sich auf eine solche Art beschimpft?

Oft gehen wir mit uns selbst schlechter um als mit anderen Menschen. Unsere inneren Dialoge können sehr selbstkritisch und sogar bösartig werden. Sie bekommt niemand mit, deshalb gebrauchen wir dabei häufig Worte, die wir gegenüber einem anderen Menschen nie verwenden würden. Wir selbst aber hören sie – und können uns durch diese inneren Selbstgespräche das Leben zur Hölle machen.

Es ist, als ob wir einen Feind im Kopf tragen, der uns schlecht behandelt. Er tritt vor allem dann auf die Bildfläche, wenn in unserem Leben etwas schiefläuft und wir gestresst sind. Es können kleine alltägliche Versäumnisse und Fehlleistungen sein oder auch die großen Lebenspläne und wichtigen Entscheidungen, die irgendwie schiefgehen. Immer dann, wenn wir leiden, meldet er sich, der Feind im Kopf. Er fängt an, uns zu bewerten und uns Katastrophen auszumalen. Er treibt uns in die Überforderung oder bremst uns aus, sodass wir uns wie gelähmt fühlen. Nach außen gelingt es uns vielleicht noch, die Fassade zu wahren, innen aber fühlt es sich ganz anders an. Wir sind unzufrieden, gekränkt, müde und erschöpft.

In der Psychologie spricht man von Selbstsabotage. Der Feind im Kopf agiert wie ein Saboteur, der Schaden in unserem Leben anrichtet. Massive Selbstkritik ist häufig mit Grübeleien und depressiven Störungen verbunden. Zu viele Sorgen und Katastrophendenken führen zu Ängsten und Unsicherheiten. Vermeidung hindert uns daran, unser Leben zu leben, sie macht uns unzufrieden und kann längerfristig in die Depression oder Sucht führen.

Dieses Buch hilft Ihnen, Ihre selbstsabotierenden Muster zu erkennen und auf neue, konstruktive Weise damit umzugehen. Sie lernen nämlich, diese Feinde in wohlwollende Freunde und Unterstützer zu verwandeln. Daraus werden Sie eine enorme emotionale Stärke entwickeln. Ich lade Sie also ein auf einen Weg zu mehr Lebensfreude, Tatkraft und Zufriedenheit.

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Es lohnt sich! Lernen Sie,
Ihre inneren Dämonen
zu zähmen und zu verwandeln.
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Sabotieren wir uns selbst?

Es ist so erstaunlich wie wahr: Unsere ernsthaftesten Feinde sind oft wir selbst. Wir kritisieren uns hart, beschimpfen uns zuweilen sogar und nutzen unsere Kraft für alles Mögliche, nur nicht für uns selbst. Doch indem wir das erkennen, können wir beginnen, anders mit uns umzugehen.

DAS PHÄNOMEN DER SELBSTSABOTAGE

Claudia sitzt im Chaos all der aus ihrem Schrank herausgerissenen Kleider. »Was soll ich nur anziehen? Ich fühle mich klein und dick.« Sie steht vor dem Spiegel, schaut sich an und findet sich hässlich. Eine Stimme in ihr sagt: »Du siehst beschissen aus.«

Kennen Sie solche Szenen? Momente, in denen die Selbstkritik überhandnimmt und Sie sich richtiggehend fertigmachen? Es fühlt sich so an, als ob Sie mit sich selbst sprechen. Und alles, was Sie in diesen Situationen zu sich sagen, scheint wahr zu sein. In solchen Momenten fühlen Sie sich genauso »besch…«, wie die innere Stimme es sagt. Claudia geht es oft so, vor einem Bewerbungsgespräch oder einem Fest, bei dem sie besonders gut aussehen will. Der innere Kritiker wird aktiv und tobt sich so richtig aus.

ALLZU MENSCHLICH

Vor Kurzem wurde von den Steuerhinterziehungen von Uli Hoeneß berichtet. Es ist schwer nachvollziehbar, warum ein so reicher und erfolgreicher Mann sich selbst so schädigt. Für viele Zuschauer dieses Geschehens ist klar: Seine Fernsehauftritte stehen im völligen Widerspruch zu seinem Verhalten. Es könnte gut sein, dass er sich während seiner Haft oft gefragt hat: »Wie konnte ich nur …?«

Für uns ist es meist besonders interessant, wenn wir ein selbstschädigendes Verhalten bei Prominenten entdecken. Eine ganze Medienindustrie lebt von den Fehltritten von VIPs und Sternchen. Sie stürzt sich genüsslich auf jede Panne, auf jeden Patzer, auf alles nicht Gelingende im Leben von Boris Becker und Co. Sie tut dies, weil sie weiß, dass sie mit diesen Schlagzeilen Leser gewinnt.

Natürlich geht es nicht nur Prominenten, Stars und Sternchen so, sondern letztlich uns allen: Es ist durchaus menschlich, etwas zu tun oder zu denken, das gegen die eigene Person gerichtet ist. »Warum war ich wieder einmal unfähig, Nein zu sagen?« oder »Wie konnte mir nur dieser schlimme Fehler passieren!« Diesen Sätzen gehen oft Handlungen voraus, die uns nichts als Ärger bringen.

Vielleicht treiben Sie sich zu unerreichbarem Perfektionismus an oder stehen sich selbst im Weg. Das kann Alltägliches betreffen, wenn Sie unangenehme Aufgaben vor sich herschieben und unter Ihrem schlechten Gewissen fast zusammenbrechen. Es können aber auch größere Themen sein: Sie trauen sich nicht, sich auf Ihren Wunschjob zu bewerben oder sich von einem untreuen Partner zu trennen.

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PERSÖNLICHE ERFAHRUNGEN
Immer nur getrieben

Andrea ist 35 Jahre alt, hat zwei Töchter im Kindergartenalter und arbeitet halbtags bei der Stadtverwaltung. Ihr Mann ist Ingenieur. Als Andrea in die Beratung kam, sagte sie: »Ich habe fast alles erreicht, was ich wollte, und trotzdem fühle ich mich ständig getrieben und unzufrieden.« Ich bat sie, genauer zu erzählen, und sie machte eine Bestandsaufnahme: »Wenn ich zu Hause bin, habe ich so einen inneren Druck, immer etwas zu tun, aufräumen, Wäsche waschen …Wenn ich mal zur Ruhe kommen will, ist es, als wenn eine Stimme in mir all die unerledigten Aufgaben auflistet. Ich kann dann nicht ruhig sitzen bleiben. Diesen Druck habe ich auch am Arbeitsplatz. Das ist doch nicht normal, oder? Wenn ich so unausgeglichen bin, dann werde ich auch schnell ärgerlich auf die Kinder. Manchmal schreie ich sie an und dann bin ich noch unglücklicher und unzufriedener mit mir selbst.«

IST DA NOCH JEMAND IN IHNEN?

Es ist, als ob fremde Kräfte in uns wirken, die uns daran hindern, das Leben zu führen oder der Mensch zu sein, der wir eigentlich sein wollen. Es gibt sehr vielfältige Formen von Feinden im eigenen Kopf. Die alltäglichste und verbreitetste Form ist der innere Kritiker, der uns einredet, dass wir von den anderen abgelehnt werden und es so oder so nicht schaffen werden. Seine beißenden Kommentare verletzen und kränken und lösen Stress und negative Gefühle aus.

Selbstsabotage zeigt sich aber auch in vielfältigen Verhaltensweisen:

  • Vermeidung von emotional bedrohlichen Situationen wie Konflikten, dem Reden in der Öffentlichkeit, dem Äußern von Kritik, Wünschen oder einem Nein.

  • Perfektionismus – nichts geht unter 150 Prozent.

  • Übertriebener Arbeitseinsatz, ohne auf die eigenen Grenzen zu achten.

  • Ein ausgeprägtes Kontroll- und Sicherheitsverhalten.

  • Süchte der unterschiedlichsten Art.

  • Rückzug und das Leben in Fantasiewelten.

Hinter solchen Verhaltensmustern stecken oft früh gelernte Überlebensstrategien. Häufig gelingt es uns nicht, diese an die Situationen und Herausforderungen unseres erwachsenen Lebens anzupassen. Wir sind jetzt Mutter, Vater, Selbstständiger oder Vorgesetzte – aber wir verhalten uns nach den Regeln, die man uns als Kind mitgegeben hat.

Viele früh erlernte Strategien engen uns ein.
Wir suchen einseitig
nach Lösungen für unsere Probleme.

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PERSÖNLICHE ERFAHRUNGEN
Kräftezehrende Aufopferung

Martin berichtete mir in der Beratung, dass er oft das Gefühl habe, er dürfe anderen nicht zur Last fallen. Seine Mutter war schwer an Multipler Sklerose erkrankt und mit der Erziehung der Kinder völlig überfordert, sodass Martin als Ältester auf seine zwei Geschwister aufpassen musste. Bis heute folgt er der damaligen Anweisung: »Übernimm die Verantwortung für andere und falle niemandem zur Last.«

Als Kind war es für ihn eine wichtige Überlebensstrategie, um weiter von der Mutter geliebt zu werden. Aber er hat sie so stark verinnerlicht, dass sie bis in die Gegenwart, bis in sein Erwachsenenleben hineinwirkt. Im Betrieb ist er der Erste, der Verantwortung übernimmt und eigene Bedürfnisse hinten anstellt. Er ignoriert seine Grenzen, fühlt sich mittlerweile oft erschöpft, ausgebrannt und depressiv. Wir gaben der in ihm mächtigen inneren Stimme einen Namen: innerer Antreiber.

Hat jemand wie Martin im Beispiel oben als achtjähriger Junge gelernt, immer die Verantwortung für andere zu übernehmen und eigene Bedürfnisse zurückzustellen, kann ihn das leicht in die völlige Selbstüberforderung und den Burnout treiben. Viele der in der Kindheit gelernten Strategien verhindern anstehende Veränderungen und hemmen unseren persönlichen Reifungs- und Entwicklungsprozess. Aus Angst kleben wir an Gewohnheiten, Arbeitsplätzen oder Menschen, die uns eigentlich schaden.

VIEL KRITIK AN SICH SELBST

In unserer Kindheit haben wir auch gelernt, wie andere mit uns umgehen. Wenn wir von unseren Eltern wenig getröstet, aber permanent kritisiert und belehrt wurden, dann lernen wir, dass Selbstkritik ein nützliches Instrument ist. Wir übernehmen dieses Verhalten, wir verinnerlichen es und sind dann als Erwachsene ebenso kritisch zu uns selbst. Genauso wie wichtige Bezugspersonen mit uns umgingen, gehen wir heute mit uns selbst um.

Kinder, die sehr viel kritisiert werden, versuchen, möglichst keinen Anlass zur Kritik zu geben. Sie kritisieren sich selbst sehr hart, um keine Fehler mehr zu machen oder perfekt zu sein – und das bis ins Erwachsenenalter. Der innere Kritiker dient zunächst zum Schutz vor der harschen Kritik des Vaters oder der Mutter. Doch wenn wir uns selbst emotional kränken oder beleidigen, lösen wir Stressreaktionen aus. Wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass zu viel Selbst­kritik ein erhöhtes Risiko für depressive Störungen bedeutet.

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REFLEXION
Ihre »Überlebensstrategien«

Mit den folgenden Fragen kommen Sie den Strategien – ob sinnvoll oder lästig – auf die Spur, die Sie in problematischen Situationen anwenden. Wie reagieren Sie, wenn es in Ihrem Leben schwierig und belastend wird?

  • Ziehen Sie sich zurück und isolieren sich von den anderen?

  • Malen Sie den sprichwörtlichen Teufel in Form von Katastrophen­szenarien an die Wand?

  • Beginnen Sie zu grübeln und sich ununterbrochen Sorgen zu machen, bis Sie kaum noch schlafen können?

  • Stürzen Sie sich in Aktivitäten, die oft nichts besser machen?

  • Oder reagieren Sie relativ gelassen?

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REFLEXION
Wie gehen Sie mit sich selbst um?

Reflektieren Sie einmal über die inneren Dialoge, die Sie führen.

  • Wenn Sie sich selbst kritisieren, wie sprechen Sie dann mit sich? Freundlich oder hart, aggressiv oder respektvoll?

  • Welche Worte benutzen Sie, wenn Sie sich selbst kritisieren? Auch Schimpfworte oder Beleidigungen?

  • Wie fühlen Sie sich, wenn Sie sich selbst kritisieren?

  • Und hier eine spannende Frage als ersten Impuls für Menschen mit einem starken inneren Kritiker: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie auch in schwierigen Momenten freundlich und wertschätzend mit sich selbst umgehen würden?

FREI WERDEN VON INNEREN FEINDEN

Zweifellos, durch einen schlechten Umgang mit uns selbst sabotieren wir unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Viele Menschen behandeln andere extrem rücksichtsvoll und herzlich, sich selbst aber doch eher kalt und abwertend. Entwicklungspsychologische Unter­suchungen zeigen, dass Menschen, die von ihren Eltern geliebt wurden und eine sichere Bindung erfahren haben, als Erwachsene davon überzeugt sind, liebenswert zu sein und auf Unterstützung von anderen zählen zu können. Hat jemand als Kind diese Zuwendung nicht erfahren, erlebt er als Erwachsener viel mehr Unsicherheit und ist mit sich selbst weniger mitfühlend und freundlich.

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REFLEXION
Anzeichen für innere Feinde

Die Feinde im Kopf haben viele Gesichter und bringen uns zu den unterschiedlichsten Verhaltensweisen. Beim einen zeigt sich die Selbst­sabotage durch Rückzug und Vermeidung, beim anderen durch Selbstauf­opferung und übermäßiges Arbeiten. Die folgenden Eigenheiten führen Sie schon näher an Ihre inneren Feinde heran. Reflektieren Sie am besten beim Lesen, inwieweit Sie sich in den Beschreibungen wiedererkennen.

  • Behandeln Sie sich wie einen Freund? Eine wertvolle Frage: »Was würden Sie einem Freund in Ihrer Situation raten? Wie würden Sie mit einem Freund in Ihrer Situation umgehen?« Gehen Sie mit sich selbst genauso um? Oder deutlich härter? Wenn Sie die Freundlichkeit sich selbst gegenüber verlieren, sind sabotierende Kräfte am Werk.

  • Generalisieren Sie? Häufig sehen wir uns oder die Dinge in Schwarz oder Weiß, gut oder schlecht, alles oder nichts. Aus einer Kritik von einem Kunden wird: »Ich kann es meinen Kunden nicht recht machen!« Aus einer einzigen negativen Rückmeldung zu einem Fest stellt man das ganze Fest infrage. Die negativen Aspekte einer Situation werden herausgefiltert. Es gibt keine Graustufen mehr.

  • Grübeln Sie? Verbringen Sie viel Zeit damit, über sich nachzugrübeln? Die Gedanken sind dann oft viel schlimmer als die Realität. Häufig sind es immer dieselben Gedanken. Als hielte man die Repeat-Taste im Kopf gedrückt. Wir denken an all die Probleme, ohne eines davon zu lösen.

  • Behalten Sie die innere Distanz? Häufig reagieren wir mit Gefühlen, die stärker sind, als es der Situation angemessen wäre. Wir sehen alles wie durch eine Brille, die uns unser innerer Kritiker oder ein anderer Saboteur aufgesetzt hat. Wir glauben ihm, dass wir nichts wert sind und es nie schaffen werden. Es scheint die reine Wahrheit zu sein. Unsere Gedanken nehmen wir als Fakten. Wir können uns innerlich nicht mehr von dem Geschwätz in unserem Kopf distanzieren.

  • Rutschen Sie ins Kind-Ich? Passiert es Ihnen, dass Sie sich nicht mehr wie eine erwachsene Person fühlen, sondern unterlegen, unwissend, unzulänglich? Klein wie ein Kind, das den Ansprüchen nicht genügen kann? In solchen Momenten lassen wir uns vom Chef maßregeln. Die Kritik erscheint uns gerechtfertigt und wir schaffen es nicht, souverän unsere Sicht der Dinge darzustellen. Oder wenn der Partner uns wenig beachtet, lassen wir ihn beleidigt unseren Trotz spüren.

  • Wenden Sie starre Einstellungen und Regeln an? »Als Arbeiterkind muss man nicht studieren, als Frau darf man nicht wütend sein und als Selbstständiger sollte man ständig arbeiten.« Wir haben viele Regeln übernommen, die uns unbewusst bestimmen. Oft handelt es sich dabei um negative Grundeinstellungen gegenüber Freude, Spaß und positiven Gefühlen. Manche dieser Themen werden seit Generationen »vererbt«. Sie wirken unbewusst weiter, bestimmen unser Verhalten und engen uns ein. Wenn wir uns entspannen wollen, haben wir ein schlechtes Gewissen und wissen nicht, warum. Existieren unbewusste Genussverbote, leben wir freudlos vor uns hin. Wir spüren die Unangemessenheit dieser Regeln vielleicht sogar, aber wissen (noch) nicht, wie wir sie ändern können. Es bleibt eine diffuse Unzufriedenheit.

  • Wird Ihr Verhalten rigide? Je gestresster wir uns fühlen, umso schwerer fällt es uns, flexibel zu reagieren. Uns gehen die Zwischentöne verloren, die Feinabstimmung fehlt und wir greifen auf rigide Verhaltensmuster zurück. Entweder Rückzug und Vermeidung oder Vollgas. Noch mehr arbeiten, noch schneller die Dinge erledigen, bis der Akku leer ist. Kompetenzen, die uns sonst zur Verfügung stehen, sind für uns in dieser Situation nicht zugänglich. Der Autopilot arbeitet.

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Fünf typische Feinde

Wer sind sie und was wollen sie, diese schwierigen inneren Anteile? Die wichtigsten unter ihnen lernen Sie jetzt genauer kennen. Damit schwindet ihre unheimliche Macht bereits zu einem guten Teil. Denn was man kennt, braucht man schon weniger zu fürchten.

DER INNERE KRITIKER

Vielleicht kennen Sie diese Situation: Sie stehen vor den Regalen im Supermarkt und suchen verzweifelt nach Ihrem Einkaufszettel. Da meldet sich eine innere Stimme: »Schon wieder vergessen! Warum schreibst du überhaupt einen Zettel? Das passiert auch nur dir. Wie konntest du nur so dumm sein und ihn zu Hause liegen lassen?« Der innere Kritiker hat sich zu Wort gemeldet.

Die Situation ist so schon unangenehm genug. Und nun kommt auch noch diese bewertende, uns manchmal auch beschimpfende Stimme hinzu, die keine Rücksicht darauf nimmt, dass wir in unserem komplexen Alltag auch einmal etwas vergessen. Der innere Kritiker kennt nur Richtig und Falsch, und wenn wir seine Standards nicht erfüllen, dann wird er ärgerlich.

»DU MACHST ABER AUCH NICHTS RICHTIG!«

Es kann sein, dass Ihr Kritiker Ihr Äußeres kommentiert: »Bist du wieder verpickelt!« »Du bist viel zu dick, so mag dich keiner!« Am liebsten kommentiert er unser Verhalten, vor allem wenn wir einen Fehler gemacht haben. Das heißt, er greift uns genau dann an, wenn wir eigentlich Unterstützung oder Trost bräuchten. Und er spekuliert gern darüber, was wohl andere über uns denken.

Durch seine Kommentare schafft er es, uns zu verunsichern und uns die Laune vollends zu verderben. Er sagt uns, dass wir nicht gut genug sind, nicht hübsch genug, nicht intelligent genug. Wir müssen uns mehr anstrengen, und wenn wir das tun, ist es ihm auch nicht recht. Ein Klient von mir arbeitet als Schauspieler. Wenn es ihm gelingt, eine Rolle gut zu spielen oder an einem wichtigen Theaterprojekt mitzu­wirken, schimpft schnell eine innere Stimme, dass er sich ja nicht so wichtig nehmen soll. Was er auch tut, er kann es nicht richtig machen.

IMMER WIEDER VERGLEICHE

Unser Kritiker beschäftigt sich sehr gern damit zu vergleichen. Wir besuchen Freunde und da fällt ihm auf: »Die haben ein schöneres Haus und er verdient auch noch deutlich mehr Geld. Was machst du nur falsch?!« Wir fahren mit dem Gefühl nach Hause, dass unser Leben nicht ganz in Ordnung ist. Selbst bei schönen Ereignissen kann er uns die Laune verderben. Ein Bekannter hat mich letztens auf eine besonders gemeine Strategie seines inneren Kritikers hingewiesen. Er macht es ihm zum Vorwurf, wenn er sich selbst kritisiert: »Schon wieder kritisierst du dich. Du weißt doch, dass das nichts bringt. Du stellst dich einfach zu blöd an!«

Böse Verallgemeinerungen

Ein gemeiner Trick unseres Kritikers besteht darin, nicht nur unser Verhalten zu beurteilen, sondern unsere ganze Person abzuwerten. Dann haben wir nicht nur einen Fehler gemacht, sondern wir sind der Fehler. Er schafft es, dass aus der Unordnung im Kleiderschrank oder aus den schlechten Noten der Tochter ein Selbstwertproblem wird. Für eine kleine Fehlleistung wie das Zu-spät-Kommen zu einer Besprechung kann uns unsere innere kritische Stimme heftig beschimpfen: »Du bist einfach nicht zuverlässig! Was die anderen jetzt wohl wieder über dich denken! Das ist das Letzte, andere warten zu lassen!« Ein Klient von mir gibt zu, dass er über jede rote Ampel fahren würde, um nicht zu spät zu wichtigen Terminen zu kommen. Er könne die ätzenden Kommentare seines inneren Kritikers einfach nicht ertragen.

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REFLEXION
Ihre Angriffspunkte

Nehmen Sie sich für einen Moment Zeit und überlegen Sie, in welchen Lebensbereichen Ihr innerer Kritiker am liebsten aktiv wird. Was sind Ihre wunden Punkte, wann wird die Selbstkritik besonders stark? Notieren Sie sich diese Themen, vielleicht in einem Tagebuch, das Sie im Alltag begleitet, während Sie dieses Buch lesen.

Er ist in einem Teufelskreis der Selbstkritik gefangen. Mein Bekannter ist davon überzeugt, dass er sich nur durch Selbstkritik ändern kann, dies gelingt ihm aber immer nur kurz und er fühlt sich dabei sehr schlecht und extrem unter Druck.

Ob im Persönlichen, in der Partnerschaft, bezüglich des Wohnortes oder unserer Art zu arbeiten – der Kritiker kann an allem herumnörgeln. Für unsere wunden Punkte hat er feine Antennen. Wenn wir von unseren Eltern oft gehört haben, dass wir nicht hübsch genug sind oder zu langsam, dann drückt er genau diese Knöpfe.

DIE FUNKTION DES KRITIKERS

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REFLEXION
Was will Ihr Kritiker?

Angenommen, Ihr Kritiker ist nicht einfach nur bösartig, sondern verfolgt ein Ziel, das letztlich gut für Sie ist: Wovor will er Sie warnen? Wovor will er Sie möglicherweise beschützen? Welche Gründe könnte er für seine ewige Nörgelei haben? Welche positive Absicht könnte hinter all diesen Vorwürfen und Bewertungen stecken?