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Meinen Eltern

in Liebe und Dankbarkeit

Saskia John

Grenzerfahrung

Dunkelretreat

In den Tiefen meiner Seele

Die Überarbeitung meiner Erfahrungsaufzeichnungen

erfolgte in Zusammenarbeit mit Gabriele Fröhlich

© tao.de in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld

Überarbeitete Neuauflage des Buches „In den Tiefen meiner Seele – Erfahrungen in völliger Dunkelheit“ Juni 2016

Autor: Saskia John

Umschlaggestaltung: Saskia John und WerbeFactory Luckenwalde

Umschlagfoto: Saskia John

Korrektorat: sinntext literaturagentur

Verlag: tao.de in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld,
www.tao.de, e-Mail: info@tao.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über
dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Hardcover: 978-3-96051-108-3
ISBN Paperback: 978-3-96051-107-6
ISBN e-Book: 978-3-96051-109-0

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Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und sonstige Veröffentlichungen.

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

EINLEITUNG

VORWORT ZUR NEUAUFLAGE

KAPITEL 1 – „DAS INTELLIGENTE HERZ“

KAPITEL 2 – ERSTE DUNKELTHERAPIE

1. Tag – Angst

2. Tag – Unzufriedenheit

3. Tag – Die Maus auf dem Heuboden

4. Tag – Sexuelle Dämonen

Gespräch mit Holger
Dämonen
Die Todesreise Sterbender
Kundalini-Meditation

5. Tag – Visualisationsreise in das Totenreich

6. Tag – Sisyphusarbeit: Die zwei Seiten in mir

Wachtraum „Pfirsiche und Weintrauben“

Wachtraum „Ich bin ein Mann“

Wachtraum „Schlamm auf der Treppe“

Tai Chi – die Übung selbst sein

Leer-Sein

Gespräch mit Holger
Analyse: Wachtraum „Pfirsiche und Weintrauben“
Analyse: Wachtraum „Schlamm auf der Treppe“

7. Tag – Bewusste Änderung von Träumen und Schatten

Bewusste Änderung des Traumes „Pfirsiche und …“

Frühe Kindheitserinnerungen und ihre Veränderung

Bewusste Änderung des Traumes „Schlamm auf Treppe“

Gespräch mit Holger
Todesangst

Traumserie „In der Metamorphose“

Krise

8. Tag – Zeitloses Sein

Ich bin ein Wassertropfen im Fluss

Zeitloses SEIN im Meer

Gespräch mit Holger
Die Bedeutung von Schauen
Analyse der Traumserie „In der Metamorphose“

9. Tag – Initiationsreise – Wächter der Unterwelt

Figurproblem und dessen Auflösung

Öffnung des dritten Auges

Tai Chi – Innere Kraft

Gespräch mit Holger
Wachträume, Augenphänomen und Zeitfalle
Angst vor dem Urgrund des Daseins
Über Initiation
Sterbebegleitung

Meine Hündin beamt sich zu mir

Wachtraum „Naturkundemuseum…“

Wachtraum „Bunker; Das strahlende Kind“

Tier am Koffer – Panik

Wachtraum „Holzhaus auf Pfählen“

Im Nebel

10. Tag – Schauen

Der Mechanismus der Angst

Tiefe und Anziehungskraft der Dunkelheit

Erkenntnis über Kommunikation und Konflikte

Schau: EIN Supergehirn

Schau: Der Körper ist eine Hülle

Schau über den Sexualtrieb

Das Skelett

Tai Chi in Zeitlupe

Gespräch mit Holger
Analyse: Wachtraum „Naturkundemuseum“
Analyse: Wachtraum „Bunker; Das strahlende Kind“
Analyse: Tier am Koffer
Analyse: Im Nebel
Analyse: Das Skelett
Die Nachbardimension

Orientierungslosigkeit

11. Tag – Die tiefere Seelenwelt

Kurzgespräch mit Holger
Zweite Analyse: Wachtraum „Naturkundemuseum“

Bewusste Änderung des Wachtraumes „Naturkunde…“

1. Garnrolle und Perle

Verwandlung des Vögelchens

Im Reich der Zwerge und lebenden Bäume

2. Garnrolle und Perle

Im Zwergen-Bergwerk

3. Garnrolle und Perle

Gespräch mit Holger
Analyse: Im Zwergen-Bergwerk
Analyse: Im Zwergenreich und Märchenwald
Analyse: Garnrolle und Perle
Analyse: Veränderung Wachtraum „Naturkundemuseum…“

Erscheinung des Mädchens mit den langen Haaren

Luftblasengesellschaft

Versuch, den Körper zu verlassen

12. Tag – Rotes Licht

Rotes Licht und Tai Chi mitten im Universum

Im Dunkeln sehen

13. Tag – Unbeschreiblich

Ich gehe hinaus

DIE ZWISCHENZEIT

KAPITEL 3 – ZWEITE DUNKELTHERAPIE

1. Tag – Ängste und Zweifel

2. Tag – Das Phänomen „Seele“

Teekochen im Dunkeln

Warten auf Bilder und Filme

Gespräch mit Holger
Über Faulheit und Trägheit
Über die Seele und Geistwahrnehmung
Über das Mädchen aus der ersten Dunkeltherapie
Gedanken über Gefühle
Wer bin ich?
Kulturanzug
Über die Innen- und Außenwelt
Materielles und energetisches Universum
Über außerkörperliche Erfahrungen
Über Komapatienten und seelische Nabelschnur
Im Tiefschlaf den Körper verlassen
Müdigkeit durch Energieverlust – „Retten“
Das Nichts und das Etwas

3. Tag – Das Etwas

Ekel vor dem Salzwasser

Wirkung der inneren Haltung auf den Körper

Lähmende Dunkelheit

Gespräch mit Holger
Seins-Zustand
Seins-Wahrnehmung
Kosmischer Überblick
Im JETZT sein

4. Tag – Heilung des Herzens

Kreislaufprobleme

Lanze im Herzen

Überklares Hören

Besuch des Heubodens

Gespräch mit Holger
Über Traumdeutung
Ober-, Mittel- und Unterwelt
Sind Märchen wahr?
Übergangsbereich zur Nachbardimension
Indikatoren für Außerkörperlichkeit

Angst vor den lebenden Bäumen

Zarter, klarer Gesang

5. Tag – Im Zwielichtbereich

Wandel des Heubodens

Tai Chi

Was ich denke, geschieht

Besuch des Zwerges und der lebenden Bäume

Gedanken über die verschiedenen Welten

Gespräch mit Holger
Shapeshifter
Archetyp Höhle
Ist alles nur Fantasie?
Seelische Gesetze
Parallelwelt-Zustand
„Vergangenheit“ ist änderbar – Jetzt

6. Tag – Was ist Realität?

Gespräch mit Holger
Wir sind nicht allein
Tupilaks oder Tulpas
Was ist Realität?
Selbstbefriedigung
Seins-Erfahrung

Lebensrückblick

7. Tag – Die List des Egos

Leben wir in einer Illusionswelt?

Absichtslose Absicht – Absichtsloses Tun

Das Ego entlarvt sich

Gespräch mit Holger
Über den Tod
Inkarnationen
Spirituelle Wege

8. Tag – Was ist Freiheit? Gibt es Entwicklung?

Dunkelheit als Spiegel

Licht in der Dunkelheit

Innerer und äußerer Lärm ziehen aus dem JETZT heraus

Auflösung der Körpergrenzen

Gespräch mit Holger
Was ist Freiheit?
Gibt es Entwicklung?
Trinität: Körper, Seele, Geist
Übergangsphasen: Einschlafen und Wachwerden

9. Tag – Die magische Tür

Vordringen zur Gedankenquelle

Heuboden und Wohnstube

Die magische Drachentür

Totale körperliche Lockerheit

Gespräch mit Holger
Lähmende Trägheit und Dumpfheit
Über meine Angst vor der Drachentür

10. Tag – Begegnung mit dem Skelett

In der Masse

Durchtritt durch die magische Tür

Im Wasserturm

Vergewaltigung

Tiefe Krise

Begegnung mit dem Skelett

Der Blick des Kraken

Weiter in der Krise

Todessehnsucht

Einstieg in den Hexenkessel

Gespräch mit Holger
Betrachtungen über das Ego
Über die magische Tür, den Turm und das Skelett

11. Tag – Geborgenheit im Kessel

Heilung meiner Wurzeln – Mutter und Vater

Gespräch mit Holger
Anker im Göttlichen
Pfade zu Gott

Besuch der Schlange

Mit dem Hai-Wal in den Tiefen des Meeres

12. Tag – Das Symbol der Schlange

Einblick in das Gehirn

Unterhalb des Kessels

Traum „Geheimagenten“

Gespräch mit Holger
Das Symbol der Schlange
Gibt es Entwicklung oder nicht?
Der Beobachter
Dualität und die Anrufung des Göttlichen

13. Tag – Hitzephänomene

Natürliches Sein eines Kindes

Gespräch mit Holger
Wie innen so außen
Unterscheidung von Licht, Visionen, Erscheinungen…
Hitzephänomene

14. Tag – Erkenntnisse über Gefühle und das Dasein

Die Heilflüssigkeit des Skeletts

Gespräch mit Holger
Gefühle und das SEIN
Dualität: Seinspunkt und Saskia
Die Naturschau

15. Tag – ICH BIN das Skelett

Gespräch mit Holger
Augen öffnen und schließen sich asynchron
Yogasitz und Kopfstand
ICH BIN das Skelett
Gefühl von Schauen
Die Wichtigkeit der Gespräche
Träumen und Traumarten
Außerkörperliche Erfahrungen
Seelen- und Geistführer, Intuition und Totenreich
Dunkelheit als Vorbereitung auf den Tod
Universelle Struktur und Analogien
Versteinerungsgefühl in der Meditation

16. Tag – Der Daseinspunkt

BIN Daseinspunkt

Euphorie … vollkommene Freiheit

Besuch Alexanderplatz

Gespräch mit Holger
Die Menschheit schläft, niemand ist wach
Was ist der Verstand?

17. Tag – Abschied vom Turm

Gespräch mit Holger

18. Tag – Der Eine Mensch

Gedanken zum Daseinspunkt

Gespräch mit Holger
Wie stellen Tote den Kontakt zu den Lebenden her?
Unterschied zwischen Diesseits und Jenseits
Wie viele Engel können auf einer Nadelspitze tanzen?
Erkenntnisse/Erfahrungen zum Daseinspunkt
Unterscheidung: Vorstellungen und Visionen

19. Tag – Sich beim Schlafen beobachten

Gespräch mit Holger
Unterschied: seelischer und geistiger Daseinspunkt

Unterscheidung: Wahre Hilfe und Retten

20. Tag – Mondlandschaft

Gespräch mit Holger
Das Psychische an sich
Gefühl: Seele verlässt den Körper
Hypnose: Was ist mein wahrer Weg?

Ich schwebe

21. Tag – Absolute Trägheit und Kraftlosigkeit

Schlafkrankheit

22. Tag – Außerkörperliche Erfahrung

Dichter Nebel und dicke weißliche Masse

Warten auf Mittagessen – Wut

Gespräch mit Holger
Analyse: Hypnose-Erfahrung
Analyse: Erlebnis „Nach oben schweben“
Mit der Angst sein
Phänomene bei der Seelenablösung vom Körper
Die Seele lebt unabhängig vom Körper

23. Tag – Das letzte Gespräch

Gespräch mit Holger
Astralbänder
Lähmende Müdigkeit und Schlaflosigkeit

24. Tag – Begegnung mit der Welt

NACHWORT

DANKSAGUNG

Vorwort

Nepal 1968. Hippiezeit. Eine Pferdekarawane schlängelt sich bei Mondschein über schmale Bergpfade in Richtung tibetische Grenze: Ziel ist Lo Mustang, ein kleines, selbstständiges Königreich innerhalb Nepals. Ein befreundeter Lama und ich – 18 Jahre alt, lange Haare, Ketten um den Hals, indische Kleidung und voller naiver Träume – befinden sich in der Truppe von Kampas, tibetischen Guerillas, die von Nepal aus ihren Widerstand gegen die chinesische Besatzung führen. Nach mehreren Wochen Marsch gelangen wir nach Lo Mustang. Das kleine Königreich Lo Mustang ist zu dieser Zeit der westlichen Welt völlig unbekannt, noch nie war ein Westler dort. Ich werde neugierig beäugt und angefasst. Aus einem Haus dringen Zimbel- und Trommeltöne, und auf mein Fragen macht man mich in einem dunklen Keller mit einem Mann bekannt, der hier seit Langem in vollkommener Dunkelheit lebt. Sein Anliegen: Auflösung des beschränkten Ich-Bewusstseins. Das war mein erster Kontakt mit Yangtik, der Dunkeltherapie, wie ich diese heute nenne.

Ich hörte, Yangtik wird bei einigen buddhistischen Schulen als Abschluss der Mönchsausbildung durchgeführt. Da mein Aufenthalt in dieser Region gefährlich und verboten ist, suche ich eine Unterkunft bei einem Bauern, dunkle alles ab und beginne meine erste Dunkeltherapie. Sieben Wochen allein, Yoga, Meditation, täglich ein Gespräch mit einem Lama.

In den ersten Tagen geschieht nichts Dramatisches, ich schlafe und döse, Gedanken jagen durch den Kopf, durchlebe eingeschliffene Denkmuster, dann wieder bin ich eine Zeit lang „weg“, fühle mich in der Dunkelheit mal geborgen, dann wieder allein, langweile mich, traumartige Gedanken gleiten vorbei, symbolische dreidimensionale hyperreale Bilder und Filme an den Wänden. Es kommt zu tiefen Selbsterkenntnissen und hinter meinem Rücken arbeitet unbemerkt ein Entleerungsprozess – ich werde reiner, nur noch Dasein, ewiges Jetzt, Sein tritt auf der Stelle, eine Art Energie pulsiert, abwechselnd wird mir heiß und kalt.

Das zentrale Geschehen im Dunkeln ist die Zunahme von Bewusstseinsklarheit. Mein Bewusstsein ist im Allgemeinen verdunkelt und überlastet mit mentalen Handlungen. Mit dem Leerlaufen geht eine verschärfte Erfahrung für Seelenprozesse einher. In Tibet behauptet man, im Dunkeln werde das Bewusstsein siebenmal schärfer.

Dunkelheit bewirkt in mir Leere, sprich Abwesenheit von Gedanken und Gefühlen, was sich im fortgeschrittenen Stadium als Lichterfahrung ausdrückt, weshalb Licht und Leere zwei Worte für dieselbe Sache sind. In diesem Zustand erfahre ich die Welt als wahr und schön und gut.

Mein Körper schläft ein, aber der Geist bleibt wach; dadurch entwickelt sich Klarheit im Wachen wie im Träumen, denn die Klarheit des Wachzustandes wird mit in den Traum hineingenommen, der Traum wird zu einer Art Tagtraum, ich erlebe meine Träume bewusster.

Bald treten Wesen auf, die meiner Imagination entspringen und zunächst nur mit geschlossenen, dann auch mit offenen Augen klar zu sehen sind. Sie flattern wie Tücher und verformen sich schnell zu anderen Wesen und Szenen. Doch bald setzt eine Stabilisierung des Bilderflusses ein, ich kann ein inneres Bild länger halten.

Immer wieder erfahre ich Seinsblitze, erkenne Sinn und Wesen des ganzen Seins. Ein Lebewesen, erfahre ich, kann nur leben, wenn es alle paar Sekunden einen unbewussten Blick auf den reinen Seins-Zustand erhascht. Seins-Zustände sind im Alltagsleben des Menschen heruntergekommen auf Seinsblitze, die zwischen zwei Augenblicken unbemerkt auftauchen. So wie wir den Tiefschlaf benötigen, um uns zu erholen, so benötigen wir Seinsblitze, um uns vom Dauerkampf des Alltags zu erholen. Später reißt das reine Sein ab und zu wie ein Vorhang auf, ich erfahre für Sekunden die unbeschreibliche Urnatur der Welt. Danach sind Wissen und Weisheit der Menschwelt vernichtet und erscheinen wie ein verschwommener Traum. Nach längerer Dunkelheit meine ich sehen zu können. Das Licht ist zunächst neblig-hell wie Dämmerungslicht. Gelegentlich tritt ein bläulicher Lichtschimmer auf. Meine Wahrnehmung hat sich verfeinert und nimmt pure Energie wahr.

Davon zu unterscheiden ist das innere klare Licht des Geistes. Das tauchte etwa nach vier Wochen auf – nach dem Verlust aller Konzepte und nachdem ich mich nur noch gelegentlich als Einzel-Ich erfuhr. Dieses Licht ist alles, alles ist dieses Licht, es ist in mir und überall.

Als ich nach 49 Tagen ins Tageslicht trete, erfahre ich das Sonnenlicht als das Geistlicht, die Natur enthüllt in jedem Blatt und Stein als Miniaturkosmos die ganze Welt. Eine Welt, in der jedes alles ist. Nach einigen Tagen nehme ich mein Bündel, schaue meinem Lama, diesem ewigen Wanderer durch den Himalaya, in die Augen, stumm trennen sich unsere Wege. Wir sahen uns nie wieder. Was blieb? Nun, die Natur des Geistes blieb in mir!

Viele Jahre später und nach zwei weiteren Dunkelaufenthalten in Kinnauer (Nordindien) und Tibet fragte mich ein Journalist, ob er bei mir eine Dunkeltherapie machen könnte. Ich sagte, es sei keine Therapie und ich hätte gar keinen Platz für ihn im Haus. Aus Freundschaft richtete ich ihm dann doch ein Zimmer ein, und so kam es zur ersten Dunkeltherapie. Später gab ich meine Arbeit als Psychotherapeut auf, kaufte ein größeres Haus und begann, Leute für ein Dunkelretreat aufzunehmen. Und auf diese Weise landete auch Saskia John bei mir, die Frau, die in diesem Buch ihre umfangreichen Erfahrungen im Dunkeln darstellt.

Es ist einige Jahre her, seitdem Saskia bei mir war, und sie war mehrmals hier. Im Dunkeln erzählte sie mir ihre Eindrücke und wir nahmen das auf Tonband auf. Dieses Material, das täglich aus ihr floss und das wir dann abends besprachen, wirft Licht auf eine neue Psychologie, zumindest gibt es einen Blick auf bisher unbeachtete Gebiete unserer Seele frei. Saskia hat einige Zeit benötigt, ihre Erlebnisse niederzulegen, nun aber liegt das Werk vor. Jeder, der versteckte Hintertüren seines Geistes öffnen möchte, dem legen diese ganz persönlichen Erfahrungen einen roten Faden durchs Labyrinth der Seele in die Hand. Saskia war lange Zeit die Enthüllung einiger ihrer Seelenzustände peinlich, doch ist die Wahrheit einfach immer nur wahr und Dunkelheit führt eben ins Licht.

Holger Kalweit

Januar 2011

Einleitung

Ich wurde im Jahr des Mauerbaus in der ehemaligen DDR geboren. Meine Eltern waren Kriegskinder, beide Lehrer. Ich wuchs innerhalb der Mauern in der gottlosen Welt des Materialismus, Gehorsams und einer Energie von „Machen-was-gesagt-Wird“ auf. Mein Weg war immer vorgeplant, und so wanderte ich auf den vorgegebenen Etappen zielstrebig von einer zur nächsten: Schulabschluss, Lehre, Abitur, Studium, Heirat, Kinderkriegen, Berufausüben. Bis zum Mauerfall arbeitete ich als Tierärztin, und die Welt lief für mich in „geordneten“ Bahnen. Ich hatte diese Welt nie infrage gestellt. Das Jahr des Mauerfalls wurde nicht nur für Deutschland und die Welt zu einem bedeutenden Ereignis, sondern es war zugleich das Jahr, das meine persönliche Wende einleitete – ich begann, den Blick nach innen zu richten. Damals ahnte ich allerdings nicht, wie sehr dies mein Leben einmal verändern sollte.

Das Thema „Mauer“ begleitet mich also seit meiner Geburt. Vielleicht investiere ich deshalb so viel Energie, Mauern in mir fallen zu lassen und meine inneren Grenzen zu erweitern. All mein Tun ist ausgerichtet auf die Werte des Lebens, auf inneren Reichtum und Souveränität, auf Mitmenschlichkeit und bedingungslose Liebe. In mir ist ein tiefes Bedürfnis nach Freiheit und Erwachen, das mich Dinge tun lässt, die nicht unbedingt jeder tut. In vielen Jahren erkundete ich über Meditation, Tai Chi Quan, Reisen, Selbsterfahrungsworkshops, therapeutische Sitzungen und zwei Dunkelretreats das innere Universum meiner Seele und gelangte so zu einem Erfahrungswissensschatz, durch den sich mir immer wieder die Aussagen weiser Menschen bestätigten, sodass ich meine inneren Zweifel an dem Wirklichkeitscharakter meiner Erfahrungen überwinden konnte und meine eigene Wahrheit fand.

Das Erkunden der psychischen Landschaft war und ist ein tiefer Lernprozess, der mit inneren Loslass- und damit verbundenen Wachstumsprozessen und Bewusstseinserweiterungen einherging und noch immer geht. Es ist ein innerer Reinigungsprozess, der sich überaus schwierig und sehr schmerzvoll gestaltete – ich musste dafür alte Sicherheiten aufgeben und mich dem Unbekannten anvertrauen. Infolge dessen erhielt ich über eigene Erfahrungen tiefere Einblicke in das psychische Universum und das Wechselspiel zwischen Körper, Seele und Geist und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Gesundheit, wodurch sich mir auf dem Gebiet der Heilkunst neue Möglichkeiten eröffneten, weil ich vieles klarer und in einem größeren Bild sehen konnte.

Aber zurück zur Jahrtausendwende, dem Jahr, in welchem mein Leben nach dem Mauerfall erneut eine Richtungsänderung erfuhr. Im Sommer 2000 begegnete ich Gabriele Fröhlich, was einer Schicksalsbegegnung gleichkam. Die innere Arbeit, die ich über sie kennenlernte, fesselte mich so tief, dass sich daraus über viele Jahre eine intensive Zusammenarbeit entwickelte. Ich lernte ihr Modell „Das intelligente Herz“ und die Auswirkungen seiner Anwendung tief in mir selbst kennen und ließ meine Erkenntnisse und Erfahrungen zunehmend in die Arbeit mit Patienten einfließen. Dabei zeigte sich, dass sich nicht nur in mir tiefe Wachstums- und Wandlungsprozesse vollzogen, sondern ebenso in vielen anderen Menschen, die es schafften, sich auf sich selbst einzulassen.

Parallel zur Arbeit mit G. Fröhlich lernte ich das Familienstellen kennen, wobei sich die Erfahrungen, die ich dabei machte, und das, was ich in der Ausbildung bei Bert und Sophie Hellinger lernte, in die Arbeit mit G. Fröhlich wundervoll einfügten und sie ergänzten.

Auf meinem Weg des inneren Wachstums begegnete mir im Jahr 2002 in einer Fachzeitschrift ein Artikel über Dunkeltherapie, der mich sofort fesselte und nicht mehr losließ. Ich war einerseits neugierig, was sich dahinter verbarg, andererseits machte mir der Artikel auch Angst – allein über eine längere Zeit in absoluter Dunkelheit! Ich brauchte fast ein Jahr, ehe ich Holger Kalweit, den Autor des Artikels, kontaktierte und um einen Termin bat.

Vom 02. – 14.07.2003 begab ich mich für zwölf Tage in das erste Dunkelabenteuer. Alle meine Erfahrungen nahm ich mit einem Diktiergerät auf, um sie später für mich vertiefend nacharbeiten zu können. Während dieser Zeit kam ich in eine tiefe Krise und drückte Holger bei einem seiner Besuche das Aufnahmegerät in die Hand, damit er im Bilde darüber war, was in mir ablief. Er erkannte den Wert der Aufzeichnungen und regte mich an, ein Buch über meine Erfahrungen zu schreiben. Zunächst begeistert von der Idee, setzte ich mich nach Ende der Dunkelzeit daran, die Kassetten abzuschreiben. Dabei vertieften sich die inneren Prozesse und ich erhielt weiterführende und neue Einsichten über mich, die ich in Kursivschrift dem Manuskript hinzufügte. Der ganze Prozess dauerte zwei Jahre.

Zwischenzeitlich hatte ich mich zu einer zweiten Dunkeltherapie über 25 Tage (19.08. – 12.09.2005) entschieden. Ich dachte, an die Erfahrungen des ersten Dunkelretreats anknüpfen zu können und diese zu vertiefen. Dass alles auch ganz anders kommen könnte, hatte ich nicht in Erwägung gezogen.

Nach Ende des zweiten Dunkelaufenthaltes transkribierte ich monatelang das umfangreiche Material und ergänzte es wiederum mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen und Einsichten über mich selbst. Im Zuge dieser Arbeit wurde ich immer wieder mit der Angst konfrontiert, die Erfahrungsinhalte mit all meinen Gedanken und Gefühlen zu veröffentlichen. Ich hatte das Gefühl, mich zu entblößen und mit meinem ganzen Wesen nackt vor der Welt dazustehen. Auch waren viele Ereignisse mit so viel Schmerz für mich verbunden, dass ich sie nicht mit der Welt teilen wollte. Den Ängsten und dem Schmerz stellte ich mich und löste beides in vielen Einzelsitzungen nach und nach immer mehr auf.

Nach ungefähr drei Jahren Integrationsarbeit und mehreren Überarbeitungen der Aufzeichnungen hielt ich diese endlich für druckreif. Da ich in der Dunkelheit das Modell „Das intelligente Herz“ anwandte, um die Erfahrungen zu integrieren, bat ich G. Fröhlich im Sommer 2008 um eine Rückmeldung zum Manuskript, um sicherzugehen, dass ich das Modell in ihrem Sinne anhand meiner Erfahrungen und Träume interpretiert und erklärt hatte. Ihr Feedback regte mich an, die Erfahrungen nochmals zu überarbeiten und weitergehende Erkenntnisse und Einsichten aus heutiger Sicht einzufügen. Es ergab sich über E-Mails, Gespräche und unzähligen Einzelsitzungen mit ihr über für mich schwierige Themen ein intensiver Austausch, der eine weitere Runde in meinem Wachstumsprozess einleitete.

Parallel dazu begegnete ich im Frühjahr 2008 dem spirituellen Lehrer Thomas Hübl und meldete mich für sein dreijähriges Timeless-Wisdom-Training (TWT 1) an. Die Arbeit mit Thomas fügt(e) sich nahtlos in meine bisherige Arbeit ein und unterstützt(e) meinen inneren Prozess auf wunderbare Weise. Im Rahmen des Trainings war im zweiten Jahr eine Projektarbeit umzusetzen, die mir am Herzen liegen und der Welt zugutekommen sollte. Ich entschied, das Buch als Projekt zu nehmen – der gesetzte Zeitrahmen ließ mich intensiver daran arbeiten. In der Zwischenzeit war ich auch so weit, der Veröffentlichung vom Herzen her zustimmen zu können, ohne das Gefühl zu haben, vor Angst und Scham im Erdboden zu versinken.

Das Buch gliedert sich in seiner jetzigen Form in drei Teile. Als Erstes stellt G. Fröhlich das von ihr entwickelte Modell „Das intelligente Herz“ als Grundlage für den psychodynamischen Aufarbeitungsteil der Aufzeichnungen vor und verweist auf die im Buch aufscheinenden Übergänge zwischen psychodynamischen und transpersonalen Aspekten in ihrer Relevanz für den westlichen Kulturkreis.

Es folgen die transkribierten Erfahrungsberichte aus den beiden Dunkelaufenthalten über 12 bzw. 24 Tage, die ich im Wesentlichen so belassen habe, wie sie seinerzeit entstanden sind. Sehr intime Passagen, in denen es um meine Ehe ging, wurden jedoch entfernt. Gemachte Zeitangaben sind immer geschätzt und entsprangen meiner Empfindung in dem Moment. Die Auslassungspunkte „…“ bitte ich an den jeweiligen Stellen als fließende, energetisch nicht durchbrochene lange Pause zu verstehen. Ich behielt die Erzähl- und Ich-Form bei, weil sie das unmittelbare Geschehen viel lebendiger wiedergeben als ein eher unpersönlicher Stil. Es werden sowohl die Auseinandersetzung mit dem dunklen Unbewussten (nach C. G. Jung der „Schatten“) als auch transpersonale Erlebnisse beschrieben und wie ich damit umgegangen bin, um die Erfahrungen auf eine gesunde Weise zu integrieren. Dadurch bleibt es nicht aus, dass sich im Zuge des ganzen Prozesses Wiederholungen ergeben, da mich verschiedene Themen immer wieder beschäftigten, bis sich das, was ich mein Leben lang verdrängt hatte, ganz an die Oberfläche meines Bewusstseins gearbeitet und in kleinen Dosen entknäuelt, verändert, aufgelöst und integriert hatte.

Im Erlebnisteil eingebunden sind als Drittes die nachträglichen Einfügungen (Erkenntnisse, Einsichten und psychodynamische Analysen aus heutiger Sicht), die einerseits während der jahrelangen Manuskriptüberarbeitung und andererseits in enger Zusammenarbeit mit G. Fröhlich entstanden und alle in Kursivschrift und mit Datum gekennzeichnet sind. So kann der Leser wählen, entweder nur den reinen Erfahrungsbericht zu lesen oder sich auch über tiefere psychodynamische Hintergründe zu informieren.

Das Buch ist mein Beitrag für eine Welt, in der Hektik, Stress, Machtausübung sowie materielles Denken und Handeln vorherrschend sind und die geistig-seelischen Wirklichkeiten und wahren Werte des Menschen meinem Empfinden nach viel zu wenig Berücksichtigung finden. Das Ausblenden des authentischen Selbst im Menschen führt zum rücksichts- und lieblosen Umgang mit sich selbst, mit anderen und unserer Umgebung, mit der Erde und dem Weltraum und erzeugt einen Spannungszustand, der sich in jedem Menschen selbst und darüber hinaus weltweit über kriegerische Spannungsherde und Naturkatastrophen unübersehbar bemerkbar macht.

Es ist ein sehr persönliches Buch, in welchem ich intime Details offen darlege und dem Leser im Grunde Einblick in mein ganzes Wesen gebe. Um die Schwierigkeiten auf dem Weg der Selbsterkenntnis für den Leser besser nachvollziehbar zu machen, habe ich alle wesentlichen Details und Themen im Buch so belassen, wie sie in mir auftauchten. Ich verbinde mit der Veröffentlichung dieser Inhalte die Hoffnung und den tiefen Wunsch, dass diese Informationen Menschen helfen mögen, die bereits auf dem Weg der ernsthaften Selbsterforschung sind, die damit verbundenen Gefahren und Irrwege besser erkennen zu können, und möchte Anregungen geben, wie damit umgegangen werden kann. Vielleicht geben meine Erfahrungen anderen auch Mut und Anstoß, sich selbst auf den Weg in die Tiefen des eigenen Universums hin zu innerer Wahrheit, Heilung, Empathie, Mitgefühl, bedingungsloser Liebe und Weisheit zu machen. Wenn das Buch auch nur einer kleinen Anzahl von Menschen in einer (spirituellen) Krise oder ihrem persönlichen Erkenntnis- und Veränderungsprozess weiterhilft, hat sich für mich persönlich sowohl der Preis der Offenbarung meines innersten Wesenskerns als auch die Mühe und der Aufwand gelohnt, den mich dieses Buch gekostet hat (abgesehen davon, dass es meinem eigenen Wachstumsprozess auch zugutekam).

Falls Sie sich durch das Buch angeregt fühlen, sich in das Modell „Das intelligente Herz“ einarbeiten und es in ähnlicher Weise anwenden zu wollen, wie ich dies tat und hier beschreibe, so weise ich darauf hin, dass meiner Fähigkeit, in den beiden Dunkelaufenthalten das Konzept des Modells so selbstverständlich anzuwenden, ein jahrelanger Übungsprozess unter Anleitung und Feedback von G. Fröhlich vorausging, sodass ich bereits eine gute Übung darin hatte. Meines Erachtens braucht es zumindest in der Anfangszeit Anleitung und Hilfe, um einerseits vom Erwachsenen-Ich aus in eine echte und lebendige Kommunikation mit dem Inneren Kind zu kommen und andererseits die Fähigkeit zu entwickeln, die einzelnen Energien (Pig Parent, Anpasser, Inneres Kind, Positives Eltern-Ich usw.1 ) innerhalb der eigenen Person unterscheiden und angemessen mit ihnen umgehen können zu lernen. Die genauen Beschreibungen dienen der Nachvollziehbarkeit und dem besseren Verständnis für den Leser, ersetzen aber weder ärztliche noch psychotherapeutische Hilfe und selbstverständlich kann auch keine Haftung übernommen werden.

Sollte das Buch zu irgendeinem Zeitpunkt auf tiefe Gefühle in Ihnen stoßen, wäre es ratsam, sich an dem Punkt zu fragen, ob jetzt der rechte Zeitpunkt ist, es zu lesen, und ob Sie weiterlesen möchten. Sie haben jederzeit die Wahl und lesen das Buch in Eigenverantwortung sich selbst gegenüber.

Ich wünsche Ihnen von Herzen viel Spannung, viele Erkenntnisse, vielleicht auch tiefe Erfahrungen oder einfach nur Freude beim Lesen dieses Buches.

Saskia John

März 2011

Vorwort zur Neuauflage

Als ich das Buch 2012 veröffentlichte, hatte ich nicht die Absicht, es nach 3 Jahren zu überarbeiten. Die überraschende Insolvenz des bisherigen Verlages veranlasste mich jedoch, dem Buch erneut meine Aufmerksamkeit zu schenken. Im Zuge der Überarbeitung zeigte sich, dass einige Wiederholungen, die mir damals wichtig erschienen, aus heutiger Sicht entfernt werden konnten, ohne dass dadurch dem Buch Inhalt und Tiefe verloren ging. Alle bisherigen, in der ersten Auflage kursiv dargestellten Einfügungen wurden von mir geprüft und ggf. an mein heutiges Verständnis über die komplexen Zusammenhänge von Körper, Geist und Seele angepasst. Im Rahmen der Überarbeitung bewusst gewordene neue Erkenntnisse oder weiterführende Anmerkungen habe ich, soweit ich dies für hilfreich erachtete, in der üblichen Weise kennzeichnend hinzugefügt, sodass das Buch diesbezüglich auf den neuesten Stand gebracht ist. Auf manche intrapsychische Dynamiken bin ich in der Neuauflage ausführlicher eingegangen, um dem Leser ein leichteres Verständnis für die Arbeit mit dem Inneren Kind (im Sinne nachhaltiger Änderung emotionaler Reaktionen auf die eigene Vergangenheit) zu ermöglichen. Einige Erfahrungsinhalte, die in der 1. Auflage aus persönlichen oder Platzgründen weggefallen oder stark gekürzt worden sind, habe ich in das Buch wieder aufgenommen, wenn dies dem Gesamtverständnis diente, was den Einblick in die damaligen Dunkelerfahrungen nunmehr vervollständigt.

Insgesamt habe ich mich in der Neuauflage um einen bildlicheren Schreibstil bemüht, sodass mehr Leichtigkeit in das Buch getragen ist und die Beschreibungen für den Leser, so hoffe ich, einfacher nachvollziehbar sind.

Kürzlich las ich das Buch „Kriegsenkel“, in dem vieles beschrieben wird, was ich in jahrelanger Therapie und meditativer Selbsterforschung, so auch in den beiden Dunkelaufenthalten, in meiner Seele ausgegraben hatte – Inhalte, die meine Eltern, beide Kriegs- und Flüchtlingskinder, aus verständlichen Gründen bis heute nicht aufarbeiten konnten.

Die gegenwärtige Flüchtlingskrise holt viele der im 2. Weltkrieg verdrängten Emotionen (z. B. Existenzangst und Wut bis zum Hass hin) an die Oberfläche. So fühlte ich eine große Todesangst, die für mein eigenes Leben keinen Sinn ergibt, wohl aber sehr viel Sinn für die Erfahrungen im Leben meiner Eltern und Großeltern macht. Indem ich es schaffte, diese gigantische Angst wirklich zu fühlen und ihr offenen Herzens zu begegnen, wandelte sie sich mehr und mehr in Kraft, die dem Leben bis in das Heute hinein dient. Dieser Wandlungsprozess heilt sowohl mich als auch meine Kinder und Enkel und – das ist bemerkenswert – auch ein Stück weit meine Eltern. Sie wirken offener, weicher und, wie mir scheint, auch gesünder. Die emotionale Beziehung zwischen uns wird immer wärmer und lebendiger, was der gesamten Familie guttut.

Die heutige Zeit ist also eine große Chance für uns, die Kriegsenkel, dem dunklen Schatten der deutschen Vergangenheit – die in jedem Einzelnen von uns steckt, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht – liebevoll in die Augen zu schauen, um ihn verarbeiten zu können (statt die aufbrechenden Gefühle aus unserer Vergangenheit auf die „anderen“, z. B. die heutigen Flüchtlinge, zu projizieren). Indem wir Verantwortung für alle unsere Gefühle übernehmen, diese aus einer größeren Perspektive mitfühlend anschauen (= Erwachsenen-Ich) und richtig dort zuordnen, wohin sie gehören, ist ein erlösendes Wieder-Fühlen der damals im Krieg verdrängten Gefühls-Energie und damit eine Transformation dieser möglich. In meinem Buch „Grenzerfahrung Dunkelretreat“ werden über das psychologische Integrationsmodell „Das intelligente Herz“ und die dazu beschriebenen Beispiele aus meinem eigenen Leben Lösungsmöglichkeiten zur Integration und Heilung persönlicher und kollektiver Schatten aufgezeigt. Ebenso kann das Modell eine Ressource für Menschen in spirituellen Krisen sein.

Die Gesellschaft, also „wir“, setzt sich aus vielen Einzelindividuen zusammen. Wenn die Einzelnen in sich selbst reifen, wachsen und zum Frieden im eigenen Herzen finden, dann transformiert sich in der Folge die Gesellschaft und wiederum darüber die Menschheit als Ganzes. Diese heilsame bewusste innere Auseinandersetzung mit uns selbst darf meines Erachtens nicht mehr als „Luxus“ oder „Marotte“ einzelner Suchender betrachtet werden, sondern ist vielmehr zur dringenden

Notwendigkeit für die Menschheit geworden, um in eine erwachsenere, reifere Ebene des Menschseins hineinwachsen und den globalen Herausforderungen dieser Zeit angemessen begegnen zu können. Mit diesem Buch möchte ich einen Anstoß dazu geben.

Saskia John

April 2016

Kapitel 1 – „Das intelligente Herz“

Ein psychologisches Modell zur Integration transpersonaler Erlebnisse (geschrieben von Gabriele Fröhlich)

Als ich vor Jahren meine Rebirthing-Ausbildung – eine Form der transpersonalen Atemtherapie – in Vollzeit über drei Monate antrat, wurde mir bald bewusst, wie hilfreich sich meine zuvor absolvierte kognitiv orientierte Psychotherapieausbildung und die Erfahrung mit der Materie auswirken würde.

Die transpersonale Psychologie befasst sich mit Aspekten der persönlichen Erfahrungswelt, die das Individuelle in Bereiche archetypischer und höherer geistiger Zugangsebenen transzendieren, und sie wird als eine zugänglichere Form der spirituellen Erfahrung gegenüber den älteren esoterischen Traditionen betrachtet.

Mir war vor Beginn der Ausbildung klar, dass das Anliegen war, sich auf weitgehend transpersonale, nicht mit der Ratio erfassbare innere Bilder, Erlebnisse und Prozesse einzulassen; das Ziel war nicht, Probleme des Alltags zu lösen, gezielt Kindheitstraumata aufzuarbeiten oder freie Assoziationen zu interpretieren. Der „Stoff“ würde sich von selbst einstellen und seine Auflösung auf der Erlebnisebene häufig auch. Was hier gebraucht wurde, war in erster Linie eine begleitende Beobachterposition, die es möglich machen würde, eine Identifikation (und damit das Risiko einer inneren Überwältigung durch das Erlebte) zu verhindern. Nun ist diese Art von Beobachterfunktion integraler Bestandteil einer jeden Meditationspraxis und damit kein neuer Gedanke. Im Zuge der Rebirthing-Ausbildung und anderer verwandter Trainings zur Persönlichkeitsentwicklung mit einem starken Erfahrungsanteil wurde für mich aber zunehmend klarer, dass diese so wichtige Beobachterfunktion auf innere Integrationsprozesse zurückgeht und daher gewissermaßen erst erworben werden muss. Bei einer starken emotionalen Belastung, entweder durch die Lebenssituation der Person oder durch akute Aufarbeitungsphasen psychischer Prozesse, wie sie in derartigen Intensiverfahrungen ja an der Tagesordnung sind, kann dieser Beobachterposten eine große Herausforderung darstellen. Der Vorgang der Beobachtung in diesem Zusammenhang ist in sich selbst ein subjektiver Prozess, relativ zur aktuellen inneren Balance, in der die Person sich befindet oder eben auch nicht. Intrapsychisch hängt der Beobachtungsprozess von der emotionalen „Ladung“ des Beobachteten ab. Ein in dieser Hinsicht ungeschulter Mensch wird tröpfelnden Regen auf buntes Herbstlaub aller Wahrscheinlichkeit nach mit einiger innerer Gelassenheit registrieren und auf Nachfrage diesen Vorgang auch recht realitätsgetreu wiedergeben können. Wenn es sich um einen schweren Autounfall handelt, dürfte sich die objektive Beobachtung des Vorgangs hier schon deutlich schwieriger gestalten. Die übliche Divergenz zwischen Zeugenaussagen verschiedener Anwesender bei derartigen Geschehen ist ein deutlicher Hinweis für die subjektive Wahrnehmung und innere Verarbeitung von Beobachtetem in Abhängigkeit von seiner emotionalen Belastung. Im Extremfall mag es zu einer totalen Blockierung des Beobachteten kommen, d. h. es stellt sich ein innerer Schutzmechanismus ein, wonach unbewusst das sehr wohl registrierte traumatisierende Erlebnis quasi als nicht stattgefunden „erinnert“ wird. In weniger dramatischer Form finden vergleichbare Vorgänge durch die gesamte Lebensspanne hindurch statt; Unangenehmes aus Erwachsenensicht wird in der Frühkindheit häufig als existenziell bedrohlich empfunden und entsprechend dem beschriebenen Mechanismus oft weit ins Unbewusste verdrängt.

Zum Verständnis unserer Wahrnehmungen und Erfahrungen bedarf es der inneren Kommunikation zwischen verschiedenen Persönlichkeitsaspekten in uns, die die gleiche Situation oft auf jeweils unterschiedliche Weise wahrnehmen. Je besser diese innere Kommunikation innerhalb einer Person funktioniert, desto besser ist auch ihre Aussicht auf Erfolg in der Kommunikation mit anderen. Um die wichtigsten Persönlichkeitsanteile, ihre Funktionen und die Dynamik im Umgang mit uns selbst und anderen zu veranschaulichen, habe ich das „Intelligente-Herz-Modell“ entwickelt.

Leser, die mit der Transaktionsanalyse von Eric Berne vertraut sind, werden im umseitig stehenden Schema einige ihnen schon bekannte Namen oder Zuordnungen in ähnlicher Form wiedererkennen.

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Die Beschaffenheit dieses Modells orientiert sich eng an dem Konzept der emotionalen Intelligenz. Der Begriff „emotionale Intelligenz“ hat sich im alltäglichen Umgang inzwischen so eingebürgert, dass er uns allen einigermaßen geläufig sein dürfte. Er wurde zum ersten Mal Mitte der 90er-Jahre von Daniel Goleman in seinem gleichnamigen Bestseller vorgestellt, in dem Goleman zur Vereinfachung auch die Abkürzung „EQ“ für einen emotionalen Intelligenzquotienten einführte. Der EQ umschreibt die Fähigkeit zum Mitgefühl, zur Empathie, des inneren Antriebs, des Selbstbewusstseins (im Sinne von: sich seiner selbst bewusst zu sein), des Altruismus, zu angemessenen inneren Reaktionen auf emotionale Impulse und die Kompetenz, geeignete Entscheidungen im Umgang mit allen Lebenssituationen treffen zu können. Sinn des „Intelligenten-Herz-Modells“ ist es, die Energieflüsse nachvollziehbar zu erfassen, die einen emotional intelligenten Umgang mit intra- und interpersönlichen Prozessen (solche, die sich auf uns selbst und den Umgang mit anderen beziehen) ausmachen.

Das folgende Erklärungsschema beschreibt die Persönlichkeitsanteile im Modell „Das intelligente Herz“ (IH-Modell, siehe S. 27), wofür sie stehen und worin ihre Funktion besteht.