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Inhalt

Prolog – Beißschienen

Kapitel 1 – Ja, es ist ernst

Kapitel 2 – Die Work-Life-Blamage

Kapitel 3 – Das Märchen von der ständigen Erreichbarkeit

Kapitel 4 – Alles zu meiner Zeit

Kapitel 5 – Deutschland sucht den Impfpass

Kapitel 6 – Die Sisyphus-Komplizen

Kapitel 7 – Diktatur der Supernanny

Kapitel 8 – Kaputtentspannt

Kapitel 9 – Lieblingsstress

Kapitel 10 – Die Entdeckung des Wozu

Kapitel 11 – „Ich wünsche mir ein Nein“

Kapitel 12 – Hochzeit mit mir selbst

Epilog – „Komm, die Szene drehen wir noch mal“

Danksagung

Über die Autorin

Prolog

Beißschienen

Ein beständiges Knirschen, Scheuern und Reiben. Die Geräusche dieser Nachtschicht sind kaum auszuhalten. Es herrscht Hochdruck – bei immensen Kräften: 800 Newton pro Quadratzentimeter sind da am Walten.

Das ist der Wert, den die Kiefermuskeln im Zusammenspiel mit sämtlichen Schädelknochen als Kraft auf die Zähne umsetzen können. Doch nachts gibt es zwischen Ober- und Unterkiefer nichts, was den Druck auffangen könnte. Der Kieferraum steht unter Hochspannung – und macht sich selbst kaputt. Wangen- und Schläfenknochen gleich mit. In extremen Fällen mahlen Betroffene ihre Zähne bis aufs Zahnfleisch ab.

Gegen Bruxismus, so der medizinische Fachbegriff für das Zähneknirschen, gibt es zunächst nur eine wirksame Intervention: die Beißschiene. Ein individuell angepasstes Stück Kunststoff, das den Druck des Kiefers auffängt und so wenigstens die Zähne schützt. Seit Jahren diagnostizieren Ärzte immer öfter Bruxismus und verschreiben immer mehr Menschen Beißschienen.

Bruxismus ist nichts anderes als eine Form des Zähnezusammenbeißens. Nur eben nicht kurz, sondern chronisch. Nacht für Nacht. Wie da wohl erst die Tage aussehen müssen?

Kapitel 1

Ja, es ist ernst

Einfach mal die Seele baumeln lassen.

Gönnen Sie sich eine Auszeit.

Für ein Wochenende dem Alltag entfliehen.

Zurück zur Balance finden.

Was zählt ist das Hier und Jetzt.

Vollkommene Ruhe.

Entspannung finden in der Rushhour des Lebens.

In die Welt der Entspannung eintauchen.

Genussmomente in Wohlfühlatmosphäre.

Auszeit für Seele, Körper und Geist.

Ganz neue Energie tanken.

Die Oase für tiefe Ruhe.

Bingo!

Keine Sorge, ich will hier nicht mit den üblichen Phrasen und Satzschablonen starten und Ihnen damit das Blaue vom Himmel, schon gar nicht azurblaue Wellnessoasen versprechen. Dafür sorgen schon die Werbeblöcke im Fernsehen, großformatige Anzeigen zu Kosmetikprodukten und die Banner, die links und rechts auf den Nachrichtenseiten im Internet den Besucher zu Urlaubsangeboten locken wollen. Den Rest geben einem ohnehin die Plakatwände, neben denen man geduldig im Berufsverkehr steht. Überall tauchen die Wortketten mit den Entspannung-Ruhe-Wohlfühl-Wellnessoasen-Vokabeln auf.

Die obige Liste habe ich beim Blättern von zwei Ausgaben des stern-Magazins, dem Überfliegen von Brigitte Woman sowie jeweils einem Werbeblock im Radio und im Fernsehen erstellt. Und wenn Sie möchten – spielen Sie damit doch mal Bingo: Wenn Ihnen mindestens fünf der genannten Formulierungen an einem Tag begegnen, haben Sie gewonnen. Ich wette: Sie sind dabei immer auf der Gewinnerseite.

Dasselbe Spiel können Sie auch mit ganz anderen Wendungen spielen. Nämlich mit sämtlichen Formulierungen wie Stress, Burnout, Arbeitsbelastung, Druck, ständige Erreichbarkeit, Hektik. Das Durchblättern einer Ausgabe von Spiegel, Focus oder Stern, das Stöbern auf drei Internet-Nachrichtenseiten und vielleicht eine Radiosendung, die während des Feierabendverkehrs läuft, reichen aus, damit sie jedem der genannten Begriffe mindestens einmal begegnen. Auch hier brauchen wir eigentlich nicht wetten – ich gebe Ihnen die Garantie: Sie werden gewinnen!

„Was hat Sie hierher geführt?“

Seit mehr als zehn Jahren begleite ich Menschen, die unter Stress leiden. Für spezielle Vorträge und Workshops komme ich in Unternehmen und Betriebe und arbeite mit den Menschen zum Thema Burnout-Prävention. Manchmal mehrere Tage verbringe ich dann – je nach Betrieb oder Einrichtung – mit Abteilungsleitern von Banken, Controllern, Betriebswirten, Industriemanagern, Pflegekräften aus Krankenhäusern, Finanzbeamten, Versicherungsangestellten oder Pädagogen aus sozialen Einrichtungen.

Alles Menschen, die unter Stress leiden. Und die zwei Dinge gemeinsam haben: eine akute Burnout-Gefahr durch ihre Belastung – und der Wunsch nach Gelassenheit und Entspannung.

Wer schon sehr erschöpft ist, kommt für fünf Tage in unsere individuell zugeschnittenen Intensivseminare, um außerhalb seiner Firma mit größerem Abstand Lösungen für seinen belasteten Alltag zu finden.

Die Statistiken der Krankenkassen zeigen: die Gruppe der Erschöpften, die mit einem sogenannten Burnout-Syndrom für längere Zeit „ausfällt“, wächst.

Warum fühlen wir uns so ohnmächtig, wenn es um den Umgang mit Stress geht? Was passiert da eigentlich, wenn wir unter Stress leiden? Und warum hilft uns Entspannung in solchen Momenten nicht? Davon handelt dieses Buch.

„Was hat Sie hierher geführt?“ Die Frage zu Beginn der Seminare fordert viele heraus – Schwächen beim Namen zu nennen ist nicht leicht. Schnell fällt als Antwort: „Ich bin erschöpft“ oder „Ich bin in letzter Zeit einfach nah am Wasser gebaut“. Ich frage dann immer nach, was das bedeutet und woran das für sie im Alltag sichtbar wird. Konkret beschreiben dies die Teilnehmenden dann meist so: chronische Erschöpfung und Müdigkeit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen und eine körperliche und geistige Schwäche. Eine Schwäche, die ans Eingemachte geht. Der Abteilungsleiter eines mittelständischen Betriebs berichtete von einem Streit mit seiner Partnerin. Der Grund: Sie hatte am Abend zuvor den Familienwagen vor dem Haus abgestellt und den Rückwärtsgang eingelegt gelassen. Er stellt das Auto immer so ab, dass der Vorwärtsgang drin ist. Eigentlich wollten sie an diesem Tag auf den Markt fahren, alle Zutaten für ein leckeres Chili einkaufen und mit der ganzen Familie kochen. Stattdessen gab es am Mittag Spiegelei und Brot. Denn nach dem hektischen Starten des Wagens beim Aufbruch endete die Fahrt nach fünfzig Zentimetern mit einem heftigen Krachen an der Motorhaube des Nachbarn, der hinter ihnen parkte. Der Samstag war geliefert. Rückwartsgang oder Vorwärtsgang. Nicht mehr – und nicht weniger. Als er die Geschichte erzählt hatte, konnte er kaum mehr aufhören: Es ist quasi alles im Argen. Den Kindern gegenüber sei er mehr und mehr verschlossen und teilnahmslos – sein fünfjähriger Sohn zeigt ihm voller Freude ein selbst gemaltes Bild und er kann nur nüchtern „toll“ sagen und wendet sich teilnahmslos ab. Vor seinem Haus steht ein Audi A6 – sein Dienstwagen. Lange erhofft und hart erkämpft. Doch der Stolz und die Zufriedenheit im Beruf, aus der er früher so viel Kraft geschöpft hat, sind schon länger verflogen. Es sind die Fehler, die sich häufen und ihm heftig zu schaffen machen. In letzter Zeit sind ihm immer öfter richtige Aussetzer unterlaufen: eine E-Mail mit vertraulichen Informationen, die er an einen falschen Empfänger geschickt hat. An jemanden, der zwar ähnlich heißt wie sein eigentlicher Ansprechpartner beim Kunden – aber für die Konkurrenz arbeitet. Oder die außerordentliche Besprechung mit den anderen Abteilungsleitern, die er in der letzten Woche einfach im Kalender übersehen hat. Als der Chef ihn auf dem Handy erreichte, war er schon auf dem Heimweg. Und dann all die Kalkulationen und Abrechnungen voller Fehler, Zahlendreher und falscher Ergebnisse.

Er erkannte sich selbst nicht mehr wieder.

Leistungsfähige und selbstbewusste Menschen sind auf einmal mit Antriebslosigkeit und Wirkungslosigkeit konfrontiert. Sonst so souveräne Persönlichkeiten sind jetzt von Kleinigkeiten reizbar. Wo vorher Leidenschaft und Selbstbewusstsein den Takt angegeben haben, spüren die Menschen nun Schwäche und Fehlerhäufigkeit. Dinge, die sie so von sich überhaupt nicht kennen. Ich sage bewusst: Sie stehen neben sich. Denn das Selbstbild, mit dem sie bislang ihr Leben bestritten haben, ist ein völlig anderes. Sie möchten weiterhin etwas leisten und sich verwirklichen – und schaffen es nicht mehr. Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Stress zermürbt Menschen. Zerreißt sie förmlich.

Aber es gibt ja für alles eine Lösung …

Jacuzzi-Spa-Wellness-Erholungsoase

Lichtanlagen für Schwimmbäder, CDs mit Urwaldgeräuschen, Klangschalen, die bis in die Tiefen meiner Zellen schwingen. Salzkristalltäfelungen, Regenwaldduschen, Wasserbetten, Duftbäder, Spezialmassagen. Dämpfe, Heilgrotten, Eisräume. Überhaupt alles, was man mit Wasser anstellen kann. Dazu kommen Hot-Stone- und Klangschalen-Massagen sowie Infrarotlampen in jeglicher Form.

Ich schlendere über die Messe interbad. Im Rahmen eines Kongresses habe ich einen Vortrag zum Thema Burnout-Prävention gehalten. Und mir den Nachmittag für einen Bummel zu den Ständen der Aussteller reserviert. Alle zwei Jahre verwandelt sich diese Messe Stuttgart in einen einzigen großen Wellness-Tempel. Im Jahr 2014 haben 444 Aussteller den 15 000 Besuchern aus 64 Ländern ihre Produkte und Ideen gezeigt, wie Entspannung möglich ist. Und welche Geschäftsmodelle daraus erwachsen. Die Messe vernetzt die Branche – und verleiht Preise. Mit einem selbst ernannten „Oscar der Spa-Branche“ kürten die Veranstalter alle zwei Jahre wegweisende Ideen und Produkte, selbstverständlich in einzelnen Kategorien wie etwa Beauty/Wellness, Kulinarik/Wellness oder Super-Spa-Destination.

Wenn Sie sich jetzt wundern: Das ist kein Witz. Und Sie können sich selbst überzeugen: Für 55 Euro erhalten Sie eine Dauerkarte. Was ein Stand auf der Messe kostet, können Sie sich ausmalen. Aber es scheint sich für Aussteller und Fachbesucher zu lohnen.

Die Sehnsucht nach Wellness und das dazugehörige Entspannungsversprechen haben eine eigene Branche hervorgebracht. Der Wirtschaftsbereich Wellness hat es im Jahr 2005 bereits auf stolze 85 Milliarden Euro Umsatz gebracht. Im Jahr 2012 waren es 105 Milliarden Euro. Das ist eine Steigerung von knapp 20 Prozent innerhalb von sieben Jahren.

Früher war ein Schwimmbad ein Schwimmbad: ein Becken für Schwimmer, ein Becken für Nichtschwimmer. Und vielleicht noch ein Bereich für Eltern mit Kleinkindern. Meine Kinder haben noch in einem 25-Meter-Becken Schwimmen gelernt, in dem eine Kordel mit weiß-roten Schwimmkörpern Nichtschwimmer und Schwimmer getrennt hat. Das Geschäftsmodell hat über Jahrzehnte erfolgreich funktioniert und jede Kommune konnte ein Freibad oder Hallenbad betreiben. Heute wäre ein einfaches Schwimmbad eine Bankrottgarantie.

Jacuzzi, Spa, Hot Stone. Das sind Wörter, die der Duden gerade in seiner neuesten Auflage aufnehmen musste. Und Angebote, die jedes neu gebaute oder renovierte Schwimmbad und Hotel heute in seinem Portfolio vorweisen muss. Whirlpools mit verschiedenen Strömungsmodi; ein eigener Wellness-Bereich, in dem man über Tage zur Ruhe kommen und eine meditative Ausgeglichenheit finden kann; und kreative Massageangebote, bei denen der Körper wahlweise mit Klangschalen, warmen Steinen, Heu oder Schokolade behandelt wird. Alles zu einem Ziel: Entspannung. Denn das ist der Wert, der damit verkauft wird.

Eine Auszeit aus der Betriebsamkeit des Alltags. Abschalten. Die Seele baumeln lassen. Endlich raus aus dem ganzen Wahnsinn und der Geschäftigkeit! Das Ganze darf etwas kosten. Bis zu vierstelligen Summen rufen die Wellness-Hotels für Ihre Wochenendangebote auf.

Mir ist wichtig: Ich will hier nicht eine Branche oder Geschäftsmodelle an den Pranger stellen. Die haben durchaus eine Berechtigung. Denn ihre Existenz und ihr Erfolg besteht ja nicht darin, dass sie sich den Menschen aufdrängen. Sie reagieren auf eine große Nachfrage.

„Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt!“ – der Song brachte der Band Geier Sturzflug 1982 einen Nummer-eins-Erfolg ein und porträtierte zugleich das Lebensgefühl eines ganzes Jahrzehnts: Leistung. Eine Woche in einer Therme verbringen, mit Massagen, Meditationssitzungen und Duftanwendungen? Damals undenkbar.

Ich erinnere mich oft an den Garten meiner Mutter: Rhabarber schneiden, den Kompost umschichten, Bohnenstangen aufbauen oder abbauen. Irgendwas war immer zu tun. Und natürlich, auch eine Bank und andere Sitzgelegenheiten hatte sie für ihr kleines Reich beschafft. Allerdings habe ich sie darauf nie sitzen gesehen. Gammeln, Nichtstun, Mußestunden? Fehlanzeige.

Innerhalb von dreißig Jahren hat sich in unserer Gesellschaft ein neuer Wert etabliert: Entspannung. Wie ein Gegenpol zur Welt der Überforderung wird er gehandelt und verspricht uns die heile Welt: Wenn ich entspannt bin, bin ich ganz bei mir. Dann geht es mir gut. Entspannung: Das ist der Gegenspieler zu allem, was Stress macht, was mich aus dem Gleichgewicht bringt und mir das Leben schwer macht. Keine Frage, ein sehr erstrebenswertes Gut.

Was den Umgang mit der Entspannung so leicht macht: Die Lager sind klar verteilt. Zum einen gibt es da den Job, der mir so zu schaffen macht. Irrwitzig hohe Aufgabeberge, die zunehmende Schnelligkeit der Kommunikation und die ständige Erreichbarkeit – wie Drillinge treten diese Zuschreibungen auf, wenn die Presse oder der Talkmaster das übliche, düstere Bild der Arbeitswelt zeichnet. Zum anderen gibt es da die guten, schönen und entspannenden Dinge, die mir das Leben lebenswert machen. Menschen in meditativer Yoga-Haltung, der adrenalinerfüllte Mountainbiker oder die fröhliche Runde um einen Kugelgrill: So inszenieren Magazine die Welt der Freizeit. Ganz bei sich, ganz bei den Freunden, ganz im Hier und Jetzt.

Ein kurzer Bummel in eine der üblichen Großbuchhandlungen in einer ganz normalen deutschen Innenstadt. Der Blick fällt ins Regal mit der Aufschrift „Lebenshilfe“ (gerne hätte ich Ihnen die erste Titelformulierung erspart): „Fuck it! Loslassen, Entspannen, Glücklich sein“ oder „Das kleine Lachyoga-Buch. Mit Lach-Übungen zu Glück und Entspannung“.

Mir fällt dabei auf, dass Glück und Entspannung inzwischen zusammengewachsen sind. Ist man entspannt, ist man glücklich.

Das, was uns einst Ruhe und eine körperliche Auszeit schenken sollte, verkaufen Buchverlage, Hotels und Aromabad-Produzenten inzwischen als Antwort auf die große Frage des Lebens: Was erfüllt mich und macht mich glücklich?

Einfach mal dem Alltag entfliehen. So für 48 Stunden. Vielleicht auch nur mal für 36. Und schon ist man da: beim unbeschwerten Leben. Ganz bei sich. So einfach geht das! Entspannung kann zwar nicht aus Blei Gold machen. Aber offenbar aus einem unerfüllten Menschen einen wahren Glückspilz.

Ich bin da skeptisch. Denn nach dem Paradies und flächendeckend glücklichen Menschen sieht es in unserer Gesellschaft leider nicht aus.

Eigentlich könnte es ganz leicht sein

Der Traum vom Häuschen im Grünen hat sich für viele erfüllt: Deutschlands Wirtschaft ist seit Jahrzehnten vergleichsweise stabil, die Arbeitslosigkeit stagniert, die Zinsen für Kredite sind niedrig. Auch Menschen mit kleinen oder mittleren Einkommen leisteten sich die eigenen vier Wände, ohne dass es zu einer Immobilien- und Bankenkrise, wie in den USA gekommen wäre. Dafür haben wir eine Verkehrskrise. Und Stress.

Im Grünen wohnen und in der City arbeiten – dieser Wunsch hat zu hohem Landschaftsverbrauch und hässlicher Zersiedelung geführt. Er beschert Millionen Berufspendlern bis zu eineinhalb, zwei Stunden Fahrzeit pro Tag. Wobei Fahrzeit noch freundlich ausgedrückt ist: Man steht im Stau und – ärgert sich. „Wir arbeiten immer länger außer Haus, um uns Behausungen zu leisten, in denen wir uns immer kürzer aufhalten“ lautet der dazugehörige Kalauer, den ich neulich las. Abends geht es wieder zurück in die Stadt, denn dort locken die Restaurants, die Kinos und Kulturangebote.

Für manche Berufstätige, gerade dann, wenn die Kinder in absehbarer Zeit aus dem Haus sind, stellt sich folgende Grundsatzfrage: Wie teuer kommt uns das Haus im Grünen, wenn man die Kosten des Arbeitsweges, die gesundheitliche Belastung und den täglichen Verlust an Lebensqualität dazurechnet? Und – wäre möglicherweise eine kleinere, näher am Arbeitsplatz gelegene Stadtwohnung nicht ebenso erschwinglich? Würde eine Gartenlaube am Stadtrand oder eine kleine Ferienwohnung auf dem Lande den Wunsch nach Wochenenden im Grünen ebenso gut erfüllen?

Eine Studie der Bundespsychotherapeutenkammer zeigt: 75 000 Menschen sind im Jahr 2013 wegen psychischer Erkrankungen in Frührente gegangen, das sind 25 000 Menschen mehr als vor zehn Jahren. Es mag sein, dass sich hinter dieser enormen Zunahme eine Diagnosewelle verbirgt, dass also Ärzte schneller eine psychische Verfassung als Krankheit einstufen, die wenige Jahre zuvor lediglich als vorübergehende Schwäche eingestuft wurde. Unabhängig davon wird jedoch klar: Besser geht es den Menschen heutzutage nicht mit dem Stress.

Die Stressstudie, die die Techniker Krankenkasse im Herbst 2013 veröffentlicht hat, spricht ebenfalls deutliche Worte: Nahezu sechs von zehn Deutschen stufen ihr Leben als stressig ein. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung empfindet ihren Alltag als stressig. Jeder Fünfte steht sogar unter Dauerdruck. Offenbar nimmt die Entwicklung noch zusätzlich an Geschwindigkeit zu: Mehr als jeder Zweite hat das Gefühl, dass sein Leben in den letzten drei Jahren stressiger geworden ist. Besonders betroffen ist die Generation der Mittdreißiger bis -vierziger – im Spagat zwischen Kind und Karriere und nicht zuletzt den eigenen Eltern, die auf Sicht mehr Hilfe brauchen, weil wir alle immer älter werden. Dr. Jens Baas, Vorstandvorsitzender der Techniker Krankenkasse, unterstreicht die alarmierende Tatsache, dass sich bereits 40 Prozent der Berufstätigen abgearbeitet fühlen, jeder dritte sogar ausgebrannt.

Was sich hier in Zahlen ausdrückt, zeigt sich in Form von abgehetzten Müttern, die nach einem „Halbtagsjob“ nach 13 Uhr wieder einmal zu spät im Kindergarten auflaufen und von genervten Erzieherinnen ihr Kind entgegennehmen. In Form von genervten Mitarbeitern, die ihre Zeit in Besprechungen absitzen müssen, in denen letztlich dann doch nur oberflächliche Ergebnisse erzielt werden, weil keiner richtig vorbereitet ist – „aus Zeitmangel“. In Form des täglichen E-Mail-Sturms, in denen Informationen ausgetauscht werden aber kaum Entscheidungen fallen. In Form von regelmäßigen Anpassungen der Firmen-Organigramme, die für die tägliche Arbeit wenig Bedeutung haben. In Form von Partnerschaften, in denen die gemeinsame Zeit nur noch aus der Organisation von Kinderbetreuung und Ferienfreizeit besteht.

Keine Frage: Entspannung ist da herzlich willkommen.

Es sind zwei Pole, die in den letzten Jahren immer stärker und deutlicher wurden: Auf der einen Seite der Stress, der uns allen so zu schaffen macht. Und auf der anderen Seite die Möglichkeit zur Ruhe und Entspannung. Die Eigenart von Polen ist ja, dass sie sich gegenseitig aufheben. Plus und Minus zusammengezählt ergibt null. Auf Stress und Entspannung übertragen: Dann lebt der Mensch und die Gesellschaft in der goldenen Mitte. Dort wo Ausgeglichenheit herrscht und alles irgendwie gut wird. Wenn das bei Stress und Entspannung so leicht wäre!

Körperverletzung

„Da können wir ja eine Telefonkonferenz einrichten!“ Eine Teilnehmerin brachte es auf den Punkt und ich hätte fast geschmunzelt, wenn es nicht so ernst gewesen wäre.

Fester Bestandteil meiner Seminare zum Thema Burnout ist eine Tageslaufanalyse. Die Teilnehmer machen sich typische Stationen in ihrem Alltag bewusst und halten sie in einer Tabelle fest. 24 Stunden sind dort vermerkt. Der Wecker klingelt in der Regel bei fast allen um sechs Uhr, dann unter die Dusche. Bei Familien folgt anschließend das, was ich als „Familienarbeit“ bezeichne: Frühstückstisch decken, sich selbst und die Kinder anziehen und den Schulranzen überprüfen, ob auch das Mathe-Buch dabei ist. Dann der Weg zur Arbeit. Stop-and-go auf der Schnellstraße. U-Bahn-Türen auf und zu. Schließlich die Zeit im Beruf. Meetings, E-Mails, Kundenkontakte, Telefonate, Treffen. Dann der Rückweg. Vielleicht auch noch die Kleinen am Kindergarten oder bei der Tagesmutter abholen. Wieder die Familienarbeit. Abendessen, Zähneputzen, die Kinder ins Bett bringen.

Fast alle Teilnehmer sagen, dass sie am Abend einfach todmüde sind. An soziale Kontakte, und sei es nur ein Telefonat mit einem Freund, ist nicht zu denken. Der Brief, den man der Studienfreundin zum Geburtstag schreiben wollte, wird mangels Antrieb auf eine Gratulations-SMS eingedampft. Der Film, der nur noch in dieser Woche im Kino läuft? Geht einfach nicht, keine Energie dafür, die Betrachtung wird auf einen DVD-Abend in einigen Monaten verschoben. Eigentlich müsste der Schlaf jetzt kommen. Aber der schaut nur kurz vorbei. Viele Teilnehmer meiner Kurse berichten davon, dass sie erschöpft am Abend auf der Couch wegdösen. Vielleicht schlafen sie später im Bett ein wenig weiter. Und sind dann morgens um drei Uhr wach. Nicht nur dösig wach. Sondern richtig. Sie bekommen die Bilder des Tages nicht los. Das heißt, sie arbeiten an den Projekten und Aufgaben des Tages nachts weiter. Da geht die Pflegefachkraft alles noch einmal in Gedanken durch: Was könnte dem Patienten helfen, bei dem das normale Medikament nicht anschlägt? Wie stellen wir am besten den Urlaubsplan zusammen? Das reicht einfach hinten und vorne nicht. Wir müssten mindestens eine Person mehr sein, damit wir das hinbekommen. Habe ich Frau Reichert gestern Abend die Tabletten noch auf den Nachttisch gestellt oder nicht?

Die Bilder wechseln. Nebenan träumt ihr Mann von seinem Alltag als Bauingenieur: Reichen die im Plan angelegten T-Träger aus oder soll ich die Statik noch einmal ganz neu aufrollen?

Die Gedanken springen, begleitet vom Konzert der Zähne, die vom Druck der Kiefer zerknirscht werden. Die Nacht gehört nicht dem Schlaf. Sondern den Schlafstörungen.

„Da können wir uns ja eine Telefonkonferenz einrichten!“ Als der Gruppe bewusst wurde, dass sie praktisch alle nachts fast zur gleichen Zeit auf Trab sind, kam es zu diesem Satz. Und Sie werden lachen: Bügeln wird unter meinen Seminarteilnehmern für solche Situationen als Geheimtipp gehandelt. Ein Dampfbügeleisen und ein Kleiderbügel aus Holz machen so gut wie keine Geräusche und stören weder die Nachbarn noch den Partner oder die Familie. Und irgendwie hat die Schlaflosigkeit dann auch ihr Gutes.

Aber egal ob nächtlich gebügelte Hemden oder nicht: Der Preis für solche Nachtschichten ist hoch.

Der Schlaf ist dazu da, dem Körper die Ruhe zu geben, die er braucht, um neu zu Kräften zu kommen. Und es ist die Zeit, in der auch der Geist auftankt und es ihm wieder möglich wird, klar und konzentriert zu handeln. Bei Stressgeplagten stellt sich eine merkwürdige Konstellation ein: Sie sind hundemüde – und können dennoch nicht schlafen. Das versperrt ihnen jeden Weg, wirklich wieder zu Kräften zu kommen. Gut, irgendwie kommt man schon durch den nächsten Tag, aber am Abend kommt es dann wieder zum selben Spiel: eine starke Müdigkeit, die dann von Schlaflosigkeit abgelöst wird. Das Ergebnis: eine prekäre Mischung aus Dauermüdigkeit und Dauerwachheit.

Geistige und körperliche Kräfte werden beansprucht – aber nie richtig aufgefüllt: Das ist wie wenn ich ein Auto fahre, bei dem der Tankeinfüllstutzen seit einiger Zeit verstopft ist. Und bei dem obendrein noch die Lichtmaschine defekt ist. Energie wird verbraucht. Mehr und mehr nähern wir uns der Reserve. Das Ende kommt von alleine. Unweigerlich.

Burnout. Das ist der Zustand, in dem sich der Einzelne befindet, wenn er selbst nicht mehr auf seine eigenen Kräfte zurückgreifen kann. Die Erschöpfung wird chronisch. Es fehlt die Fähigkeit, sich selbst wieder auf die Beine zu stellen. Es ist ein psychosomatischer Erschöpfungszustand. Psychisch erleben sich Menschen, die in dieser Spirale gefangen sind, als unkonzentriert, als leicht störbar und arg reizanfällig – und zugleich antriebslos. Körperlich ermattet, schlaff und lustlos. Auf jeden Fall alles andere als glücklich.

Was sich hier also zeigt: Entspannung mal einfach so – das führt nicht zu einer Besserung. Denn derjenige, der wirklich unter Stress leidet, kann nicht mehr aus eigenen Stücken zu Kräften kommen. Mehr Pausen oder längere Schlafzeiten, einfach früher ins Bett gehen? Das sind keine Mittel, um die lähmende Müdigkeit auszutauschen gegen Tatkraft und Lebensfreude. Entspannung ist nicht einfach der Gegenpol zu Stress. Die Verhältnisse sind offenbar komplizierter als gedacht.

Der unsichtbare Feind

In vielen TV-Werbespots sind Kinder süße kleine Racker, die Mütter gut aussehend, die Männer sanft, die Küchen blitzblank – in der Realität sind es bockige kleine Anarchisten, findet sie sich trutschig, ist ihr Mann unsensibel und die Küche ein Chaos. Die Handlungsstränge sind zwar in sich noch konsequent, werden aber dauernd unterbrochen oder mit vier, fünf anderen Arbeitsabfolgen verknüpft. Die Wäsche anschalten, Claus anrufen, die Kleine beim Kindergeburtstag abholen, schnell noch das Abendessen einkaufen – am besten alles gleichzeitig. Denn die Zeit drängt. Alles längst zu spät! Es gibt Unübersichtlichkeit statt „Flow“ und mehr Geld, Beförderung oder Urlaub gibt es auch nicht. Daraus kann im schlechtesten Fall resultieren, dass die Familienfrau mit Berufserfahrung ihrem berufstätigen Mann am Abend vorwirft, er habe – im Vergleich zu ihr! – heute ja eine ruhige Kugel im Büro geschoben. Vor hundert Jahren in Bauernfamilien und Handwerker-Ehen, als der Mann in Sichtweite des Küchenfensters den Acker pflügte oder der Schreiner seine Werkstatt quer über den Hof hatte, konnten die Frauen den Berufsstress ihrer Männer gut nachvollziehen oder im Zweifelsfall direkt miterleben. Heute, in der Kommunikations- und Dienstleistungsgesellschaft, sitzen fast alle – egal wie ihr Beruf heißt – vor Bildschirmen, an Telefonen, in Meetings. Die tatsächliche Tätigkeit und die Beanspruchung, die der Einzelne dadurch erlebt, ist von außen nicht mehr nachvollziehbar.

Stress hat etwas mit Schmerzen gemeinsam: Er ist von außen nicht sichtbar, sondern nur von dem, der ihn spürt, erlebbar. Das macht es allen Beteiligten so schwer. Arbeitgeber bzw. Personalchefs können nur mutmaßen, wie es um ihre Angestellten bestellt ist. Betriebsräte gehen auf Nummer sicher und nehmen die Arbeitsbelastung-zu-hoch-Position ein. Die Teammitglieder belasten die verlässliche und engagierte Kollegin immer mehr, weil die ja noch Ressourcen zu haben scheint. Und der berufstätige Mann schätzt die Situation mit den beiden kleinen Kindern zu Hause ganz anders ein, als es seine Frau erlebt. Er ahnt nicht, dass sie nach einem Tag mit ausgedrückter Zahnpastatube im Kinderzimmer, ausgefallenem Mittagsschlaf, zwei heruntergefallenen Gurkengläsern, einem Kinderarztbesuch mit Impfen und den vermeintlich unbeschwerten Stunden am Schlittenhang längst am Ende ihrer Kräfte ist. Und das jetzt, wo er sich so auf den gemeinsamen Abend gefreut hat!

Einen einfachen Nenner für Stress gibt es nicht. Jeder erlebt ihn anders. Und doch preist uns eine ganze Industrie Entspannung als Königsweg an: „Entflieh doch mal dem Alltag!“ Die Medien sorgen dafür, jeder weiß, was mit „Alltag“ eigentlich gemeint ist: Natürlich der Beruf. Job = böse. Freizeit = gut. Entspannung = Glück. Ich bin immer skeptisch, wenn mir einfache Lösungen angeboten werden, die für jedes Problem gut sein sollen. Und erst recht für jeden Einzelnen.

Alle für einen, einer für alle. Bei den Musketieren klappt das vielleicht. Bei der Frage, was Menschen wirklich erfüllt, geht das nicht auf. Spätestens dann, wenn man schaut, was den Menschen ihr Beruf wirklich bedeutet.

Das Glück im E-Mail-Postfach

Der Trick ist ganz leicht: Mit einem Doppelklick auf die Uhrzeit gelangt man in das Dialogfenster, über das sich die Rechnerzeit verstellen lässt. Ein paar Stunden zurück- oder vorgestellt und schon trägt die verschickte E-Mail die passende Versendezeit. Alternativ lassen sich die E-Mails auch alle vorab schreiben, im Ordner „Entwürfe“ speichern und dann am Montag früh gleich in einem Rutsch verschicken. Niemand soll merken, dass man am Wochenende arbeitet. Oder werktags nach 21 Uhr noch einmal den Laptop hochfährt, um das Liegengebliebene des Tages abzuschließen.

Ein beliebtes Thema bei meinen Seminaren ist die Frage, wann gearbeitet wird. Die Teilnehmer tauschen sich in den Pausenzeiten aus. Es geht gar nicht darum, sich in irgendeiner Form aufzuspielen oder mit Überstunden zu glänzen. Nein, die Leute haben einfach Interesse aneinander. Was dabei fast immer zutage kommt: Fast alle arbeiten am Sonntagabend. Vor allem Männer. Sie bereiten schon mal eine Präsentation vor, senden die Antwort auf die Kundenanfrage, die am Freitagnachmittag reinkam oder ordnen noch einmal in Ruhe den Terminkalender. In das Firmennetzwerk und in die E-Mails kann man sich von überall aus einloggen. Und zu jeder Zeit. Eine Teamleiterin aus einem Textilunternehmen erzählte mir einmal, dass sie Donnerstagabend um 23.30 Uhr eine E-Mail an ihren Vorgesetzten geschrieben hat und um 23.40 Uhr die Antwort im Postfach aufblinkte.

Die Teilnehmer berichten von diesen Arbeitseinheiten spät nachts oder am Wochenende und dass sie mit einem schlechten Gewissen vor dem Rechner sitzen: Eigentlich soll niemand erfahren, dass sie jetzt noch arbeiten. Denn was denkt der Chef über seinen Mitarbeiter, der jetzt gerade arbeitet: Ist der vielleicht überlastet? Und dem Kollegen, der seinen Feierabend genießt, möchte auch niemand ein schlechtes Gewissen bereiten. Deshalb auch der Trick mit der verstellten Uhrzeit oder den E-Mails im Entwürfe-Ordner.

Es wäre jetzt ein Leichtes zu sagen, dass Menschen mit ihrer Arbeit völlig überlastet sind und keinen anderen Weg kennen, als jenseits der normalen Arbeitszeiten zu arbeiten. Angestellte in Deutschland haben, je nach Branche und Tarifvertrag, eine 35-, 37,5- oder 40-Stunden-Woche. Alles, was darüber hinausgeht, sind Überstunden. Und einfach nicht gut für den Einzelnen. So die gängige Meinung.

Ich weiß, es ist ein zweischneidiges Schwert. Ich begegne oft Angestellten, die unter ihrem Job leiden, weil sie dort heillos mit Aufgaben überlastet sind. In einer Versicherung bin ich einmal mit einer Abteilung in Kontakt gekommen, in der über Monate hinweg vier offene Stellen nicht besetzt waren. Die lang angekündigte Software-Umstellung sollte bereits vor zwölf Monaten erfolgen und der tägliche Betrieb ging praktisch nur im Überlebensmodus voran. Schaffen was geht. Die ganze Abteilung stand kurz vor dem Kollaps. Das ist schlimm und muss geändert werden.

Ich sehe aber auch die andere Seite. Vielleicht lehne ich mich hier zu weit aus dem Fenster, aber wenn Teilnehmende von ihren Arbeiten am Abend oder am Wochenende erzählen, geht es mir oft erst einmal so, dass ich die Menschen bewundere: Da sind Frauen und Männer hoch engagiert und ganz mit ihrer Arbeit identifiziert. Neben Familie, Arbeitsweg und ehrenamtlichem Engagement sorgen sie dafür, dass ihre Aufgaben nicht liegen bleiben und sie ihrer Verantwortung nachkommen. Wahnsinn, woher die die Kraft nehmen!

Ich frage die Einzelnen dann immer, warum sie das tun. Und nie habe ich von jemandem die Antwort bekommen, dass er sich gezwungen fühlt oder dass er Angst um seinen Job hat. Die Menschen legen die Extraschichten ein, um sich etwas Gutes zu tun! Sie machen das in der Absicht, sich selbst zu entlasten. Sie machen es nicht einmal, um Karriere zu machen. Sie wollen wirklich etwas Gutes. Für ihre Arbeit, für ihre Kollegen. Und für sich.

Ja, es ist ernst. Stress macht den Einzelnen fertig. Der Körper brennt aus und hat keine Möglichkeit mehr zum Auftanken. Und Konzentrationsschwäche, Fehleranfälligkeit und emotionale Reizbarkeit werfen ihn geistig aus der Bahn. Aber gerade weil es so schlimm ist, sollten wir uns nicht mit simplen Lösungen begnügen.

Es ist mir zu einfach zu sagen: Der Job ist daran schuld, wenn Menschen unter Stress leiden und in ein Burnout rutschen. Und es ist mir zu einfach zu erwarten, dass Achtsamkeit und Entspannung oder die richtig angewandten Meditationstechniken alles richten können.

Das Thema Stress und das Leiden der vielen Menschen, die ich inzwischen begleitet habe, sind mir wichtig – und es ist zu ernst, als dass ich mich mit einfachen Lösungen abgebe. Ich glaube nicht daran, dass Stress das Gegenteil von Glück ist. So einfach ist es leider nicht.