Es gibt in Deutschland ein Thema, über das nur äußerst ungern gesprochen wird: Kriminalität von Flüchtlingen. Das war vor den Vorfällen in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln und anderen Städten so, und das hat sich seitdem auch nur in Maßen geändert. Weil aber so ungern darüber gesprochen wird, möchte ich genau das nun tun. Allerdings ist mir klar, dass ich damit Vertreter unterschiedlicher politischer Richtungen gegen mich aufbringen werde. Von der rechten Seite wird mir vermutlich vorgeworfen werden, ich würde die Lage im Land verharmlosen, liberaler und links Ausgerichtete werden mich dafür verurteilen, dass ich die Begriffe Kriminalität und Flüchtlinge überhaupt in Verbindung zueinander bringe.
Aber vermutlich sollte ich zunächst damit beginnen, warum ich mir überhaupt das Recht herausnehme, über ein derart umstrittenes wie auch mit Emotionen behaftetes Thema zu berichten: Ich tue es, weil ich zum einen als stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamten sehr genau darüber informiert bin, wie die Lage in Sachen Flüchtlingskriminalität in Deutschland tatsächlich ist. Und zum anderen leite ich die Kriminalpolizei in der niedersächsischen Stadt Braunschweig und habe dort im August 2015 die erste Sonderkommission mit initiiert, die sich ausschließlich mit Kriminalität aus den Reihen der Flüchtlinge beschäftigt. Dass ich das getan habe, ist natürlich ein deutlicher Hinweis darauf, dass mir sehr wohl bewusst ist, dass es diese Flüchtlingskriminalität gibt. Da ich aber über derartige Vorkommnisse auch bundesweit informiert bin, ist mir ebenfalls bewusst, dass das Problem weit geringer ist, als es manche Parteien, Organisationen und Politiker der Öffentlichkeit gerne weismachen wollen.
Mittlerweile zeigen uns die Beispiele der Silvesternacht in Köln auch die Folgen einer »Kuschelpolitik« oder blanker Ignoranz, die sich aus den Fehlern der letzten 20 Jahre, aber auch der jüngeren Zeit ergeben haben. Ich werde darauf an geeigneter Stelle noch genauer eingehen. Denn es wird noch darüber zu sprechen sein, wenn auch gleich festgehalten werden kann, dass das Thema insgesamt nicht viel mit der jetzigen Situation und der aktuellen Flüchtlingsproblematik zu tun hat.
Wann immer wir von Flüchtlingskriminalität reden, müssen wir uns bewusst machen, dass allein im Jahr 2015 mehr als eine Million Menschen auf der Flucht nach Deutschland gekommen sind. Und nirgendwo auf der Welt wird man eine so große Zahl an Menschen antreffen, ohne dabei auf einige kriminelle Personen zu stoßen.
Wenn ich hier von kriminellen Flüchtlingen schreibe, hat das zwei weitere Gründe: Ich möchte den Menschen in diesem Land erklären und deutlich machen, dass es diese Kriminalität zwar gibt, dass wir aber durchaus über Mittel und Wege verfügen, sie zu bekämpfen. Wenn wir diese zur Verfügung stehenden Mittel und Wege denn auch gezielt einsetzen. Außerdem geht es mir darum klarzustellen, dass es zwar tatsächlich diese kleine Gruppe von Menschen gibt, die mit dem Ziel nach Deutschland kommt, hier Straftaten zu begehen. Nur darf es schlicht nicht sein, dass die große Mehrheit der dankbaren und friedlichen Flüchtlinge mit diesen Personen über einen Kamm geschoren wird und am Ende unter deren Aktivitäten leiden muss.
Geht es um Flüchtlingskriminalität, dann geht es zudem um eine große Zahl weiterer Fakten, die häufig unterschlagen werden. Ich werde daher auch über jene Fehler berichten, die vor allem im Jahr 2015 von Seiten der verantwortlichen Politiker gemacht wurden. Denn die große Willkommenskultur des Sommers 2015 hat auch dazu geführt, dass wir inzwischen gar nicht mehr wissen, wer überhaupt bei uns im Land ist, und auch nicht, wer sich wo aufhält. Die lange praktizierte Nicht-Registrierung von Flüchtlingen wird nicht nur für die Polizei noch lange ein Thema und auch ein Problem bleiben.
Ebenso wichtig ist ein anderes Thema: Die besagte Million Flüchtlinge ist bei uns. Es hilft also nicht, sich zu beschweren oder zu lamentieren. Es geht nun darum, dass wir uns damit beschäftigen, wie es weitergeht, und vor allem, wie wir diese große Zahl an Menschen in unsere Gesellschaft integrieren können. Ohne dass erneut jene Fehler gemacht werden, die im Zuge der letzten großen Flüchtlingswelle in den frühen Neunzigerjahren begangen wurden, und die sich in vielen Städten bis heute als ein ernstes Problem erweisen. Damals hat man sich nämlich nicht entschlossen genug um eine wirkliche Integration gekümmert, sondern die Menschen ohne viel Nachdenken in großer Zahl in bestimmte Stadtteile gestopft, die sich inzwischen zu regelrechten Ghettos entwickelt haben, in denen die Clans herrschen und der deutsche Rechtsstaat eher belächelt als geachtet wird. So konnte an einigen Orten das entstehen, was mitunter als »Parallelgesellschaft« bezeichnet wird.
In diesem Buch komme nicht nur ich zu Wort. Wie bereits erwähnt, habe ich im vergangenen Jahr in Braunschweig eine Sonderkommission in Sachen Flüchtlingskriminalität ins Leben gerufen. Diese Soko wurde zunächst Soko Asyl und später Soko ZERM genannt – die Gründe dafür werde ich in den folgenden Kapiteln noch erklären. Vor allem aber setzt sich diese Soko aus äußerst fähigen und motivierten Beamten zusammen, die inzwischen breite Erfahrung im Umgang mit der Thematik sammeln konnten. In diesem Buch werden sich meine Äußerungen daher mit Berichten der Beamten aus der Soko abwechseln, um praxisnah so umfassend wie möglich die Facetten des Themas abdecken zu können und um unterschiedliche Meinungen wiederzugeben. Die hier zu Wort kommenden Kollegen und auch die Ehefrau eines Kriminaloberkommissars haben ungezwungen und frei ihre Beobachtungen, Einschätzungen und Gefühle niedergeschrieben. Es hat keinerlei Absprachen gegeben. Ich wusste bis zur Zusammenführung der einzelnen Kapitel nicht, was da so zusammenkommen würde.