Dieses Buch ist allen Menschen gewidmet, die Wuppertal mögen …

… und allen Wuppermuffeln.

Inhaltsverzeichnis

Gebrauchsanweisung

Die Autoren

Wuppertaler Wetter

Wuppertaler Mundart – Die Entstehung der Wuppertaler Dialekte

1. Ankunft des Suchenden

Bruch

Gestern in Wuppertal

Wuppertaler sind keine Luser

An der Schwebebahnkasse

Berühmte Schwebebahnpassagiere: Paulchen P.

Panhas

Wuppertaler Mundart: Die heutige Aussprache

2. Das Volk an der Wupper

Lichtschwerter in der Schwebebahn

Husch Husch – Echtes Wuppertaler Urgestein

Berühmte Schwebebahnpassagiere: Fantômas

Der Wuppertaler Kugelgasbehälter

Woanders

Test für Wuppertaler im Umgang mit Auswärts

3. Der Fährmann

Wuppertaler Mundart: Feuchter Niederschlag und andere Spezialitäten

Ohligsmühle

Aus dem Reisetagebuch des kleinen roten Ostereies

Berühmte Schwebebahnpassagiere: Cäsar

Wuppertaler Vornamen

Bedeutende Momente der Wuppertaler Frühgeschichte

Tallywood

4. Die Schwebebahn

Schwebebahnersatzverkehr

Berühmte Schwebebahnpassagiere: Stephen Hawking

Wanderer, kommst du nach Wuppertal

Kottenbutter

Wuppertaler Humor

Wuppertaler Mundart: Modalpartikel

Die Dröppelminna

Koffedrenken met allem Dröm on Dran

5. Das Mysterium der Kaffeetafel

Wuppertaler Mundart: Sprachliche Besonderheiten und freundlich oder weniger freundlich gemeinte Begriffe

Historische Stadtansicht von Wuppertal

Pillekuchen

Schwebebahngedicht (konstruktive Lürik)

Wasserstrecke

Wuppertaler Stadtansicht: Original und Fälschung

Wuppertaler Urgestein, belauscht in einem Wartezimmer

Berühmte Schwebebahnpassagiere: Die Weiße Frau von Wuppertal

Sachbeschädigung

6. Der Gral von Wuppertal

Die Parzival-Legende

Bergische Waffeln

Auflösung zu Original und Fälschung

Quellennachweis, Fotonachweis und Bildrechte

Gebrauchsanweisung

1

1. Wenn Sie dieses Buch in einer Buchhandlung aufgeschlagen haben und diesen Satz lesen: Bitte gehen Sie sofort zur Kasse und bezahlen Sie das Buch.

2. Wenn Sie dieses Buch schon bezahlt haben, gehen Sie in die Buchhandlung und kaufen noch eines. Sie werden schon jemanden kennen, dem Sie es schenken können.

3. Wenn Sie dieses Buch lesen und es gehört jemand anderem, schämen Sie sich und kaufen Sie sich sofort ein eigenes Exemplar.

4. Lesen Sie dieses Buch Seite für Seite, Wort für Wort. Blättern Sie es sorgfältig um, damit Sie keine Seite verpassen. Nur so stellt sich der erhoffte Lesegenuss ein.

5. Die Seitenzahlen sind unten auf den Seiten.

6. Wenn Sie dieses Buch schon mal durchgelesen haben und es jetzt ein weiteres Mal lesen wollen, kaufen Sie sich das Buch besser noch einmal. Nur so ist gewährleistet, dass Sie stets ein druckfrisches Exemplar bei der Hand haben. Das einzigartige Frischesystem der On-Demand-Produktion sorgt dafür, dass Sie als Endverbraucher immer maximal frische Druckwaren genießen können.

7. Die Seitenzahlen sind unten auf den Seiten. Immer noch.

8. Bitte lesen Sie dieses Buch nicht auf der Toilette. Wir drei Autorinnen und Autoren haben uns die größtmögliche Mühe gegeben, Ihnen ein kulturell hochwertiges Qualitätsprodukt zur Verfügung zu stellen. Ein solch profaner Leseort kommt unserer bildungsunterstützenden Intention nicht entgegen.

9. Falls doch: WARNUNG! Die Druckerschwärze färbt am Hintern ab!!!

10. Andererseits: Machen Sie doch! Je mehr Seiten Sie rausreißen, umso eher müssen Sie sich ein neues Exemplar kaufen. Damit steigt unser Autorenhonorar …

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1 Zu Ihrer Information sind die Kapitel bezüglich des Humorgehaltes gekennzeichnet. Je mehr Kronen, desto ernsthafter ist ein Beitrag. Je mehr Narrenkappen, desto mehr Humor enthält er.

Die Autoren

Auch die drei Wuppertiere genannt. »Eimer für alle, alles im Eimer!«

Anke Höhl-Kayser

… wurde 1962 in Wuppertal geboren, ist seitdem nur selten und dann höchstens kurzfristig woanders gewesen und kann sich auch nicht vorstellen, längerfristig in anderen Orten zu leben, da sie beim Gehen ganz automatisch in den auf Ortsfremde bizarr wirkenden sogenannten »schwingenden Schwebebahnrhythmus« verfällt. Außerdem bekommt sie in emissionsfreien, sauerstoffreichen Landstrichen jenseits der Wuppertaler Talsohle keine Luft und hat Schwierigkeiten, sich in Gegenden ohne Berge fortzubewegen, da sie ausschließlich »bergab« und »bergauf« gehen kann. Des weiteren hat sie Verständigungsprobleme, wenn sie nicht mit »Hömma ej« und »woll« angesprochen wird.

Annette Hillringhaus

… wurde 1968 in Wuppertal geboren und lebt seit 1988 woanders. Seitdem ist sie verrückt nach allem, was mit Wuppertal zu tun hat. Ihr umfangreiches Wissen über Wuppertal teilt sie jederzeit bereitwillig mit allen Nicht-Wuppertalern, insbesondere mit denen, die sich nicht für Wuppertal interessieren (die kriegt sie auch noch klein). Bislang hat sie weit über zwei Leute dazu bekehren können, Wuppertal einen Besuch abzustatten.

Torsten Buchheit

… wurde 1964 geboren, allerdings nicht in Wuppertal. Er war noch nie im Ruhrgebiet. Hihi. Die Begegnung mit Wuppertalern hat ihn fasziniert, und seither hat ihn das Wuppertal-Virus nicht mehr losgelassen. Was ihn auch auf die Idee mit diesem Buch brachte. Ansonsten schreibt er. Zum Beispiel Strafarbeiten, Einkaufszettel, aber auch Bücher. Und er versucht sich vergebens an der Wuppertaler Aussprache.

Wuppertaler Wetter

Es gibt eine gute Nachricht: Das Wuppertaler Wetter ist gar nicht so schlecht wie sein Ruf! Leider gibt es auch noch eine weniger gute Nachricht: Es ist noch schlechter.

Das Problem fängt ganz woanders an. Auf dem Atlantik. Der Atlantik ist – wer in der Schule in Erdkunde fleißig aufgepasst hat, weiß das – ja nun ziemlich feucht. Wenn da die Sonne draufscheint, verdunstet eine Menge Wasser. Das alleine ist noch nicht schlimm.

Jetzt haben wir in Europa (und Deutschland liegt sogar in Europa) sehr häufig eine Westwind-Wetterlage. Die treibt die feuchte Luft vom Atlantik über Deutschland. Nach Osten.

Nach Osten? Moment mal. Wenn das eine Westwind-Wetterlage ist, wieso zieht sie dann nach Osten? Müsste sie nicht eigentlich nach Westen ziehen? Das ist alles doch recht kompliziert. Also merken Sie sich besser: Sie zieht von links nach rechts. Nä, das andere rechts, Blötschkopp.

Also auf jeden Fall zieht die feuchte Luft von links nach rechts, auch über Wuppertal drüber. Das wäre jetzt auch nicht so schlimm, würde Wuppertal nicht ausgerechnet im Bergischen Land liegen wollen.

Deutschland links vom Bergischen Land ist – kontinental betrachtet – so ziemlich flach. Aber dann kommt ausgerechnet das Bergische Land, das ist ziemlich hoch. Wenn die feuchte Luft jetzt von links nach rechts zieht, dann muss sie ja irgendwie aufs Bergische Land rauf. Also ist sie gezwungen, aufzusteigen.

Wenn die feuchte Luft aufsteigt, bilden sich Wolken2. Aha. Merken Sie was?

Wenn die Wolken weiter aufsteigen, dann fängt es an zu regnen. Und wo regnet es? Na? Bingo! Genau über Wuppertal. Wuppertal liegt genau in der Wolkenhaupt-aufstiegsschneise3. Also da, wo die Wolken ihren A… – pardon: Allerwertesten hochwuchten. Und das ist da, wo der meiste Regen runterkommt.

Dadurch kommt Wuppertal auf eine jährliche Niederschlagsmenge von 1116mm4. Ein einsamer Rekord unter den deutschen Städten, um den Wuppertal wahrlich keiner beneidet. Würde das Regenwasser nicht abfließen, dann wäre Wuppertal nach einem Jahr einen Meter, elf Zentimeter und 6mm hoch überschwemmt.

Zum Vergleich: Magdeburg liegt auch in Deutschland, hat aber eine jährliche Niederschlagsmenge von gerade einmal 500mm. Das ist deutlich weniger als die Hälfte des Wuppertaler Niederschlags. Oh du glückliches Magdeburg5!

Die hohe Niederschlagsmenge hat natürlich Folgen: Die Talsohle der Wupper ist sumpfig, an den Talhängen der Wupper wächst Regenwald. Im gesamten Stadtgebiet gedeihen Moos und Algen. Und die Tierwelt passt sich an: Vorwiegend Amphibien. Also Frösche, Kröten, Lurche und ähnliches Viechzeug, das sich von den vielen Regenwürmern ernährt.

Wenden wir unsere Blicke mal ins Ruhrgebiet: Duisburg hat 710mm Niederschlag im Jahr. Ätsch. Sozusagen: Prima Klima. Aber Wuppertal will ja nicht im Ruhrgebiet liegen. Selbst schuld!

Wuppertaler Mundart – Die Entstehung der Wuppertaler Dialekte

Bis 1929 eigene Städte, hatten Barmen und Elberfeld, aber auch Cronenberg und Ronsdorf ihre eigenen Dialekte. Das zeigt, wie gern sich die heutigen Stadtteile schon damals voneinander abgrenzen wollten. Noch heute wird man von einem älteren Elberfelder angespuckt, wenn man sich als in Barmen geboren outet. Barmen! Wer wohnt schon in Barmen! Oder in Elberfeld! Wer, zum Kuckuck, wohnt in Elberfeld? Jetzt mal ehrlich.

Und Wuppertal? Wuppertal gibt es ebensowenig wie Bielefeld6. Es gibt Cronenberg, Vohwinkel, Ronsdorf und – wir knien nieder – Elberfeld und Barmen, nein, es muss natürlich Barmen und Elberfeld heißen – hab ich noch was vergessen? Genau: Ich habe noch vergessen zu erwähnen, dass der geneigte Leser sich im Folgenden auf manche linguistische Ungereimtheit gefasst machen möge.

Im 19. Jahrhundert kamen viele Menschen ins Tal, die sich durch die Industrielle Revolution Arbeit versprachen. Dadurch erweiterten sich die hiesigen Dialekte. Stadtteilbezogene Sprechweisen bildeten sich aus. Man unterscheidet daher tatsächlich Barmer Platt, Elberfelder Platt, Ronsdorfer Platt und Cronenberger Platt.

Platt war irgendwann mal nicht mehr in. Nicht einmal mehr zur Zeit meiner Großmutter, Jahrgang 1902. Platt galt als Arbeitersprache, und schließlich war man wer, und wer wer war, sprach keinesfalls Platt.

Der Schwiegervater meiner Großmutter, ein reicher Barmer Fabrikbesitzer und sehr geerdeter Mensch, setzte sich gern und provokativ über diesen Dünkel hinweg, indem er unverwandt die Sprache seiner Arbeiter benutzte. Das sicherte ihm die Herzen seiner Untergebenen.

Aber nicht das seiner Schwiegertochter. Meine Großmutter, dazu erzogen, Hochdeutsch zu sprechen, war ob dieser Formverletzung noch fünfzig Jahre später zutiefst empört. Trotzdem konnte auch sie nicht verhehlen, mit Platt großgeworden zu sein.

Erstmal hatte sie keine Ahnung, was der Schwiegervater meinte, als er sich bei einem Besuch seufzend mit folgenden Worten auf dem Stuhl niederließ: »Eck heff so Pien!«. Meine Großmutter, gebürtige Elberfelderin, zog schließlich ihre eigenen Kenntnisse im Platt heran und es gelang ihr zu übersetzen: »Ich habe solche Schmerzen!«, wenn auch mit Mühe, denn auf Elberfelder Platt heißt Schmerz Ping.

An einem weiteren, sehr passenden Beispiel zeigt sich der Unterschied dreier Dialekte: Das hochdeutsche Wort Buch. Wenn wir einem alteingesessenen Elberfelder dieses Machwerk verkaufen wollten, müssten wir von bok sprechen. Einem Cronenberger müssten wir unser neues bu-ek anpreisen und einem Barmer das book (gesprochen übrigens mit langem o, nicht wie das englische »book«).

Inzwischen sind diese ursprünglichen Dialekte aus dem täglichen Sprachbild praktisch völlig verschwunden. Es gibt aber tatsächlich noch einige Menschen, die die Mundart pflegen und sie in Zeitungsartikeln oder Vereinigungen, sogar in Internetforen am Leben erhalten. Eine althergebrachte und bewährt funktionierende Sache einfach aufzugeben, das ist nun mal nicht Wuppertaler Art. Die Mehrheit der jugendlichen Wuppertaler Bürger allerdings spricht kein Platt mehr, sondern hat sich in der Aussprache mehr und mehr dem allgemeinen Ruhrgebietssoziolekt angenähert. Trotzdem finden sich in der Alltagssprache noch vereinzelt klassische Begriffe. Dat glöwen Se nit? Glauben Sie es ruhig. Es ist so.

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2 Aber nicht die Art Wolken, die entsteht, wenn Sie zu viele Zwiebelringe auf Ihre Kottenbutter gelegt haben.

3 Eine Komposition aus fünf lexikalischen Morphemen, der Klasse der unnötigen Neologismen zuzuordnen.

4 Daran hat auch das 1991 gegründete Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie bisher nichts ändern können.

5 Wo die Regenschirmverkäufer verhungern und die Kakteen im Stadtpark verdorren.

6 siehe die bekannte Bielefeld-Verschwörung.

1. Ankunft des Suchenden

Es gibt ein Geheimnis jenseits des Ruhrgebiets, von dem nur wenige Menschen wissen. Besonders jene Menschen, die behaupten, das Bergische Land gehöre zum Ruhrgebiet, sind diejenigen, die die Wahrheit niemals erfahren werden.

Denn das Geheimnis verbirgt sich im Herzen dieses Bergischen Landes, und nur wer mit offenen Augen reist, kann es sehen.

Fragen Sie sich: Habe ich es nicht auch schon mal erlebt?

Ob man aus Bochum, Essen, Köln oder aus Düsseldorf in Richtung Wuppertal fährt – es ist immer das Gleiche.

Spätestens an der Raststätte Sternenberg auf der A46 ändert sich schlagartig das Wetter. Wie sonnig es auch immer zuvor gewesen sein mag, nun beginnt es zu regnen, und plötzlich zieht Nebel auf. Erst ganz unmerklich. Zarte Wolken schieben sich vor die Sonne und beginnen sie einzutrüben. Dann folgen die ersten Nebelschleier, die sich sacht aus den umgebenden Wiesen und Feldern erheben. Sie hüllen die Autobahn und die darauf Fahrenden ein. Immer mehr und mehr, bis die Reisenden schließlich die Nebelscheinwerfer anschalten und zu fluchen beginnen, weil es am helllichten Tag so dunkel ist wie um Mitternacht.

Wie gesagt: Das Geheimnis enthüllt sich nicht jedem …

Die Grenze verbirgt die Wahrheit vor den Unwissenden. Die Wuppertaler warten auf den Einen, den Suchenden …

Die gewöhnlichen Autofahrer reiben sich die Augen, treten je nach Mentalität aufs Gas oder fahren angepasst und hoffen inständig, dass sie bald aus dieser Suppe wieder herauskommen.

»Klar«, sagen sie, »ist ja mal wieder ein Wetter um Wuppertal. Ruhrgebiet, war ja klar. Wie immer! Wie die Wuppertaler das bloß aushalten!«

So reagieren sie – die Normalsterblichen, die unbedarft Geborenen. Sie fluchen, sie fahren vorbei, und niemals wird einer von ihnen sehen, was sich hinter dem Nebel verbirgt.

Doch es ist prophezeit: Einmal in jedem Jahrtausend wird einer kommen, der Augen für die Schönheit der Nebelschleier und ihre sachte Verhüllung hat. Dieser Eine wird nicht fluchen, im Gegenteil, er wird in den Nebel schauen, der auf einmal zu leuchten beginnt, golden, immer heller wird, bis er geblendet die Augen schließen muss und sich entscheidet, von der Autobahn abzufahren.

Das Abenteuer beginnt.

Keine Wahl