image

Sonja Meiburg

ANTI-GIFTKÖDER-TRAINING

ÜBUNGSPROGRAMM FÜR STAUBSAUGER-HUNDE

image

(Foto: Michele Baldioli)

Sonja Meiburg

ANTI-GIFTKÖDER-TRAINING

ÜBUNGSPROGRAMM FÜR STAUBSAUGER-HUNDE

Für Damon und Vegas

image

Haftungsausschluss

Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

IMPRESSUM

Copyright © 2016 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

Titelgestaltung und Layout: www.ravenstein2.de

Konvertierung durch Bookwire GmbH

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6424-9

INHALT

Einleitung oder wie Sie dieses Buch am besten nutzen

Was nicht funktioniert

Den Hund strafen funktioniert nicht …

… das Futter strafen auch nicht

Leckerlis nie auf den Boden werfen

Rangordnungsmaßnahmen

Maulkorb

Vorbeugen

Futter wegnehmen?

„Aus“-Training

Fressnapftraining

Häufiger füttern

Maulkorbgewöhnung

Was funktioniert: Die Vorbereitung

Belohnen: Wie, wieso und überhaupt?

Das Markersignal

Das Freigabesignal

Was funktioniert: Die Basisübung „Stoppen vor dem Futter“

Ziel der Übung

Vorbereitung

Und so läuft’s

Steigerung

Generalisieren

image

(Foto: Michele Baldioli)

Was funktioniert: Das Signal „Nix da“

Babylevel

Kindergartenlevel

Grundschullevel

Das Gymnasium

Die Universität

Und wie läuft das beim Spaziergang?

Was funktioniert: Das Anzeigeverhalten „Nur gucken, nicht schlucken!“

Vorüberlegung

Der Start: Stoppen vor dem Futter

Entfernung verringern

Das eigentliche Anzeigeverhalten

Das Anzeigeverhalten verlängern

Die Entfernung zum Hund erhöhen

Generalisieren

Und wie läuft das beim Spaziergang?

Notfallsignale

Das Schlaraffenland-Signal „Schlasi“

Das Signal „Maul öffnen“

Für Härtefälle

Hilfe durch Entspannungstraining

Ein besonderer Fall: Pica

Anhang

Belohnungsliste

Empfehlungen für Hundeschulen

Literaturempfehlungen

Über die Autorin

Stichwortregister

image

(Foto: Michele Baldioli)

Einleitung oder wie Sie dieses Buch am besten nutzen

Gerade gingen Sie noch gemütlich mit Ihrem Vierbeiner über die Wiese und auf einmal entfährt Ihnen aus voller Seele ein Schrei: „Iiiiiigitt!!!! Pfui ist das!! Auuussssss!!“

Was ist passiert? Ihr Hund streckte plötzlich seine Nase in die Luft, dann in Richtung Boden, und schon hatte er etwas Unaussprechliches zwischen den Zähnen. Er schaut glücklich aus der Wäsche über seinen tollen Fund und grinst Sie mit vollem Maul an. Sie sind weniger begeistert. Kommt Ihnen das bekannt vor? Dann lesen Sie ruhig weiter. Denn ich möchte Ihnen zeigen, wie Sie es schaffen, dass Ihr Hund etwas Fressbares am Boden liegen lässt.

Sie werden feststellen, dass die einzelnen Übungen sehr kleinschrittig beschrieben sind. Das heißt nicht, dass Sie mit dem Training ewig und drei Tage beschäftigt sind – im Gegenteil. Es heißt lediglich, dass Sie einen möglichst ausführlichen Fahrplan an die Hand bekommen, der Sie durch Ihr Training führt. Wenn Sie merken, dass Ihnen und Ihrem Hund ein Trainingsschritt besonders leichtfällt, können Sie ihn getrost nur kurz üben und dann gleich die nächste Stufe angehen. Lassen Sie aber keinen Trainingsschritt aus, damit Sie den Überblick behalten, wo Sie gerade stehen, und eine gesunde Basis schaffen, auf die Sie zurückgreifen können, wenn mal etwas nicht so gut funktioniert.

Sollten Sie merken, dass Sie und/oder Ihr Hund bei einem Schritt Schwierigkeiten haben, können Sie in Ihrem Plan wieder ein oder zwei Schritte zurückgehen, diese verstärkt üben, bis Sie Ihr Level gefestigt haben, und es dann wieder mit dem schwierigen Schritt versuchen.

Oft werde ich gefragt, wie lange so ein „Staubsauger“-Training dauert. Ganz ehrlich: Das kann ich pauschal nicht sagen. Es kommt sehr auf Sie und Ihren Hund an, wie oft Sie üben, wie geschickt Sie in der Umsetzung sind, wie lange Ihr Hund schon Übung darin hat, alles vom Boden zu fressen, und vieles mehr. Manche Hundehalter hatten nach zwei geführten Trainingseinheiten das Staubsauger-Problem zu 90 Prozent im Griff. Ich habe aber auch schon Teams erlebt, die mehrere Monate unter Anleitung üben mussten, bevor das Training wirklich erfolgreich war. Meist lag das aber daran, dass der Halter zu wenig Zeit zum Üben hatte.

Am schnellsten kommen Sie ans Ziel, wenn Sie sich entspannen, Ihre Erwartungshaltung loslassen, mit dem Tempo Ihres Hundes gehen und das Training genießen. Je begeisterter Sie und Ihr Hund sind, umso leichter und schneller geht Ihnen das Training von der Hand.

image

image

(Foto: Michele Baldioli)

image

(Foto: Michele Baldioli)

WAS NICHT FUNKTIONIERT

Leidgeprüfte Besitzer von Draußen-Staubsaugern fragen sich oft: Warum macht er das? Er bekommt von mir wahrlich genug zu fressen. Die Antwort ist ganz einfach: Weil er es kann und weil es ihm Spaß macht!

Unsere Hunde sind seit jeher darauf geeicht, alles, was ihnen an Fressbarem vor die Nase kommt, aufzunehmen. Man weiß ja nie, wann es das nächste Mal etwas gibt und ob der Napf am Abend wirklich wieder so voll ist wie am Abend zuvor. Futteraufnahme ist genetisch tief verankert – und das macht ja auch Sinn: ohne Futter kein Überleben.

Zudem ist das Verhalten hochgradig selbstbelohnend. Keiner muss neben dem Hund stehen, um ihm zu sagen, wie toll es ist, dass er das vergammelte Stück Pizza gefressen hat. Hasenköttel sind für unsere Hunde so etwas wie Salzlakritze für den Menschen. Und wenn der Magen noch so voll ist – etwas zum Knabbern geht immer.

Weil es genetisch so fest verankert und so selbstbelohnend ist, braucht man gar nicht versuchen, dieses unerwünschte Verhalten mit aller Macht zu unterdrücken. Es ist nicht zielführend, in Sachen unerwünschter Nahrungsaufnahme gegen den Hund zu agieren, das Verhalten durch Strafen unterdrücken zu wollen und sich damit selbst zum Spielverderber zu machen.

Den Hund strafen funktioniert nicht …

Um Ihnen Zeit zu sparen, fange ich damit an, die Dinge aufzulisten, die Sie nicht auszuprobieren brauchen. Sie helfen in den allermeisten Fällen nicht oder verschlimmern das unerwünschte Verhalten noch.

Damit meine ich zum Beispiel, den Hund anzuschreien, „Nein“ oder „Pfui“ zu rufen, ihn womöglich zu schlagen, an der Leine zu rucken oder ihm konsequent jedes Mal hinterherzulaufen, wenn er etwas im Maul hat, bis er Ihnen seine Beute endlich überlässt.

Wenn Sie Ihren Hund strafen, wird er wie jedes Lebewesen versuchen, dieser Strafe zu entgehen. Das heißt aber nicht automatisch, dass er dadurch genau das tut, was Sie von ihm möchten – das Unaussprechliche am Boden liegen lassen.

Wenn er versucht, der Strafe zu entgehen, heißt das nur, dass er eine andere Strategie wählen wird, um sein Ziel zu erreichen. Das ist nichts Persönliches und bedeutet auch nicht, dass Ihr Hund Sie nicht ernst nimmt. Er tut nur das, was er gelernt hat und was die Natur ihm vorgibt.

Wenn Sie Strafen schon ausprobiert haben, werden Sie gemerkt haben, dass der Erfolg eher so aussieht:

 Strategie 1: Ihr Hund nimmt alles, was er findet, extrem schnell ins Maul und versucht, es hinunterzuschlucken. Wenn Sie ihn dann ansprechen, um zu sehen, was er in der Schnauze hat, schaut er Sie an mit diesem „Was meinst du? Ich hab nichts im Maul!“-Blick, um den Pferdeapfel dann schleunigst hinunterzuwürgen.

 Strategie 2: Ihr Hund schnappt sich, was am Boden liegt, und sorgt dann flott dafür, dass zwischen ihm und Ihnen mindestens 30 Meter Sicherheitsabstand liegen. Daraus kann sich für den Hund und Sie ein nettes Hasch-mich-Spielchen entwickeln. Glauben Sie mir, der Hund gewinnt!

 Strategie 3: Die dritte, sehr unschöne Variante wäre, dass Ihr Hund auf einmal anfängt, Sie anzuknurren oder nach Ihrer Hand zu schnappen, wenn Sie versuchen, ihm etwas wegzunehmen. Die meisten Hunde sind gesellige Typen, die nicht auf einen ernsthaften Konflikt aus sind und eher versuchen, ihre Beute schnell in Sicherheit, sprich in den Magen zu bringen. Es gibt aber ab und zu Kandidaten, die deutlich zeigen, wenn sie bitte beim Zerlegen eines Hühnerbeins nicht gestört werden wollen. Das ist Ihnen gegenüber nicht böse gemeint, sondern lediglich ganz normales Hundeverhalten, das Sie durch entsprechendes Training verändern können.

image

So verständlich der Ärger auch ist. Strafen hilft nicht.

(Foto: Michele Baldioli)

Hunde, die eine der drei oben genannten Varianten zeigen, haben gelernt: Habe ich etwas im Maul und kommt dann mein Mensch dazu, wird es unangenehm! Sie haben nicht gelernt, dass sie nichts vom Boden fressen dürfen. Das sind ziemlich ungünstige Voraussetzungen dafür, dem Hund erfolgreich seine Beute streitig zu machen, oder?

… das Futter strafen auch nicht

Ja, Sie haben richtig gelesen. Im Internet, wo alles möglich ist, wird ab und zu empfohlen, das Unaussprechliche, das am Boden liegt, zu verhauen. So soll der Hund lernen, dass er es nicht fressen darf.

Ich stelle es mir ziemlich unangenehm vor, wenn ich meine Leine nehme und damit Fuchskot mit viel Geschrei und einer Wucht verhaue, sodass es in alle Richtungen spritzt. Ja, natürlich soll man „eigentlich“ danebenhauen, aber wie das so ist im Eifer des Gefechts: Sind Sie sicher, dass Sie wirklich immer danebentreffen?

Das Ergebnis der Tracht Prügel sieht in der Regel so aus: Höfliche Hunde lassen den Kot und nehmen den nächsten Haufen. Etwas robustere Hundenaturen stellen sich hinten an, warten, bis ihr Mensch mit dem Theater fertig ist, und sammeln die Reste auf. Also funktioniert das auch nicht.

Leckerlis nie auf den Boden werfen

Es könnte alles so einfach sein: Immer seinen Hund aus der Hand oder aus der Schüssel füttern, aber niemals Leckerlis oder Futter auf den Boden werfen. Der Hund gewöhnt sich dann daran, dass er Futter nie vom Boden nimmt – oder auch nicht.

image

Reine Napffütterung verhindert keine unerwünschte Nahrungsaufnahme. (Foto: Michele Baldioli)

Mal ehrlich: Stellen Sie sich einmal bildlich vor, dass Sie schon monatelang Ihren Hund aus der Hand füttern, Ihnen niemals ein Leckerli daneben- und auf den Boden gefallen ist und Sie genau darauf achten, Ihrem Hund nie etwas zuzuwerfen, denn es könnte ja danebengehen.

Und jetzt liegt vor Ihnen am Boden eine alte vergammelte Pizza und Ihr handgefütterter, aluschüsselgewohnter Hund steht neben Ihnen.

Glauben Sie wirklich, dass er Nein sagt zu diesem Snack? Nun, ich denke, die Antwort kennen Sie.

image

(Foto: Michele Baldioli)

Nur aus der Hand füttern, ist auch keine Lösung.

Rangordnungsmaßnahmen

Immer wieder gern genommen wird bei Gehorsamsproblemen sämtlicher Art der Spruch: „Dein Hund nimmt dich nicht ernst und denkt, er wäre der Boss! Du musst ihm nur zeigen, dass du in der Rangordnung über ihm stehst“, gefolgt von guten Ratschlägen wie „Geh vor ihm durch die Tür!“ oder „Du musst unbedingt essen, bevor er sein Futter bekommt“ oder – auch sehr beliebt – „Der Hund darf nicht mehr aufs Sofa“.

Ich erspare Ihnen jetzt eine lange Lektion darüber, dass das mit der Rangordnung bei Hunden ein ziemlich alter Hut ist, völlig anders aussieht, als die Hundehalterwelt lange Zeit dachte, und mittlerweile längst durch neuere Erkenntnisse der Verhaltensforschung modifiziert wurde. Ich verweise dazu auf die einschlägige Fachliteratur im Anhang.

Nur für den Fall, dass Sie noch zweifeln, lade ich Sie dazu ein, das gleiche Gedankenspiel wie oben unter dem Punkt „Leckerlis nie auf den Boden werfen“ durchzuführen. Stellen Sie sich vor, dass Sie schon monatelang brav vor Ihrem Hund durch die Tür gegangen sind. Vom Sofa verbannt haben Sie ihn sowieso und kuscheln schon viele Wochen nur noch auf dem harten Fußboden. Und bevor Sie ihn gefüttert haben, haben Sie jedes Mal einen oder mehrere Kekse gegessen. Jetzt sind Sie einige Kilo schwerer, gehen mit Ihrem Hund durch den Wald und dort liegt die schon bekannte Pizza.

Der Rest ist wieder klar: Woher soll Ihr Hund wissen, dass „Ich geh vor dir durch die Tür“ gleichbedeutend ist mit „Rühr die Pizza nicht an!“? Also vergessen Sie am besten die Sache mit der Rangordnung, mit den Strafen und mit der Hand- und Schüsselfütterung. Es gibt etwas, das wesentlich besser funktioniert: Gutes Training!

Maulkorb

Maulkorbtraining verschafft Ihnen ein wenig Zeit, mehr nicht. Wie viel Zeit Sie gewinnen, hängt von der Beschaffenheit des Maulkorbs ab. Völlig ungeeignet sind Nylon-Maulkörbe. Damit der Hund nichts Fressbares mehr aufnehmen kann, müsste man das Maul regelrecht zuschnüren. Aber dann könnte der Hund nicht mal mehr hecheln. Das wäre lebensgefährlich! Auch außerhalb des „Draußen-Staubsauger“-Trainings haben diese Maulkörbe am Hund nichts zu suchen.

Besser geeignet sind richtige „Körbe“ aus Plastik, Leder oder Metall, wobei Plastik die leichteste Variante ist. Mit ihnen kann der Hund immer noch hecheln, trinken und sein Maul bewegen. Es gibt Maulkörbe mit einer „Fressschiene“, auch „Fresssperre“ oder „Fress- bremse“ genannt. Diese Sperre verhindert, dass der Hund durch die Vorderseite des Maulkorbs Fressbares vom Boden aufnehmen kann. Sie verhindert allerdings nicht, dass der Hund seinen Kopf in weiches „Futter“ tunkt und es seitlich durch den Maulkorb lutscht.